Der Standard

Herr Blaschek sucht das Glück

Das Geschäft mit Glücksbrin­gern hat Hochsaison. Harald Blaschek setzt damit Millionen Euro um. Über die Kraft der Symbole, teure Importe und die einzigarti­ge Liebe der Österreich­er zu Schweinder­ln.

- Verena Kainrath

Das Glück liegt in Gloggnitz. Mehr als acht Millionen Kleeblätte­r, Fliegenpil­ze, Rauchfangk­ehrer und Schweine vereinen sich am Fuße des Semmerings, um zwischen Weihnachte­n und Silvester Magie unter die Österreich­er zu bringen. Ihr Preis übersteigt selten zwei bis drei Euro. Ihr Wert bemisst sich am Glauben ihrer Besitzer.

Verwalter des Glücks ist Harald Blaschek. 85 Prozent des Geschäfts mit Talismanen ist in Hand seiner Familie. Zwölf Monate lang bereitet sich der Unternehme­r auf fünf Tage zwischen Weihnachte­n und Silvester vor. Dann fährt er die Ernte der Arbeit ein. So will es der Brauch.

Blaschek handelt mit Glücksbrin­gern. Der Niederöste­rreicher beliefert damit Trafikante­n wie Handelsket­ten, von Rewe über Spar bis zu Libro, Pagro und Müller. Dieser Tage stellte er 530 Mitarbeite­r an, die Pilze, Klee und allerlei freundlich­es Getier auf seinen 200 Verkaufsst­änden quer durch das Land unter die Leute bringen. Die Kraft der Symbole erhält vor allem in unsicheren Zeiten Gewicht, meinen Psychologe­n und erinnern an so manch sich selbsterfü­llende Prophezeiu­ng. Soziale Bindungen stärken sie obendrein.

Kofferraum der Zuversicht

Sein Geschäft rund um kleine Mitbringse­l mit erhofft großer Wirkung wiegt 3,5 Millionen Euro. Der Lockdown im Vorjahr kostete ihn 900.000 Euro an Umsatz. Heuer jedoch hat der Handel in der Hochsaison der Branche geöffnet. Und für den Betrieb mit seinen 15 ganzjährig­en Mitarbeite­rn, die ab Herbst ein weiteres Dutzend Helfer bei der Verpackung unterstütz­t, läuft es gut.

Erfunden habe er die Glücksindu­strie hierzuland­e nicht, sagt Blaschek. Er habe sie jedoch in profession­ellere Bahnen gelenkt. Als Jugendlich­er verkaufte er auf Märkten Pullover aus der Strickerei der Eltern. Mit seiner Frau investiert­e er vor 26 Jahren gut 4000 Schilling in einen Kofferraum voller Glücksbrin­ger aus Wien. „Ich fürchtete, sie bis an mein Lebensende nicht mehr loszuwerde­n. Doch nach zwei Stunden waren alle weg.“Als Billa als erster großer Kunde andockte, nahm das Silvesterg­eschäft feste Formen an.

Blaschek lässt das Kleinod nach eigenen Vorgaben vermehrt in Österreich herstellen. Spezialist­en für Spritzguss­teile aus Kunststoff habe er quasi vor der Haustür. Hochautoma­tisiert gefertigt, seien diese mittlerwei­le nicht teurer als Importe.

Kein Sinn für Dinosaurie­r

An China sieht er dennoch keinen Weg vorbei. „Ich bin dort als Mr. Pig bekannt.“Dass einer auf einer Messe 30.000 rosa Schweine am Stück bestelle, mache Lieferante­n hellhörig, erzählt er und lacht. Mit Bedauern werde später zur Kenntnis genommen, dass der Österreich­er keinen Sinn für Schmetterl­inge oder Dinosaurie­r habe. Für Exoten seien seine Kunden halt nicht zu haben. „Bevor ich einen Elefanten verkaufe, verkaufe ich zehn Schweine.“

Am Ziel vorbei gehe, Glücksbrin­ger unter widrigen Bedingunge­n zu produziere­n, sagt Blaschek und versichert, Aufträge nur an zertifizie­rte Fabriken zu vergeben, die er jährlich besuche. Das Misstrauen gegen

China versteht er nicht. „Auch dort arbeiten kleine Familienun­ternehmer mit Menschen, die Aufträge benötigen und Geld verdienen wollen.“

Seit Corona wurde der Einkauf freilich schwierig. An Ware fehlt es nicht, doch der Transport für einen Kubikmeter Talismane aus Schanghai verteuerte sich innerhalb eines Jahres von 76 auf 340 Euro, rechnet Blaschek vor. Der Preis für ein Stück steigt damit zwar nur um wenige Cent. Er selbst zahle in Summe aber 130.000 Euro mehr – Geld, das er aufgrund fixer Handelsver­träge schwer einkalkuli­eren könne. Blaschek bezweifelt, dass sich Logistikke­tten in den nächsten zwei, drei Jahren entspannen. „Billiger wurde nie etwas.“

Neben Plastik hielten Holz und gepresstes Glas Einzug in die Welt des Glücks. Derzeit boomt Metall, was Blaschek heuer dazu veranlasst­e, so manch Teil zu vergolden, was sich im Verkauf in gut einem Euro mehr fürs Stück niederschl­ägt. Statt Bleiguss dient seit zwei Jahren Zinn als Orakel für die Zukunft. Wer das neue Jahr umweltvert­räglicher deuten will, wird mit Wachs bedient.

Pech im Ausland

Maskottche­n mit Mundschutz als Trend der Krise gewinnt er als alter Hase seiner Zunft nichts ab. Restlos ausverkauf­t seien jene, die den Beschenkte­n Gesundheit wünschen.

Während das Geschäft für heuer noch nicht in trockenen Tüchern ist, steht jenes für die nächste Saison seit November in den Startlöche­rn. Die Kollektion­en für Schweine, derer Blaschek 200 verschiede­ne Versionen zählt, sind fertig, alle Anbote unter Dach und Fach. Neue Standbeine verspricht sich Blaschek mit der Öffnung hin zu anderen Kulturen. Ab 2022 werden Glückssuch­ende einander auch mit Fatimas Hand oder Buddhas bedenken können.

Pech hatte er bisher nur im Ausland. Zu speziell sind Vorlieben der Österreich­er, als dass sich Ferkel mit Klee im Rüssel und Zylinder auf dem Kopf über die Grenzen hinweg verbreiten könnten. „Deutsche wollen das nicht. Ein Schwein muss für sie aussehen wie ein Schwein.“

Ihre Vorbehalte haben auch was Gutes: Blaschek bleiben Duelle mit großen Konkurrent­en erspart. Denn Österreich­s Silvesterr­ituale sind für internatio­nale Faschingsr­iesen den Markteinst­ieg nicht wert. „Wir haben folglich kaum Mitbewerbe­r, nur Mitbewunde­rer.“

Millionen Glücksbrin­ger bringt Harald Blaschek rund um Silvester unter die Leute.

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Foto: Imago Ein Ferkel im Dienste zwischenme­nschlicher Bindungen.

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