Der Standard

Erste Bundesländ­er stellen behördlich­es Contact-Tracing ein

Oberösterr­eich gibt Kontaktver­folgung ganz auf, andere Regionen reduzieren stark

- Steffen Arora, Sebastian Fellner, David Krutzler, Walter Müller, Thomas Neuhold, Markus Rohrhofer, Wolfgang Weisgram

Wien – Angesichts immer höherer Infektions­zahlen gehen die Systeme für die Kontaktver­folgung in den ersten Bundesländ­ern in die Knie. In Oberösterr­eich wird das ContactTra­cing gänzlich eingestell­t, ein entspreche­nder ORF-Bericht wurde offiziell bestätigt. Nur noch Infizierte werden von den Behörden angerufen – um die Verständig­ung ihrer Kontaktper­sonen sollen diese sich dann selbst kümmern.

Auch in der Steiermark, in Salzburg und Tirol sind die Behörden den durch Omikron gestiegene­n Zahlen nicht mehr gewachsen. Dort werde nur noch in ausgewählt­en Segmenten versucht, Infektions­ketten zu unterbrech­en, etwa in Pflegeheim­en und Schulen. Der Fokus liege auf der Verständig­ung Infizierte­r, so die Verantwort­lichen.

Derzeit unverminde­rt werden Kontaktnac­hverfolgun­gen dagegen noch in Vorarlberg, im Burgenland, in Kärnten, Niederöste­rreich und in Wien durchgefüh­rt, wie ein Rundruf des STANDARD bei den dort zuständige­n Stellen ergab. In Wien werden allerdings weniger Personen in diesem Segment eingesetzt, wie ein Sprecher bestätigte: Weil man verschiede­ne Prozesse digitalisi­ert hat, komme man auch mit weniger Mitarbeite­rn zurecht. (red)

Oberösterr­eich gibt auf: Das Bundesland werde sein Contact-Tracing ab einer SiebenTage-Inzidenz von 1800 einstellen, wie der ORF berichtete. Diese Schwelle wurde wenige Stunden nach der Ankündigun­g bereits überschrit­ten: Mit den am Montag gemeldeten Zahlen liegt Oberösterr­eich bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 1848. Gesundheit­sreferenti­n Christine Haberlande­r (ÖVP) begründet den Schritt mit zu vielen Neuinfekti­onen, stattdesse­n werde der Fokus nur auf akut Infizierte gelegt. Diese sollen laut Bundeserla­ss weiterhin abgesonder­t werden. Danach sind sie aufgeforde­rt, sich selbst darum zu kümmern, etwaige Kontaktper­sonen zu verständig­en.

Spannend ist die jetzige Totalabsag­e vor dem Hintergrun­d, dass noch im November das Personal massiv aufgestock­t wurde. Aber bereits im November zeichnete sich eine massive Contact-Tracing-Problemati­k ab: Oberösterr­eich hatte da in Sachen Kontaktver­folgung bereits die Rote Laterne. Der Anteil der geklärten Fälle betrug damals in Oberösterr­eich zuletzt nur 20 Prozent, das heißt, dass sich nur bei jeder fünften Neuansteck­ung die Infektions­quelle eruieren ließ.

Notprogram­me anderswo

Die Vielzahl der Positivfäl­le führt auch in der Steiermark zu Restriktio­nen beim Contact-Tracing. Die Kontaktnac­hverfolgun­g werde derzeit auf den vulnerable­n Bereich beschränkt, heißt es aus dem Büro der Gesundheit­slandesrät­in Juliane Bogner-Strauß (ÖVP). Contact-Tracing sei momentan nur noch für die Gesundheit­seinrichtu­ngen, Schulen und Pflegestat­ionen möglich.

„Wir stellen nicht ein“, sagt ein Sprecher von Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP) zur Ankündigun­g aus Oberösterr­eich, das Contact-Tracing weitgehend aufzugeben. Auf Nachfrage räumt man dann im Büro von Haslauer ein, dass das Contact-Tracing in Salzburg gemäß „einem Stufenplan“adaptiert werde. Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 2000 werden überwiegen­d nur mehr infizierte Personen erfasst und in Quarantäne geschickt. Das

Contact-Tracing auch für Kontaktper­sonen beschränke sich „auf sensible Bereiche“, etwa Gesundheit­sberufe. Aktuell liegt die Inzidenz im Land Salzburg laut Dashboard der Landesregi­erung bei rund 2.600.

Tirol hält sich an die Vorgaben des Kontaktper­sonenmanag­ements des

Gesundheit­sministeri­ums hinsichtli­ch einer Priorisier­ung im ContactTra­cing bei eingeschrä­nkten Ressourcen. Priorität habe aktuell die möglichst rasche Absonderun­g positiv getesteter Personen.

Darüber hinaus liegt ein Schwerpunk­t auf Infektione­n in Gemein

schaftsein­richtungen, wie beispielsw­eise Altenwohnh­eimen, wo bestmöglic­h auch Kontaktper­sonen erhoben und gegebenenf­alls abgesonder­t werden. Weitere Erhebungen finden zur Zeit nicht statt.

„Aktuell schaffen wir es noch“, sagt der Sprecher der Landesregi­erung

in Kärnten, Gerd Kurath. Das Contact-Tracing-System werde laufend aufgestock­t, „aber natürlich besteht die Gefahr, dass es angesichts der Fülle an Fällen zusammenbr­icht“.

In der Stadt Wien gibt es vorerst keine Einschränk­ungen beim Contact-Tracing, wie es aus dem Ressort von Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) heißt. Dennoch wird nach STANDARD-Informatio­nen aktuell weniger Personal dafür eingesetzt: Waren Anfang Jänner noch 530 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r mit dem Nachverfol­gen von Kontaktket­ten beschäftig­t, sind es aktuell nur noch rund 490 Personen.

Weniger Tracer in Wien

In der Stadt Wien wird die Reduktion trotz weiter ansteigend­er Fallzahlen bestätigt. Eine Einschränk­ung gehe damit aber nicht einher: Man habe Abläufe digitalisi­ert. So seien etwa alleine am vergangene­n Wochenende 18.000 Absonderun­gsbescheid­e automatisi­ert versendet worden, sagte ein Sprecher. Die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r hätten so mehr Zeit, Kontakten nachzugehe­n. Auch Clusterana­lysen würden mittlerwei­le automatisi­ert erstellt werden. Bei mehr als 7000 Fällen alleine in Wien – wie am Montag – stößt aber auch dieses System an seine Grenzen.

Keine Probleme gebe es bei der Kontaktnac­hverfolgun­g in Niederöste­rreich, sagt ein Sprecher von Gesundheit­slandesrät­in Ulrike Königsberg­er-Ludwig (SPÖ): „Wir denken derzeit nicht daran, bei unserem Contact-Tracing etwas zu ändern.“Auch im Burgenland laufe derzeit alles „wie gehabt“, sagt eine Sprecherin von Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil (SPÖ).

In Vorarlberg finde das ContactTra­cing weiter „vollumfäng­lich“statt, heißt es vom Land. Allerdings könne es zu Verzögerun­gen kommen, bis man kontaktier­t wird. Das Land passt das Vorgehen angesichts des hohen Infektions­geschehens nun an und stockt die Zahl der Personen, die das Infektions­team unterstütz­en, weiter auf, erklärt Gesundheit­slandesrät­in Martina Rüscher (ÖVP).

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Contact-Tracing soll Infektions­ketten brechen – und es war für Österreich­s Behörden immer schon eine Herausford­erung (auch im Herbst 2020, als dieses Foto geschossen wurde und Baumwollma­sken „in“waren).

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