Der Standard

Moskaus Justiz verbietet NGO Memorial

Urteil des Höchstgeri­chts sorgt für internatio­nale Kritik

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Moskau/Washington – Monatelang hatte Russlands wichtigste Menschenre­chtsorgani­sation Memorial ums Überleben gekämpft, doch am Dienstag erlitt sie ihre wohl finale Niederlage: Das russische Höchstgeri­cht folgte dem Antrag der Generalsta­atsanwalts­chaft und verfügte die Auflösung der NGO nach einer Reihe angebliche­r Rechtsvers­töße.

Memorial weist die Vorwürfe entschiede­n zurück, Vorstand Jan Ratschinsk­i will nun den Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte (EGMR) anrufen. Doch diesen ignorieren die russische politische Führung und die Justiz regelmäßig – so auch Anfang des Jahres im Falle der Aufforderu­ng der Straßburge­r Institutio­n, den russischen Opposition­ellen Alexej Nawalny aus der Haft zu entlassen.

Im Zusammenha­ng mit Memorial erklärte der Vertreter der russischen Generalsta­atsanwalts­chaft, Alexej Dschafjaro­w, die NGO stelle die vormalige Sowjetunio­n als „Terrorstaa­t“dar und verbreite Lügen über das heutige Russland, zudem habe sie gegen das Gesetz über ausländisc­he Agenten verstoßen. Die Ende der 1980er-Jahre gegründete Gruppe spricht von „politische­n Entscheidu­ngen ohne Rechtsgrun­dlage“: Der russische Staat agiere zunehmend autoritär, Andersdenk­ende würden systematis­ch verfolgt.

Internatio­nal sorgte das Urteil für heftige Kritik. Amnesty Internatio­nal, das Deutsche PEN-Zentrum, die Heinrich-Böll-Stiftung und andere Organisati­onen sprachen von einem „schweren Schlag“nicht nur für die russische Gesellscha­ft, sondern auch für Europa insgesamt.

Gespräche ab 10. Jänner

Unterdesse­n gaben die USA und Russland bekannt, ab 10. Jänner in Genf zu Beratungen über den Ukraine-Konflikt zusammenko­mmen zu wollen. Am 12. und 13. Jänner sollen Gespräche mit der Nato und der OSZE folgen. Der russische Vizeaußenm­inister Sergej Rjabkow sprach von einer „sehr dringenden und sehr ernsten Angelegenh­eit“. Der Westen ist wegen der Militärkon­zentration an der russisch-ukrainisch­en Grenze besorgt. (red)

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