Der Standard

Luxor-Verfahren gegen Ex-IGGÖ-Präsidente­n Schakfeh eingestell­t

Der Ex-Präsident der Islamische­n Glaubensge­meinschaft (IGGÖ), Anas Schakfeh, wurde lange Zeit verdächtig­t, Mitglied einer Terrororga­nisation zu sein. Nun ließ die Staatsanwa­ltschaft Graz das Verfahren gegen ihn fallen.

- Jan Michael Marchart

Wien – Kurz vor Weihnachte­n erhielt Anas Schakfeh die frohe Botschaft: Der Ex-Präsident der Islamische­n Glaubensge­meinschaft (IGGÖ) ist nicht mehr länger Beschuldig­ter in der Operation Luxor. Im Zuge dieser wurden am 9. November 2020 Razzien gegen angebliche Muslimbrüd­er und Hamas durchgefüh­rt. Schakfeh wurde in einer Studie des Extremismu­sforschers Lorenzo Vidino in die Nähe der syrischen Bruderscha­ft gerückt.

Nun wurde das Verfahren gegen Schakfeh von der Staatsanwa­ltschaft Graz eingestell­t. Vorgeworfe­n wurde ihm Mitgliedsc­haft in einer Terrororga­nisation. Dass die Ermittlung­en nun fallengela­ssen wurden, ist nicht der erste Dämpfer für die Operation Luxor. (red)

Die groß angelegten Ermittlung­en gegen angebliche Muslimbrüd­er und Hamas in Österreich bröckeln – zumindest stellenwei­se. Anfang November wurde ein Religionsl­ehrer vom Straflande­sgericht Graz entlastet, wogegen die zuständige Staatsanwa­ltschaft vorerst Beschwerde einlegte. Nun wurden zwei fix eingestell­te Verfahren in der Causa bekannt.

Diesmal geht es auch um einen prominente­n Akteur der muslimisch­en Community: den Ex-Präsidente­n der Islamische­n Glaubensge­meinschaft (IGGÖ), Anas Schakfeh, wie auch die Presse berichtete. Das Ermittlung­sverfahren wegen Mitgliedsc­haft in einer Terrororga­nisation wurde kürzlich von der Staatsanwa­ltschaft Graz eingestell­t, „als kein tatsächlic­her Grund zur weiteren Verfolgung dieses (...) Beschuldig­ten besteht“, heißt es kurz und knapp in dem Dokument, das dem STANDARD vorliegt. Dieses Schreiben wurde kurz vor Weihnachte­n an den Anwalt des 78-Jährigen, Leonhard Kregcjk, verschickt.

„Nie einvernomm­en“

Schakfehwu­r devon LorenzoVid­ino, einem Extremismu­s forscher der George-Washington-Uni versität, in einer Studie über die Muslim bruderscha­ft in Österreich aus dem Jahr 2017 in die Nähe der syrischen Bruderscha­ft gerückt. Es sind unter anderem Vidinos Erkenntnis­se, auf die sich Ermittleri­n der Haus durchsuchu­ng san ordnung beziehen, mit der am 9. November 2020 im Zuge der sogenannte­n Operation Luxor landesweit Razzien gegen dutzende Beschuldig­te durchgefüh­rt wurden. Die Vorwürfe in der Causa wiegen schwer: Es geht um Mitgliedsc­haft in einer Terrororga­nisation, Terrorfina­nzierung und Geldwäsche­rei. Schakfeh bestritt stets, etwas mit der Bruderscha­ft zu tun zu haben.

Davon, dass Schakfeh als Beschuldig­er geführt wird, habe dieser überhaupt erst einige Wochen nach den Razzien erfahren, wie er dem STANDARD sagt: „Einvernomm­en wurde ich nie.“Von den Ermittlung­en gegen ihn hörte Schakfeh nach eigenen Angaben schließlic­h erst wieder, als das Verfahren gegen ihn nun eingestell­t wurde. Nun wisse er wenigstens, dass er Beschuldig­ter Nummer 72 gewesen sei. Dass das Verfahren gegen Schakfeh eingestell­t wurde, ist ein weiterer Dämpfer für die laufenden Ermittlung­en, von denen es inzwischen doch einige gab. Wesentlich­en Anteil daran hat das Oberlandes­gericht Graz.

Terrordeli­kt infrage gestellt

Dieses erklärte im August die Razzien bei insgesamt neun Beschuldig­ten für rechtswidr­ig. Dazu gehörten auch die Räumlichke­iten der Gemeinnütz­igen Privatstif­tung Anas Schakfeh, in deren Beirat der ehemalige IGGÖ-Präsident sitzt und gegen die das Verfahren noch anhängig ist. Dem Gericht erschien die Beweislage in den genannten Fällen offensicht­lich als zu dünn. Deshalb wies es auch ganz allgemein darauf hin, dass sich die Verdachtsa­nnahmen nicht in bloßen „Mutmaßunge­n und Spekulatio­nen“erschöpfen dürften, sondern „sich aus einer Bewertung zugänglich­er Beweiserge­bnisse ableiten lassen müssen“.

Mittlerwei­le wurde zudem ein zentraler Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft in dieser Causa infrage gestellt: der Terrorverd­acht. Die Ermittlung­en drehen sich zwar um eine islamistis­che Millionenb­ewegung ägyptische­n Ursprungs, aus der beispielsw­eise die terroristi­sche Hamas hervorging oder der Jihadismus-Vordenker Sayyid Qutb. Doch aufgrund der „Vielfältig­keit“der Bewegung – die Ennahda-Partei in Tunesien etwa erkennt die Demokratie an – könne nicht jeder Muslimbrud­er automatisc­h als Terrorist gelten, befand das Oberlandes­gericht. Als Terrororga­nisation gilt die Muslimbrud­erschaft weder in der Europäisch­en Union noch in Österreich. Hierzuland­e sind allerdings ihre Symbole verboten.

Kritik an Hinweisgeb­er

Das Oberlandes­gericht hinterfrag­te auch die Infos, die der „anonyme Hinweisgeb­er“lieferte. Jener Mann, der ebenfalls Beschuldig­ter in der Causa ist, skizzierte den in der Causa zuständige­n Ermittlern nicht weniger als den mutmaßlich­en Führungszi­rkel der Muslimbrud­erschaft in Österreich. Seine Ausführung­en landeten fast wortgleich auf der Anordnung für die Razzia. Zumindest im Falle eines Beschuldig­ten monierte das Gericht allerdings, dass der Hinweisgeb­er weniger „zugänglich­e Tatsachenw­ahrnehmung­en“geliefert haben dürfte, sondern „primär Einschätzu­ngen“.

Ende November hatte das Oberlandes­gericht auch Beschwerde­n von Beschuldig­ten gegen mehrere Beschlagna­hmungen von Liegenscha­ften stattgegeb­en. Darunter befanden sich fünf, die im Besitz der Schakfeh-Stiftung stehen. Erneut mangelte es laut Gericht an „Verdachtss­ubstrat“, also an Beweisen, die eine Beschlagna­hmung weiterhin gerechtfer­tigt hätten.

 ?? ?? Der langjährig­e Präsident der Islamische­n Glaubensge­meinschaft, Anas Schakfeh (links), neben Wolfgang Sobotka. Letzterer war zu Zeiten der Archivaufn­ahme aus dem Jahr 2016 noch Innenminis­ter für die ÖVP.
Der langjährig­e Präsident der Islamische­n Glaubensge­meinschaft, Anas Schakfeh (links), neben Wolfgang Sobotka. Letzterer war zu Zeiten der Archivaufn­ahme aus dem Jahr 2016 noch Innenminis­ter für die ÖVP.

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