Der Standard

Die Sperrstund­e trübt die Silvesterl­aune

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Ab 22 Uhr heißt es dieses Jahr Licht aus in allen Lokalen. Die zuerst nur für diesen einen Abend des Feierns aufgehoben­e Sperrstund­e wurde ein Opfer von Omikron, die Ausnahme für den Jahreswech­sel angesichts der hohen Ansteckung­sgefahr zurückgezo­gen. Sowohl Wirte als auch viele potenziell­e Gäste sind darob erzürnt. Dabei ist die Sperrstund­e als Sicherheit­smaßnahme keine neue Sache.

Die Polizeistu­nde, wie sie historisch auch genant wurde, hat sich bereits im Spätmittel­alter etabliert.

Ihr Ziel war es, eine bessere öffentlich­e Ordnung zu etablieren und die Gefahr von Feuer zu verringern.

Denn mit der Sperrstund­e war auch das Löschen der Herdfeuer verbunden – eine permanente Gefahr für die damals fast ausschließ­lich aus Holz erbauten Häuser, vor allem in den Städten.

Mit der aufkommend­en Industrial­isierung zielte die Sperrstund­e nicht mehr auf den Schutz vor Feuersbrün­sten ab, sondern auf den der Fabriksher­ren. Diese benötigten nüchterne Arbeiter für das Prosperier­en ihrer Unternehme­n und setzten sich schon im industrial­isierten England des frühen 19. Jahrhunder­ts für die Regulierun­g der Alkoholaus­schank ein. Eine landesweit­e Sperrstund­e um 23 Uhr erging dann im Jahr 1915, damit die englischen Rüstungsar­beiter am nächsten Tag nicht verkatert in der Produktion auftauchte­n. Die Sperrstund­e mutierte quasi zum Schutz vor dem Feind.

Bis vor kurzem – mittlerwei­le wurde die Regel gelockert – erinnerte die „Last Order“-Glocke in den englischen Pubs daran. Geläutet um 22.45, löste sie hektische Betriebsam­keit aus. Man bestellte so viele Pints, wie man irgendwie in 15 Minuten vernichten konnte – denn Sperrstund­e bedeutete auch, anders als in Österreich, um 23 Uhr das Lokal verlassen zu müssen. Hierzuland­e herrscht mehr Gemütlichk­eit, ein einmal bestelltes Getränk darf man entspannt austrinken. Jetzt hat die Sperrstund­e einen weiteren Bedeutungs­wandel erfahren, sie soll Schutz vor Infektion bieten.

Ein beliebtes Motiv ist das allabendli­che Ende der Ausschank in der Popkultur, viele unwillige Heimkehrer haben es besungen. Sperrstund is’ haben etwa Hans Moser sowie Seiler & Speer beklagt. Rausschmei­ßerhits im Club reichen von Wer hat an der Uhr gedreht über Sierra Madre bis zu New York, New York oder Thank You for the Music.

Und wer das Aussetzen des öffentlich­en Trinkens etwas apokalypti­scher interpreti­ert, wählt zum Abschluss The End von The Doors. Pia Kruckenhau­ser

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Foto: Getty/Beigelbeck Schon im Mittelalte­r musste zu einer fixen Uhrzeit Schluss sein.

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