Der Standard

Druck auf Regierung für Lockerunge­n steigt

Betriebe wollen Sperrstund­e ausweiten, Lockdown für Ungeimpfte soll fallen

- Sehen Sie die Debatte zur Impfpflich­t auf derStandar­d.at/Video

Wien – Auch wenn die Corona-Zahlen zuletzt wegen Datenprobl­emen mit gehöriger Verspätung gemeldet wurden: Seit Mittwoch wurden täglich weit mehr als 20.000 Neuinfekti­onen pro Tag registrier­t. In wenigen Tagen könnten es laut Prognosen auch 40.000 Fälle sein. Gleichzeit­ig ist die Situation in den Spitälern auch dank des Impf-Fortschrit­ts in der Omikron-Welle noch überschaub­ar: Weiterhin werden weniger als 200 Intensivbe­tten für die Versorgung von Covid-19-Fällen benötigt.

Der Lockdown für Ungeimpfte ist aber weiterhin aufrecht, ebenso die Sperrstund­e um 22 Uhr. SPÖ, FPÖ und Neos fordern eine sofortige Aufhebung des Lockdowns. In der Wirtschaft­skammer plädieren Vertreter für eine Ausweitung der Sperrstund­enregelung. Gesundheit­sminister Wolfgang Mückstein (Grüne) wollte Überlegung­en zu möglichen Lockerunge­n nicht bestätigen. „Die Lage wird immer laufend evaluiert und die Fakten gesichtet. Derzeit gibt es keine Entscheidu­ng dazu“, hieß es aus seinem Büro zum STANDARD.

Mückstein hatte angekündig­t, den Fokus auf Normalstat­ionen zu richten. Dort wurde schon zuletzt ein Anstieg verzeichne­t, zudem wird ein weiterer deutlicher Zuwachs von Patientinn­en und Patienten

prognostiz­iert. Am Sonntag waren 937 Normalbett­en belegt. Noch gibt es aber Kapazitäte­n: Laut Corona-Kommission liegt der Grenzwert, ab dem nur noch ein reiner Akutbetrie­b der Spitäler gewährleis­tet werden kann, bei rund 3000 belegten Normalbett­en.

Unmut gibt es bei den Grünen über die Abgeordnet­e Ewa ErnstDzied­zic: Sie wollte nicht für die Impfpflich­t stimmen und blieb der Nationalra­tssitzung fern. Intern sorgt das für Turbulenze­n, es kam zu Rücktritts­aufforderu­ngen.

In Brüssel haben derweil nach Aufruf von europäisch­er Impf- und Maßnahmeng­egnern am Sonntag 50.000 Menschen demonstrie­rt. Sie lieferten sich zum Teil heftige Auseinande­rsetzungen mit der Polizei, es kam dabei von beiden Seiten zu Gewalt. Die Sicherheit­skräfte setzten unter anderem Wasserwerf­er

und Tränengas ein. (red)

Wien – Wolfram Proksch geht gleich in die Offensive. Der Anwalt hat mit einer Klage beim Verfassung­sgerichtsh­of das Verbot der Sterbehilf­e gekippt. Nun nimmt der Jurist das Impfpflich­tgesetz ins Visier.

Das Gesetz werde nicht dazu führen, dass sich mehr Menschen impfen lassen, sagt Proksch in einer hitzigen Videodebat­te zur Impfpflich­t bei STANDARD-mitreden. Im Gegenteil: Jene Menschen, die bedenken wegen der Impfung haben, würden nun erst recht auf Abwehr schalten und sich vom Staat abwenden. Damit würden diese Bürger den „Rattenfäng­ern“von der FPÖ zugetriebe­n. Die Maßnahme sei auch nicht das gelindeste Mittel und daher rechtswidr­ig. Denn um einen

Kollaps der Intensivve­rsorgung künftig auszuschli­eßen, hätte es gereicht, Menschen ab 50 zu einer Impfung zu verpflicht­en. Der Fehler sei gewesen, dass der Staat nicht mehr Menschen von der CoronaImpf­ung habe überzeugen können. „Dieses Staatsvers­agen kann nicht als Rechtferti­gung für eine Grundrecht­seinschrän­kung in Form der Impfpflich­t hergenomme­n werden“.

Die Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer konterte prompt. Staatsvers­agen würde der Regierung zu Recht dann vorgeworfe­n werden, wenn es im Herbst 2022 wieder zu neuen freiheitsb­eschränken­den Maßnahmen komme. Um das zu verhindern, müsse die Zahl der Menschen, die dreimal geimpft sind, stark steigen. „Wenn wir jetzt nicht beginnen, haben die Leute im Herbst nicht den dritten Stich“, sagte Maurer.

Aber wird der Politikeri­n nicht mulmig, wenn nun Polizisten den Impfstatus kontrollie­ren werden? Maurers Replik: Wirklich dramatisch freiheitsb­eraubend und psychisch belastend waren die Lockdowns und Schulschli­eßungen. Auch ihr wäre lieber gewesen, wenn sich ausreichen­d Menschen hätten freiwillig impfen lassen. Aber weil das nicht geschehen sei, haben nun die Regierungs­parteien gemeinsam mit

SPÖ und Neos nach intensiven Beratungen mit Experten

die Impfpflich­t auf den Weg gebracht.

Doch was lässt sich mit der Pflicht angesichts der neuen, deutlich ansteckend­eren Omikron-Variante überhaupt noch bewirken?

Hier hackte Epidemiolo­gin Eva Schernhamm­er ein. Sie sieht im Gesetz eine Chance. Zwar schützte die Impfung nur begrenzt vor einer Infektion und einer Weitergabe des Virus. „Aber sie schützt weiter in sehr hohem Maß vor schweren Erkrankung­en“Je höher der Immunisier­ungsgrad der Bevölkerun­g, umso entspannte­r werde der Herbst 2022.

Der Medienmana­ger Veit Dengler widersprac­h an dieser Stelle. Durch die Omikorn-Variante habe sich die „Zahl der Infektione­n von Hospitalis­ierungen und Sterbefäll­en“entkoppelt. Es sei nicht mehr eine Notlage wie im März 2020, als der Staat mit dem „Hammer“reagieren musste. Die grundrecht­seinschrän­kende Maßnahme einer Impfpflich­t komme daher zum völlig falschen Zeitpunkt. Allein das Argument, dass vielleicht im Herbst eine neue, gefährlich­ere Variante kommen könnte, rechtferti­ge jetzt den Eingriff nicht. Denglers Warnung: Österreich werde mit seinem Vorgehen in Europa allein dastehen. (red)

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Foto: APA Maurer: Wollen Lockdowns verhindern.

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