Luxor-Verfahren gegen Ex-IGGÖ-Präsidenten Schakfeh eingestellt
Der Ex-Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), Anas Schakfeh, wurde lange Zeit verdächtigt, Mitglied einer Terrororganisation zu sein. Nun ließ die Staatsanwaltschaft Graz das Verfahren gegen ihn fallen.
Wien – Kurz vor Weihnachten erhielt Anas Schakfeh die frohe Botschaft: Der Ex-Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) ist nicht mehr länger Beschuldigter in der Operation Luxor. Im Zuge dieser wurden am 9. November 2020 Razzien gegen angebliche Muslimbrüder und Hamas durchgeführt. Schakfeh wurde in einer Studie des Extremismusforschers Lorenzo Vidino in die Nähe der syrischen Bruderschaft gerückt.
Nun wurde das Verfahren gegen Schakfeh von der Staatsanwaltschaft Graz eingestellt. Vorgeworfen wurde ihm Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. Dass die Ermittlungen nun fallengelassen wurden, ist nicht der erste Dämpfer für die Operation Luxor. (red)
Die groß angelegten Ermittlungen gegen angebliche Muslimbrüder und Hamas in Österreich bröckeln – zumindest stellenweise. Anfang November wurde ein Religionslehrer vom Straflandesgericht Graz entlastet, wogegen die zuständige Staatsanwaltschaft vorerst Beschwerde einlegte. Nun wurden zwei fix eingestellte Verfahren in der Causa bekannt.
Diesmal geht es auch um einen prominenten Akteur der muslimischen Community: den Ex-Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), Anas Schakfeh, wie auch die Presse berichtete. Das Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation wurde kürzlich von der Staatsanwaltschaft Graz eingestellt, „als kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung dieses (...) Beschuldigten besteht“, heißt es kurz und knapp in dem Dokument, das dem STANDARD vorliegt. Dieses Schreiben wurde kurz vor Weihnachten an den Anwalt des 78-Jährigen, Leonhard Kregcjk, verschickt.
„Nie einvernommen“
Schakfehwur devon LorenzoVidino, einem Extremismus forscher der George-Washington-Uni versität, in einer Studie über die Muslim bruderschaft in Österreich aus dem Jahr 2017 in die Nähe der syrischen Bruderschaft gerückt. Es sind unter anderem Vidinos Erkenntnisse, auf die sich Ermittlerin der Haus durchsuchung san ordnung beziehen, mit der am 9. November 2020 im Zuge der sogenannten Operation Luxor landesweit Razzien gegen dutzende Beschuldigte durchgeführt wurden. Die Vorwürfe in der Causa wiegen schwer: Es geht um Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Terrorfinanzierung und Geldwäscherei. Schakfeh bestritt stets, etwas mit der Bruderschaft zu tun zu haben.
Davon, dass Schakfeh als Beschuldiger geführt wird, habe dieser überhaupt erst einige Wochen nach den Razzien erfahren, wie er dem STANDARD sagt: „Einvernommen wurde ich nie.“Von den Ermittlungen gegen ihn hörte Schakfeh nach eigenen Angaben schließlich erst wieder, als das Verfahren gegen ihn nun eingestellt wurde. Nun wisse er wenigstens, dass er Beschuldigter Nummer 72 gewesen sei. Dass das Verfahren gegen Schakfeh eingestellt wurde, ist ein weiterer Dämpfer für die laufenden Ermittlungen, von denen es inzwischen doch einige gab. Wesentlichen Anteil daran hat das Oberlandesgericht Graz.
Terrordelikt infrage gestellt
Dieses erklärte im August die Razzien bei insgesamt neun Beschuldigten für rechtswidrig. Dazu gehörten auch die Räumlichkeiten der Gemeinnützigen Privatstiftung Anas Schakfeh, in deren Beirat der ehemalige IGGÖ-Präsident sitzt und gegen die das Verfahren noch anhängig ist. Dem Gericht erschien die Beweislage in den genannten Fällen offensichtlich als zu dünn. Deshalb wies es auch ganz allgemein darauf hin, dass sich die Verdachtsannahmen nicht in bloßen „Mutmaßungen und Spekulationen“erschöpfen dürften, sondern „sich aus einer Bewertung zugänglicher Beweisergebnisse ableiten lassen müssen“.
Mittlerweile wurde zudem ein zentraler Vorwurf der Staatsanwaltschaft in dieser Causa infrage gestellt: der Terrorverdacht. Die Ermittlungen drehen sich zwar um eine islamistische Millionenbewegung ägyptischen Ursprungs, aus der beispielsweise die terroristische Hamas hervorging oder der Jihadismus-Vordenker Sayyid Qutb. Doch aufgrund der „Vielfältigkeit“der Bewegung – die Ennahda-Partei in Tunesien etwa erkennt die Demokratie an – könne nicht jeder Muslimbruder automatisch als Terrorist gelten, befand das Oberlandesgericht. Als Terrororganisation gilt die Muslimbruderschaft weder in der Europäischen Union noch in Österreich. Hierzulande sind allerdings ihre Symbole verboten.
Kritik an Hinweisgeber
Das Oberlandesgericht hinterfragte auch die Infos, die der „anonyme Hinweisgeber“lieferte. Jener Mann, der ebenfalls Beschuldigter in der Causa ist, skizzierte den in der Causa zuständigen Ermittlern nicht weniger als den mutmaßlichen Führungszirkel der Muslimbruderschaft in Österreich. Seine Ausführungen landeten fast wortgleich auf der Anordnung für die Razzia. Zumindest im Falle eines Beschuldigten monierte das Gericht allerdings, dass der Hinweisgeber weniger „zugängliche Tatsachenwahrnehmungen“geliefert haben dürfte, sondern „primär Einschätzungen“.
Ende November hatte das Oberlandesgericht auch Beschwerden von Beschuldigten gegen mehrere Beschlagnahmungen von Liegenschaften stattgegeben. Darunter befanden sich fünf, die im Besitz der Schakfeh-Stiftung stehen. Erneut mangelte es laut Gericht an „Verdachtssubstrat“, also an Beweisen, die eine Beschlagnahmung weiterhin gerechtfertigt hätten.