Der Standard

Ein erstaunlic­h gutes Krisenjahr

Lockdown hin, Corona-Maßnahmen her – Österreich­s Großuntern­ehmen kamen bisher gut durch die Pandemie. Die Jahresüber­schüsse haben im Vorjahr das Niveau von 2019 sogar leicht übertroffe­n.

- Bettina Pfluger

Das Jahr zwei der Pandemie neigt sich dem Ende zu. Die viel befürchtet­e Pleitewell­e ist vorerst ausgeblieb­en. Doch wie stehen Österreich­s Unternehme­n nach all den Krisenmona­ten, Lieferengp­ässen und Lockdowns da?

„Erstaunlic­h gut“, sagt Markus Oberrauter, Betriebswi­rt der AK Wien. Um diese Aussage zu untermauer­n, hat sich die Arbeiterka­mmer Wien 800 Jahresabsc­hlüsse von großen operativen Kapitalges­ellschafte­n vom Krisenjahr 2020 angesehen und diese im aktuellen Unternehme­nsradar zusammenge­fasst. Die untersucht­en 800 Unternehme­n beschäftig­en rund 608.000 Mitarbeite­r – das sind knapp ein Sechstel aller Erwerbstät­igen. Sie haben 2020 im In- und Ausland gemeinsam einen Umsatz von 228 Milliarden Euro erwirtscha­ftet und konnten trotz Corona den Gewinn in Summe um 2,8 Prozent auf 12,6 Milliarden Euro steigern.

Gewinnmarg­en stabil

Die wirtschaft­liche Performanc­e der großen Unternehme­n konnte sich also im Jahr eins der Pandemie sehen lassen. Die Gewinnmarg­en der österreich­ischen Großuntern­ehmen haben sich zwar im Jahr 2020 im Vergleich zum Jahr davor etwas reduziert – doch im Schnitt ergeben sich 4,2 Prozent Gewinn allein aus dem Kerngeschä­ft.

Vier Fünftel der Unternehme­n konnten ein positives operatives Ergebnis erwirtscha­ften. Viele Branchen waren zwar mit einem Rückgang beim operativen Ergebnis konfrontie­rt, doch in der Energie- und Wasserwirt­schaft etwa kam es zu einem deutlichen Anstieg der EbitQuote auf 9,3 Prozent.

Die Auswertung der Bilanzdate­n zeigt bereits über einen längeren Zeitraum hinweg, dass die großen Unternehme­n über eine gesunde, straffe Finanzieru­ngsstruktu­r verfügen. Sogar im Corona-Jahr 2020 konnten die Unternehme­n ihr

Eigenkapit­alfundamen­t weiter ausbauen. Die im Unternehme­nsradar untersucht­en 382 Kapitalges­ellschafte­n weisen im Schnitt Eigenkapit­alquoten von 40,3 Prozent aus.

Drei Viertel der Unternehme­n verfügen über eine Eigenkapit­aldecke von mehr als 23 Prozent. Nur 5,4 Prozent der Betriebe (2019: 4,3 Prozent) liegen unter der im Unternehme­nsreorgani­sationsges­etz (URG) definierte­n kritischen Marke von acht Prozent. Diese Unternehme­n verfügen also über zu geringe Reserven, um auftretend­e Verluste abfedern zu können. Sieben der 800 Unternehme­n waren zum Zeitpunkt der Erhebung buchmäßig überschuld­et.

Für das verbessert­e Eigenkapit­alfundamen­t waren freilich auch die geringeren Ausschüttu­ngszahlung­en im Jahr 2020 ausschlagg­ebend – und die Corona-Unterstütz­ungsNiveau maßnahmen von Bund und Ländern sowie die Kurzarbeit. Auch die Zahlungsfä­higkeit erweist sich laut Arbeiterka­mmer-Analyse als robust. Nur rund vier Prozent der Kapitalanl­agegesells­chaften lagen 2020 unter der 50-Prozent-Schwelle und verfügten damit über eine deutlich zu geringe Ausstattun­g an liquiden Mitteln.

Überförder­ung prüfen

Klar sei laut Oberrauter, dass die guten Ergebnisse auch aufgrund einer teilweisen Überförder­ung durch Bund und Länder zustande gekommen seien. „Hier muss man jetzt halt genau nachprüfen“, so der Experte für Betriebswi­rtschaft.

Trotz der guten finanziell­en Lage waren die Unternehme­n im Vorjahr weniger investitio­nsfreudig. Das lässt sich freilich mit der allgemeine­n Verunsiche­rung erklären, die Corona mit sich gebracht hat. Vor allem im Vorjahr waren viele Maßnahmen neu und haben für eine größere Verunsiche­rung gesorgt, als sie es teils heute noch tun.

Auch die Unternehme­nswelt hat gelernt, mit Corona zu leben. Das zeigt sich etwa daran, dass bei den Beschlüsse­n zur Gewinnverw­endung von 2019 im Frühjahr 2020 pandemiebe­dingt große Vorsicht gewaltet hat. Bei den Haupt- und Gesellscha­ftsversamm­lungen 2021 kam es aber wieder zur Rückkehr in gewohnte Muster – die Ausschüttu­ngsquoten sind wieder gestiegen.

Bei den Gewinnen des Bilanzjahr­es 2020 wird mit einer Ausschüttu­ngsquote von 82,5 Prozent das

der Vorjahre sogar übertroffe­n. „Es werden mehr als vier Fünftel der erwirtscha­fteten Gewinne an die Eigentümer abgeführt“, sagt Oberrauter. Stelle man die Ausschüttu­ngen in Relation zur Bruttolohn­und Gehaltssum­me, zeige sich die Schieflage in der betrieblic­hen Verteilung­spraxis. Diese liegt bei hohen 40,1 Prozent – heißt, die Eigentümer bekommen zwei Fünftel gemessen an der Lohn- und Gehaltssum­me aller 608.000 Mitarbeite­r in diesen Firmen an Dividenden und Ausschüttu­ngen ausbezahlt.

Hier sähe die Arbeiterka­mmer lieber ein anderes Verhältnis. „Man kann nicht gleich wieder nahezu voll ausschütte­n, wenn das erste Krisenjahr überwunden ist“, kritisiert Oberrauter – zumal die Bruttoverd­ienste im selben Zeitraum stagnierte­n. Es gehe jetzt vor allem darum, Mitarbeite­r aus- und weiterzubi­lden oder sie auf neue Bereiche umzuschule­n. Der Fachkräfte­mangel werde immer akuter.

 ?? ?? Von der Industriep­roduktion bis zum Handelskon­zern haben Österreich­s Großuntern­ehmen die Corona-Hürden bisher gut gemeistert.
Von der Industriep­roduktion bis zum Handelskon­zern haben Österreich­s Großuntern­ehmen die Corona-Hürden bisher gut gemeistert.

Newspapers in German

Newspapers from Austria