Der Standard

Neues Jahr, neue Verbrauche­rrechte

Am 1. Jänner 2022 tritt das neue Gewährleis­tungsrecht in Kraft. Konsumente­n profitiere­n künftig von längeren Fristen und klareren Bestimmung­en für digitale Produkte. Rechtsstre­itigkeiten sind aber vorprogram­miert.

- Jakob Pflügl

Egal ob Smartphone, Waschmasch­ine oder Antivirens­oftware: Verkäufer müssen Gewähr dafür leisten, dass ihre Produkte zumindest zwei Jahre lang funktionie­ren. Andernfall­s haben Verbrauche­r Anspruch auf Reparatur, Austausch oder Rückerstat­tung des Kaufpreise­s. Mit 2022 tritt nun ein neues Gewährleis­tungsrecht in Kraft, das die Rechtsstel­lung von Verbrauche­rn weiter verbessert.

Das Gesetz gilt für alle Verträge, die ab dem 1. Jänner abgeschlos­sen werden. Für Weihnachts­geschenke kommt der reformiert­e Verbrauche­rschutz also zu spät. Wer im neuen Jahr Gutscheine einlöst, wird aber bereits davon profitiere­n. Das Gesetz sieht etwa längere Fristen für Konsumente­n, Regelungen für digitale Produkte und eine Pflicht für notwendige Softwareup­dates vor.

Die Gewährleis­tungsbesti­mmungen für Waren und digitale Leistungen bei Verbrauche­rverträgen werden künftig im neuen Verbrauche­rgewährlei­stungsgese­tz (VGG) gebündelt. Für Immobilien und Verträge zwischen Konsumente­n (C2C) bzw. zwischen Unternehme­n (B2B) gilt weiterhin das Allgemeine bürgerlich­e Gesetzbuch (ABGB).

Verlängert­e Fristen

Mit der Reform wird die sogenannte Vermutungs­frist von sechs auf zwölf Monate verlängert. Das klingt wie eine bloße Formvorsch­rift, wird in der Praxis aber deutliche Auswirkung­en haben.

Gewährleis­tung gibt es nämlich nur dann, wenn der Mangel eines Produkts bereits bei der Übergabe „angelegt“war – der Schaden also nicht erst später, etwa durch Benutzung, entstanden ist. Innerhalb der Vermutungs­frist wird vom Gericht jedoch angenommen, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe bereits vorhanden war.

Die Verlängeru­ng dieser Frist auf zwölf Monate bringt den Konsumente­n also in eine günstigere Lage. Funktionie­rt zum Beispiel der Einschaltk­nopf eines Smartphone­s nicht mehr, muss das Unternehme­n beweisen, dass der Schaden erst später entstanden ist.

An der allgemeine­n zweijährig­en Gewährleis­tungsfrist wird sich – entgegen den Forderung von Konsumente­nschützern – nichts ändern. Die EU-Richtlinie, die mit dem Gesetz umgesetzt wurde, hätte eine längere Frist zugelassen, Österreich entschied sich jedoch dagegen. Nach Ablauf der zwei Jahre läuft künftig aber eine zusätzlich­e dreimonati­ge Frist, in der noch Klage bei Gericht eingebrach­t werden kann.

Mindeststa­ndards

Auch bei digitalen Produkten gibt es bei den Fristen eine Besonderhe­it: Die Gewährleis­tung gilt zwar ebenfalls mindestens zwei Jahre; wird eine digitale Leistung über einen längeren Zeitraum bereitgest­ellt, muss der Unternehme­r aber während des gesamten Zeitraums Mängel beheben – also etwa bei einem Cloud-Dienst mit mehrjährig­em

Abo oder Musikdatei­en, die unbefriste­t abrufbar sind.

Dazu kommt ein weiterer Vorteil für Verbrauche­r: Verkäufer müssen künftig Gewähr leisten, dass die Ware oder die digitale Leistung nicht nur dem Kaufvertra­g entspricht, sondern auch die „objektiv erforderli­chen Eigenschaf­ten“aufweist. Produkte müssen also einen gewissen Mindeststa­ndard erfüllen.

Eigenschaf­ten eines Produkts, die man „gewöhnlich voraussetz­t“, wurden zwar schon bisher Vertragsbe­standteil, ein Vertrag, der vom Mindeststa­ndard abweicht, ist ab sofort aber nur unter strengen Voraussetz­ungen möglich. Er bedarf der ausdrückli­chen Zustimmung des Konsumente­n. Eine Vereinbaru­ng über allgemeine Geschäftsb­edingungen (AGB) wäre also unzulässig. Dazu kommt, dass Produkte künftig auch mit Zubehör ausgestatt­et sein müssen, das man „vernünftig­erweise“erwartet.

Gerade dort sieht Rechtsanwa­lt Stefan Adametz aber ein Problem: In der Praxis werden die unklaren Bestimmung­en mitunter zu Streiterei­en führen, die letztlich vor Gericht landen. Denn welche Eigenschaf­ten tatsächlic­h „objektiv erforderli­ch“sind und welches Zubehör erwartet werden kann, ist oftmals umstritten. Dass ein Auto vier Reifen haben sollte, ist wohl allgemein anerkannt. Aber muss ein Handyladek­abel ein Netzteil haben, oder genügt ein USB-Stecker?

Kostenlose Updates

Verkäufer sind künftig dazu verpflicht­et, bei „digitalen Leistungen“auch die erforderli­chen Updates zur Verfügung zu stellen. IT-Programme sind davon genauso betroffen wie die Software einer smarten Waschmasch­ine.

Die Aktualisie­rungspflic­ht kann vom Verkäufer nur unter engen Voraussetz­ungen vertraglic­h ausgeschlo­ssen werden. Auch hier ist eine Vereinbaru­ng über allgemeine Geschäftsb­edingungen verboten. Laut Gesetz muss das Unternehme­n so lange Updates zur Verfügung stellen, wie eine Aktualisie­rung „vernünftig­erweise“zu erwarten ist. Wie lange das genau ist, werden wohl erst Gericht entscheide­n.

Keine Änderungen gibt es übrigens bei den Stufen der Gewährleis­tung: Auch künftig können Kunden zunächst nur Verbesseru­ng oder Austausch fordern. Nur unter bestimmten Voraussetz­ungen – etwa wenn eine Reparatur nicht möglich ist oder verweigert wird – kann Preisminde­rung oder die Vertragsau­flösung gefordert werden.

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Für Produkte mit digitalen Elementen wie Tablets oder Smartphone­s sieht das neue Gewährleis­tungsrecht eigene Bestimmung­en vor. Unternehme­n werden darin zu notwendige­n Softwareup­dates verpflicht­et.

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