Teenager und Schnellgneißer
Magnus Carlsen kann seinen WM-Titel im Schnellschach nicht verteidigen und wird nur Dritter. Der 17-jährige Usbeke Nodirbek Abdusattorow liefert in Warschau die Sensation im Tiebreak.
Der neue Schnellschachweltmeister heißt Nodirbek Abdusattorow. Der erst 17-Jährige aus Usbekistan kürte sich nach drei Tagen und 13 Runden in Warschau sensationell zum Champion. In der mit 15 Minuten Bedenkzeit plus zehn Sekunden Zugbonus ausgetragenen Disziplin besiegte Abdusattorow unter anderem die Nummer eins der Welt, Magnus Carlsen, im direkten Duell.
Dabei war das Turnier für den 31jährigen Norweger, der seinen WMTitel im klassischen Schach erst kürzlich in Dubai erfolgreich verteidigt hatte, bis zu diesem Zeitpunkt nach Plan gelaufen. Nach dem zweiten von drei Spieltagen in Warschau lag er allein in Führung und schien beste Chancen zu haben, auch seinen 2019 erspielten SchnellschachTitel zu halten.
Die vermeintlich gefährlichsten Kontrahenten der jüngeren Generation hatte Carlsen zu diesem Zeitpunkt bereits abserviert: Die geliebte Caro-Kann-Verteidigung des Wahlfranzosen Alireza Firouzja, der erst 18-jährigen Nummer zwei der Weltrangliste, war vom Weltmeister in Runde sieben regelrecht zertrümmert worden. In Runde neun nahm Carlsen dem polnischen Lokalmatador Jan-Krzysztof Duda scheinbar mühelos ein zunächst gleich stehendes Endspiel ab.
Dann aber kam Abdusattorow. Mit den weißen Steinen spielend, zeigte der Usbeke, der aktuell erst auf Platz 132 der Weltrangliste notiert, gegen die Nummer eins keinerlei Nervosität. Warum auch? Er hatte bereits den etablierten Großmeistern Caruana, Aronian, Wojtaszek und Gelfand das Nachsehen gegeben. Auch gegen Magnus Carlsen ging der junge Mann aus Taschkent in einem unübersichtlichen Damenendspiel auf den vollen Punkt los und schaffte schließlich, woran alle anderen bei diesem Turnier scheiterten: Abdusattorow trieb den Weltmeister in beiderseits hochgradiger Zeitnot in einen taktischen Fehler und fuhr gegen Carlsen den vollen Punkt ein.
Nun selbst der Gejagte, hatte der Außenseiter allerdings größte Mühe, die Angriffe seiner Kontrahenten abzuwehren. Der noch jüngere Inder Dommaraju Gukesh etwa überspielte den späteren Weltmeister in der Vorschlussrunde völlig, bevor er im Abschluss patzte und Abdusattorow die Möglichkeit gab, sich per Turmopfer in ein studienartiges Dauerschach zu retten. Hätte Gukesh diese Begegnung gewonnen, es hätte diesmal gut und gern auch einen 15-jährigen Weltmeister geben können.
Da die Konkurrenz aufschloss, lagen am Ende vier Spieler mit 9 1/2 Punkten aus 13 Partien auf dem geteilten ersten Platz: Abdusattorow, Jan Nepomnjaschtschi, Carlsen und Fabiano Caruana. Das Reglement sah für diesen Fall ein Blitz-Tiebreak zwischen den beiden nach Zweitwertung führenden Spielern vor. Abdusattorow und der Russe Nepomnjaschtschi durften demnach ins Stechen, Carlsen und der US-Star Caruana waren aus dem Rennen.
Das schmeckte insbesondere dem Weltmeister überhaupt nicht, der die Regel in einem emotionalen Interview als „völlig idiotisch“bezeichnete und durch ein Tiebreak aller punktegleichen Spieler ersetzt sehen wollte. Carlsens Protest blieb allerdings fruchtlos. Nur Nepomnjaschtschi, der gegen Carlsen noch vor wenigen Wochen in der klassischen WM eine krachende Niederlage erlitten hatte, stand nun noch zwischen Abdusattorow und dem Titel. Zwei Blitzpartien später hatte der Teenager auch diese Hürde genommen. Abdusattorow entschied die zweite Partie für sich.
Im Damenbewerb fuhr die 37-jährige Russin Alexandra Kostenjuk einen ungefährdeten Start-Ziel-Sieg ein. Ihre Vize wurde die 17-jährige Kasachin Bibissara Assaubajewa.
Bis Donnerstagabend wird in Warschau nun die Weltmeisterschaft im Blitzschach ausgetragen. Carlsen wird höchst motiviert sein.