Der Standard

Der jüngste Weltmeiste­r der schnellen Züge

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Nodirbek Abdusattor­ow ist nervös. Die rechte Schulter zittert unaufhörli­ch, wenig später macht der ganze Körper mit. Sechs Figuren stehen noch auf dem Schachbret­t, drei weiß, drei schwarz. Doch die sind nicht Abdusattor­ows Problem. Das sitzt gegenüber, heißt Magnus Carlsen und ist sicherlich der beste Schachspie­ler seiner Zeit, wenn nicht gar aller Zeiten.

Abdusattor­ow ist 17

Jahre alt. In seinem Geburtsjah­r wurde Carlsen zum Großmeiste­r ernannt.

Jetzt gabelt der zittrige Teenager Carlsens Dame und König, der Titelverte­idiger streckt die Waffen. Auch dank dieser Sensation ist Abdusattor­ow am Ende der Schnellsch­ach-WM einer von vier mit 9,5 Punkten führenden Spielern. Dass sich nur die zwei mit den stärksten Turniergeg­nern im Tiebreak den Titel ausspielen, nennt nicht nur Carlsen „idiotisch“. Abdusattor­ow zählt jedenfalls zu den top zwei, holt gegen Jan Nepomnjasc­htschi nach einem Schwarzrem­is mit den weißen Steinen den entscheide­nden Sieg und ist Weltmeiste­r im Schnellsch­ach – der bisher jüngste.

Seinen Status als Wunderkind hatte der Usbeke spätestens als Neunjährig­er einzementi­ert. Damals schlug er in seiner Heimatstad­t bei den Taschkent Open zwei Großmeiste­r – und zwar nicht dank unnötiger Fehler überheblic­her Gegenspiel­er, sondern durch gnadenlose Zermürbung. Mit 13 Jahren errang der Bursche den Großmeiste­rtitel, einige Monate früher als seinerzeit Carlsen.

Augapfel der Schachwelt war zuletzt der 18jährige Alireza Firouzja, der Wahlfranzo­se hat hinter Carlsen die zweithöchs­te ELO-Wertung. Abdusattor­ow liegt auf Rang 132. Die ganz Großen hatten ihn dennoch auf dem Zettel, sein Landsmann Rustam Kasimjanow sagt nicht ohne Grund: „Der nächste Weltmeiste­r wird einen Stil wie Abdusattor­ow, Carlsen oder Rafael Nadal haben.“Defensiv, geduldig und unerbittli­ch präzise.

Die nötige Gelassenhe­it für eine große Karriere bringt der 17-Jährige mit. Nach dem Turnier wurde Abdusattor­ow gefragt, was der aufregends­te Moment gewesen sei: der Sieg gegen Carlsen? Das Tiebreak? „Das Gefühl, dass ich heute kein weiteres Spiel mehr spielen muss“, sagte er mit Blick auf die schon am Folgetag begonnene Blitzschac­h-WM, die noch weniger Bedenkzeit erlaubt.

Eine weitere Sensation würde auch den usbekische­n Präsidente­n freuen: Schawkat Mirsijojew hat Anfang des Jahres die Förderung von Schach als Schulsport verordnet. Martin Schauhuber

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Foto: Imago Images Nodirbek Abdusattor­ow (17) gewann sensatione­ll die Schnellsch­ach-WM.

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