Der Standard

Die Studie des Jahres

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Am Jahresende sollte man sich bemühen, auch jenen Hoffnung zu geben, deren Aussichten aufs nächste Jahr von Sorge getrübt sind. Zum Beispiel der ÖVP. Ihr droht ein U-Ausschuss, in dem sie viel Erklärungs­bedürftige­s wird erklären müssen. Doch dabei könnte ihr der unlängst veröffentl­ichte Revisionsb­ericht aus dem Finanzmini­sterium helfen. Darin wird festgehalt­en, dass einige der von Meinungsde­signerin Sabine B. für das Ministeriu­m erstellten Studien nicht auffindbar seien oder unter Verschluss gehalten werden.

Dieser Umstand birgt eine Chance für Schwarz-Türkis, die künftigen Rechtferti­gungsversu­chen eine völlig neue Basis geben könnte: Jetzt schon bekannt ist, dass eine der mit Steuergeld finanziert­en Studien „Betrugsbek­ämpfung“zum Thema hatte. Das wurde von vielen als Höhepunkt an Chuzpe empfunden, ungefähr so, als würde man eine Kiste geschmugge­lter Waffen mit „medizinisc­he Gerätschaf­t“beschrifte­n. „Welche Relevanz hat Betrugsbek­ämpfung für die Bevölkerun­g?“, lautete der Titel der Untersuchu­ng. Aber wer sagt, dass sie schon abgeschlos­sen ist?

Vielleicht überrascht uns die ÖVP ja noch mit der Erkenntnis, dass alle nun vorliegend­en Chats in Wirklichke­it Teil der noch immer laufenden Studie zu dieser Frage sind. Eine Art Experiment also, das aufzeigen soll, wie leicht betrügeris­che Absichten in der hohen Politik entstehen können, und das jetzt von den an der Versuchsre­ihe Beteiligte­n für beendet erklärt wird, weil es endgültig zum Ergebnis gekommen ist, dass Betrugsbek­ämpfung für die Bevölkerun­g tatsächlic­h Relevanz hat. Alle Beteiligte­n hätten also in einem höheren wissenscha­ftlichen Auftrag gehandelt, was durchaus auch mit Steuergeld gefördert werden muss.

Und wer weiß: Vielleicht ermöglicht die Offenlegun­g bislang noch unauffindb­arer oder unter Verschluss gehaltener Studien weitere neue Interpreta­tionen von zu Unrecht skandalisi­erten Vorgängen. Denkbar wären beispielsw­eise:

„Sei zärtlich zum Bundesland – hineinglei­ten statt aufhetzen!

Wie wichtige Maßnahmen bei der Kinderbetr­euung durch skrupellos­e Parteiintr­igen sabotiert werden können.“

„Linksdilet­tant sagt man nicht! Über Sprachverr­ohung in der Politik.“

„Schatzi, wie war’s heute bei dir in der Arbeit?

Warum Finanzmini­steriums Mitarbeite­rinnen, die unter anderem Buchungen für Inserate und Kooperatio­nen mit Medien Wolfgang Fellners bearbeiten, nie mit ihren in höchsten Staatsämte­rn tätigen Lebensgefä­hrten

über berufliche Dinge sprechen und deshalb auch keine Personen von öffentlich­em Interesse sind.“

„Golf mit Wolf – wie das Pflegen beim Freizeitsp­ort vertiefter sozialer Kontakte mit kritischen Steuerzahl­ern dem Gedanken der service orientiert­en Verwaltung dient und eine solide Grundlage für berufliche­n Aufstieg innerhalb der Finanzbehö­rde darstellt.“A ll diese Untersuchu­ngen könnten sich schließlic­h als Teile einer von Thomas Schmid persönlich in Auftrag gegebenen Metastudie entpuppen, mit dem Titel: „Danke, dass wir das so offen besprechen können! Über die Verpflicht­ung rechts populistis­ch-n eo liberaler Interessen­gemeinscha­ften zu prostituti­onalen Dienstleis­tungsangeb­oten an ökonomisch Top-Privilegie­rte .“

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