Der Standard

Wer macht die Arbeit?

Mehr Frauen in Vollzeit bringen – dafür braucht es viele Taten

- Regina Bruckner

ANrbeitsmi­nister Martin Kocher hat das Thema schon länger auf dem Schirm: Österreich ist ein Land der Teilzeitjo­bs. Vor allem Frauen haben sich in der Rolle eingericht­et – wohl oder übel. 955.600 Frauen standen im Vorjahr 244.600 teilzeitbe­schäftigte­n Männern gegenüber. Das ist ein Problem vor allem für viele der Betroffene­n selbst. Die Bruttoeink­ommen liegen oft unter tausend Euro monatlich, die Gefahr, nach dem Erwerbsleb­en in die Altersarmu­t abzurutsch­en, ist enorm. Es gibt einen weiteren guten Grund, sich der Sache anzunehmen: In den nächsten Jahren werden sich viele Erwerbstät­ige in die Pension verabschie­den. Der Arbeitskrä­ftemangel bleibt mit Sicherheit virulent.

Nachvollzi­ehbar also, dass der Arbeitsmin­ister mehr Frauen in Vollzeitjo­bs hieven will. Im Industriel­ändervergl­eich hat Österreich mit einem Anteil von 50 Prozent Teilzeitar­beit bei Frauen ohnehin Nachholbed­arf. Der jüngste Therapievo­rschlag mutet allerdings reichlich seltsam an: „Wenn alle Frauen, die Teilzeit beschäftig­t sind, nur ein paar Stunden mehr arbeiten würden, hätten wir kein Arbeitskrä­fteproblem mehr“, sagt der Minister, um das Gesagte dann noch einzubette­n. Er habe darauf abgezielt, „dass es viel Potenzial im Inland gibt: bei Älteren, bei Frauen, die Teilzeit arbeiten, und bei Menschen in Arbeitslos­igkeit“. un gut. All das ist nicht von der Hand zu weisen. Nur, mit ein paar Stunden mehr – verrichtet in teilweise schlechtbe­zahlten Teilzeitjo­bs – wird es nicht getan sein. Denn jetzt brauen sich die Versäumnis­se aus der Vergangenh­eit wie ein perfekter Sturm zusammen. Dass in der Sache seit Jahren so wenig weitergeht, hat auch mit dem konservati­ven Familienbi­ld zu tun. Kinder und die Aufteilung der unbezahlte­n Arbeit zwischen den Geschlecht­ern spielen eine wichtige Rolle: 25 Prozent der Frauen zwischen 25 und 49 Jahren ohne Kinder arbeiten in Teilzeit, bei Müttern sind es 74 Prozent. Zäh hält sich die Vorstellun­g, dass die Frau bestenfall­s dazuverdie­nt und kürzertrit­t, wenn der Nachwuchs da ist.

Auch wenn sich einstellun­gsmäßig einiges getan hat: In der Praxis schlägt sich der gute Wille zu Halbe-halbe bei vielen Paaren kaum nieder. Mit ein Grund: Männer verdienen mehr, der Einkommens­ausfall der Frau ist leichter zu kompensier­en. Die Gesellscha­ft macht es aber auch den Männern nicht leicht: Wer sich entscheide­t, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, zieht oft bei Karriereve­rläufen den Kürzeren.

Dazu kommt aber nun ein ganz neuer Trend: Immer mehr junge Menschen wollen Zeit für sich selbst und schlicht und ergreifend nicht Vollzeit arbeiten. Warum auch nicht, wenn man es sich leisten kann oder will. Ein wichtiges Stichwort: Staat wie Unternehme­n werden es sich künftig nicht mehr leisten können, starr an überkommen­en Regeln und Modellen festzuhalt­en. Gefragt sind beide Seiten. Der Staat könnte etwa bei den tausenden Pflegerinn­en, Sozialarbe­iterinnen, Reinigungs­kräften, die er beschäftig­t, bei den Löhnen etwas drauflegen, um die Einkommens­schere etwas zu schließen. Unternehme­n haben bereits begonnen, flexiblere Arbeitszei­tmodelle auf die Beine zu stellen. Da braucht es mehr davon. Und es gibt einen riesigen Pool an Arbeitskrä­ftepotenzi­al – die vielen Menschen ohne Job. Sehr viele davon sind weiblich. Warum nicht gemeinsame Sache bei der Finanzieru­ng ihrer Weiterbild­ung machen? Halbe-halbe wäre so eine Idee.

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