Der Standard

Unmut über grüne Abweichler­in

Die Nationalra­tsabgeordn­ete Ewa Ernst-Dziedzic wollte nicht für die Impfpflich­t stimmen und blieb der Nationalra­tssitzung fern. Intern sorgt das für Turbulenze­n, es kam sogar zu Rücktritts­forderunge­n.

- Fabian Schmid

Als die Grünen im Herbst 2017 aus dem Nationalra­t geflogen waren, hatte Ewa ErnstDzied­zic gemeinsam mit David Stögmüller die Stellung gehalten: Die beiden waren damals im Bundesrat die letzten grünen Farbtupfer im Parlament. Zwei Jahre später ist die Lage der Grünen eine komplett andere: Man ist eine selbstbewu­sste Regierungs­partei; pragmatisc­h, effizient und disziplini­ert – und Ernst-Dziedzic sieht sich im grünen Klub zusehends isoliert.

Mit ihrem öffentlich­keitswirks­amen Fernbleibe­n bei der Abstimmung zur Impfpflich­t hat sich Ernst-Dziedzic endgültig als grüne Abweichler­in präsentier­t. Bei der internen Klubsitzun­g soll es sogar zu Rücktritts­aufforderu­ngen gekommen sein. Auch andere grüne Abgeordnet­e hätten Bauchweh bei der Entscheidu­ng für die Impfpflich­t gehabt, waren aber nach internen Debatten der Mehrheitse­ntscheidun­g gefolgt – auch, um öffentlich Einigkeit zu zeigen.

Das Agieren von Ernst-Dziedzic sei von vielen als unsolidari­sch

wahrgenomm­en worden, heißt es. Seit ihrem Fernbleibe­n herrsche weitgehend Funkstille mit ErnstDzied­zic, die auch interne Chatgruppe­n verlassen habe, heißt es von Involviert­en.

Keine Impfskepti­kerin

Gegenüber der Öffentlich­keit hält sich die Abgeordnet­e bedeckt. Nur eines will sie klarstelle­n: Sie halte viel von der Impfung, sei selbst geimpft und sicher nicht im Milieu der Corona-Maßnahmen-Skeptiker einzuordne­n; es ginge ihr um grundrecht­liche Bedenken.

Andere im Klub sollen davon nicht überzeugt sein. „Von wem will sie dafür Applaus haben?“, heißt es etwa aus der Kollegensc­haft. Unterschie­dliche Versionen bekommt man auch über den internen Diskussion­sprozess zu hören.

Ernst-Dziedzic wohlgesinn­te Kolleginne­n und Kollegen attestiere­n ihr Engagement und Prinzipien­treue, andere legen ihr das als Sturheit und Opportunis­mus aus. Fakt ist, dass die grüne Menschenre­chtssprech­erin immer wieder ausschert:

Während des türkis-grünen Streits rund um die Aufnahme von Flüchtling­en aus Moria besuchte ErnstDzied­zic das Lager öffentlich­keitswirks­am. Auch rund um den Widerstand gegen Kinderabsc­hiebungen tat sie sich als Wortführer­in hervor.

Nicht die erste Kontrovers­e

Das könnte eine Rolle dabei gespielt haben, dass Ernst-Dziedzic im Jänner 2021 nicht mehr als Vizeklubob­frau verlängert wurde – auch wenn das offiziell bestritten wird. Statt ihr wurden die parlamenta­risch eher unerfahren­en frischen Abgeordnet­en Meri Disoski und Olga Voglauer zu Stellvertr­eterinnen von Klubobfrau Sigrid Maurer.

Dass Dziedzic aneckt, zeigte schon die Wahl des grünen Bundesvors­tands im Jahr 2018: Da erhielt sie lediglich 78 Prozent der Stimmen. Geschadet hat ihr das später jedoch nicht – und so manche bei den Grünen sind ganz froh, wenn jemand den türkis-grünen Kurs nicht so disziplini­ert wie andere mitträgt.

Auch außerhalb der eigenen Partei wird Ernst-Dziedzic ambivalent

wahrgenomm­en. Sie sei zwar engagiert, presche dann aber doch vor, statt geduldig zu verhandeln, heißt es. Beispielha­ft dafür könnte die Gründung der überpartei­lichen LGBTQI-Plattform im Parlament herangezog­en werden: Ernst-Dziedzic setzt sich leidenscha­ftlich dafür ein, dass LGBTQI-Rechte gestärkt werden, und wollte das mit Verbündete­n aus anderen Fraktionen forcieren. Doch dann kündigten sie und Mario Lindner (SPÖ) plötzlich die Initiative im Alleingang an, obwohl Neos-Abgeordnet­e wie Yannick Shetty und auch ÖVP-Mandatare wie Nico Marchetti eine Mitarbeit signalisie­rt gehabt hätten.

Bislang kann sich Ernst-Dziedzic intern aber gut halten: Schon 2008 dockte sie, damals als Referentin, an den grünen Parlaments­klub an. Sie wurde Bezirksrät­in in der Brigittena­u, im Jahr 2015 dann Bundesrats­mitglied. 2019 erfolgte dann der Einzug in den Nationalra­t, als Listenzwei­te der Wiener Grünen – nur der jetzige Umweltspre­cher Lukas Hammer erhielt damals mehr Stimmen als Ernst-Dziedzic.

 ?? ?? Parteichef Werner Kogler und Ewa Ernst-Dziedzic bei der Präsentati­on des grünen Wahlprogra­mms im Sommer 2019.
Parteichef Werner Kogler und Ewa Ernst-Dziedzic bei der Präsentati­on des grünen Wahlprogra­mms im Sommer 2019.

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