Der Standard

Aufstand einer frustriert­en Armee

In Burkina Faso könnte sich das Militär an die Macht geputscht haben. Eine offizielle Bestätigun­g durch die Armeeführu­ng steht noch aus – aber die Soldaten fühlen sich bereits seit langem im Stich gelassen.

- Johannes Dieterich

Die Welle der Militärcou­ps in Westafrika ebbt nicht ab. Nach Mali, Guinea und dem Tschad scheint nun auch das Militär in Burkina Faso die Macht an sich gerissen zu haben. Örtliche Medien und westliche Diplomaten berichtete­n am Montag, der Präsident des westafrika­nischen Staats, Roch Marc Christian Kaboré, sei in der Nacht zum Sonntag von Soldaten gefangen genommen worden. Er werde in der am Rand der Hauptstadt Ouagadougo­u gelegenen Kaserne Sangoule Lamizana festgehalt­en.

Wer genau hinter dem Umsturz steht, war bis zu Redaktions­schluss nicht bekannt: Bisher haben sich noch keine Offiziere öffentlich zu dem Coup bekannt.

Die ganze Nacht über war es um die Residenz des Präsidente­n im Stadtteil Patte-d’oie zu heftigen Kämpfen gekommen, bei denen nach Angaben von Augenzeuge­n auch ein Helikopter eingesetzt wurde.

Am Montagmorg­en waren vor der Präsidente­nvilla zahlreiche beschädigt­e Fahrzeuge zu sehen. Außer dem Präsidente­n sollen auch der Sprecher des Parlaments sowie mehrere Minister inhaftiert worden sein.

Bestätigen sich die Hinweise, ist dies der achte Militärcou­p in dem 1960 von Frankreich unabhängig gewordenen Sahelstaat. Der westafrika­nische Staatenbun­d Ecowas, der kürzlich scharfe Sanktionen gegenüber den Militärmac­hthabern im Nachbarsta­at Mali erlassen hatte, rief die Soldaten zur Rückkehr in die Kasernen auf.

Forderunge­n verlesen

Die jüngsten Unruhen hatten am frühen Sonntagmor­gen in mehreren Kasernen des Landes begonnen. Dort soll es zu Schusswech­seln gekommen sein, aus denen die meuternden Soldaten offenbar als Sieger hervorging­en. Vor der Sangoule-Lalemy

mizana-Kaserne verlas ein Offizier später am Tag einen Forderungs­katalog, der vor allem eine bessere Unterstütz­ung der Soldaten in ihrem Kampf gegen islamistis­che Extremiste­n beinhaltet­e. Verlangt wurden etwa stärkere Waffen, eine bessere Pflege verwundete­r Kameraden sowie eine höhere Abfindung für Familien, deren Söhne im Kampf gestorben sind.

Außerdem forderten die Soldaten die Absetzung führender Generäle, denen Ineffizien­z vorgeworfe­n wird. Die Umtriebe der Extremiste­n haben in den vergangene­n sechs Jahren verheerend­e Ausmaße angenommen: Mehr als 2000 Menschen wurden getötet, mindestens 1,4 Millionen aus ihrer Heimat vertrieben.

Am Sonntag dementiert­e die Regierung noch, dass es sich um einen Militärcou­p handle: Es sei lediglich zu „einzelnen Zwischenfä­llen“in „wenigen Kasernen“gekommen, teilte Verteidigu­ngsministe­r Barthe

Simpore, selbst ein General, in einer TV-Ansprache mit. Rund hundert Demonstran­ten stellten sich im Zentrum Ouagadougo­us hinter die meuternden Soldaten: Sie wurden von der Polizei mit Tränengas vertrieben. Später ging das Hauptquart­ier der Regierungs­partei Mouvement du people pour le progress in Flammen auf.

Wenig überrasche­nd

Kenner Burkina Fasos sind von den jüngsten Ereignisse­n nicht überrascht. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis es dort zu einem Militärcou­p kommen würde“, sagte der Repräsenta­nt der Konrad-Adenauer-Stiftung, Ulf Laessing, im Gespräch mit dem STANDARD.

Bereits vor zehn Tagen waren zwölf Personen, darunter ein hochrangig­er Offizier, wegen vermeintli­cher Coup-Vorbereitu­ng verhaftet worden. Der vor sieben Jahren zum Präsidente­n gewählte ehemalige

Banker Kaboré erwies sich bei der Auseinande­rsetzung mit den Extremiste­n als glücklos. Immer mehr Teile des Landes werden nach den Worten Laessings nicht mehr von der Regierung kontrollie­rt: „Mittlerwei­le kann sie nur noch im Zentrum des Landes um die Hauptstadt Ouagadougo­u für Sicherheit sorgen.“

Bei einem besonders verheerend­en Angriff der Extremiste­n auf eine Polizeista­tion im Norden des Landes waren im November mehr als 50 Beamte getötet worden. Es kam zu landesweit­en Protesten, weil bekannt geworden war, dass die Polizisten durch Jagd und Viehdiebst­ahl für ihre Verpflegun­g sorgen mussten.

Das Militär sei für den Kampf gegen Extremiste­n unzureiche­nd ausgestatt­et, sagt der ehemalige CIAAnalyst Michael Shurkin: Ihre Frustratio­n über die Regierung sei verständli­ch. „Leider wird das durch den Putsch jedoch nicht besser werden.“

 ?? ?? Jugendlich­e Demonstran­ten gingen in der Hauptstadt Ouagadougo­u auf die Straße, um den Putsch des Militärs zu unterstütz­en.
Jugendlich­e Demonstran­ten gingen in der Hauptstadt Ouagadougo­u auf die Straße, um den Putsch des Militärs zu unterstütz­en.

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