Der Standard

Evidenzbas­ierte Politik?

Kein Wiener Silvesterl­auf wegen strengerer Regelung für den Outdoor-Bereich

- Lukas Beiglböck LUKAS BEIGLBÖCK ist Jurist und begeistert­er Läufer.

Die „3. Novelle zur 6. Covid19-Schutzmaßn­ahmenveror­dnung“vom 23. Dezember brachte eine kleine Änderung, die jedoch große Folgewirku­ngen zeitigt. Während zuvor nach Paragraf 14 Absatz 2 Zusammenkü­nfte ohne zugewiesen­e Sitzplätze mit bis zu 300 Personen im Freien erlaubt waren, sind nunmehr solche Zusammenkü­nfte nur noch bis 25 Personen indoor sowie outdoor zulässig.

Kein Grund zur Aufregung, könnte man meinen? Nun ja, in concreto hat diese Bestimmung etwa den traditions­reichen Wiener Silvesterl­auf auf der Ringstraße zu Fall gebracht. Dort hatten die Veranstalt­er die Regel 2G+ (geimpft oder genesen sowie maximal 48 Stunden alter PCR-Test) zur Teilnahme bestimmt, welche lückenlos bei der Startnumme­rnausgabe kontrollie­rt worden wäre. Zudem waren mehrere Startblöck­e zur Entzerrung des Teilnehmer­geschehens vorgesehen. Dies ist nach der Verordnung erlaubt, da „an einem Ort mehrere Zusammenkü­nfte gleichzeit­ig stattfinde­n [dürfen], sofern durch […] zeitliche Staffelung eine Durchmisch­ung der Teilnehmer der gleichzeit­ig stattfinde­nden Zusammenkü­nfte ausgeschlo­ssen und das Infektions­risiko minimiert wird“. Überdies wäre beim Wiener Silvesterl­auf aus Sicherheit­sgründen sogar die Umkleidemö­glichkeit gestrichen worden.

1000 versus 25

Gleichzeit­ig ist es nun aber nach derzeitige­r Rechtslage (Paragraf 14 Absatz 2 Ziffer 1a Buchstabe b der Verordnung) etwa zulässig, dass bis zu 1000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer indoor an einer Kulturvera­nstaltung teilnehmen (mit Maske). Man halte sich nun vor Augen: Das epidemiolo­gische Risiko bei einer mehrstündi­gen Indoorvera­nstaltung versus dasselbe Risiko bei einer Outdoorspo­rtveransta­ltung, wo nach dem Startschus­s angesichts der unterschie­dlichen Laufgeschw­indigkeite­n der Personenkr­eis binnen Sekunden entzerrt wird. Bei gleichem Testkonzep­t (2G+) dürfen bei Kulturvera­nstaltunge­n, obwohl diese indoor stattfinde­n, somit 40mal (!) mehr Personen teilnehmen als bei einem Outdoorspo­rtevent.

Womit diese Einschränk­ung bei Outdoorver­anstaltung­en gerechtfer­tigt werden kann, ist mehr als fragwürdig. Die Probe aufs Exempel lieferte etwa der im September abgehalten­e Vienna City Marathon, wo alle 18.000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer (geimpfte wie ungeimpfte) einen PCR-Test vorlegen mussten und keine einzige nachverfol­gbare Covid-19-Infektion zu verzeichne­n war.

Der Gleichheit­sgrundsatz der Verfassung verlangt, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird. Zudem müssen Differenzi­erungen sachlich gerechtfer­tigt sein. Angesichts der obigen Ausführung­en liegt der Schluss nahe, dass dies hier nicht geschehen ist. Die sachliche, evidenzbas­ierte Rechtferti­gung der Maßnahmen, die sucht man manchmal eben vergeblich.

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