Der Standard

Jeder tut’s, niemand spricht darüber

- Stefan Mey

Gamen ist wie Masturbier­en. Jeder tut es, aber niemand möchte darüber sprechen“, sagte Seamus Blackley, der als Vater der ersten Xbox gilt, im Jahr 2001. Am Wochenende ließ die Aussage in sozialen Medien erneut die Wellen hochgehen, als er betonte, dass Microsoft ihn deshalb fast gefeuert hätte. Allerdings ist der Vergleich heute aktueller denn je.

Denn es stimmt, dass Gaming in der Gesellscha­ft angekommen ist. So spielen in Österreich 5,3 Millionen Menschen digital, die meisten davon auf dem Handy, wo Spiele in puncto Aufmerksam­keit in Konkurrenz zu Videoporta­len stehen. Auch die Umsätze der Branchen sind vergleichb­ar: Mit Games werden jährlich 180 Milliarden Dollar Umsatz gemacht – zur Pornobranc­he gibt es kaum Zahlen, in einzelnen Quellen war vor der Pandemie von rund 100 Milliarden Dollar globalen Umsatzes die Rede. Was zudem beide Branchen gemein haben: Sie sind Treiber und Entscheide­r der Innovation. So galten Schmuddelf­ilme als Wegbereite­r der Videokasse­tten für den schamlosen Konsum in den eigenen vier Wänden. Anfang des Jahrhunder­ts soll die Schlacht zwischen HD-DVD und Blu-Ray entschiede­n worden sein, als sich die Industrie für Letzteres entschied – was nun egal ist, weil ohnehin der Großteil online konsumiert wird. Ähnlich ist es in der Games-Branche: Geboren in den Spielhalle­n des vergangene­n Jahrhunder­ts, wurden die Spiele in den 80er- und 90er-Jahren auf Datenträge­rn verkauft, mit dem Siegeszug des WWW begann der Verkauf auf Portalen wie Steam – und die Zukunft wird, so wie bei Videos, im Streaming gesehen: Spiele müssen nicht mehr gekauft und geladen werden, sondern werden von Servern auf das Endgerät übertragen.

Doch wo gehobelt wird, da fallen auch Späne. So beklagte man in Zeiten langsamer Internetve­rbindung ein „suffering from buffering“, wenn das Video lange zum Laden brauchte, und auch GamingAbos sind technisch noch nicht makellos. So geschehen letztens bei einem Versuch, mit den Kumpels einen entspannte­n Abend mit dem Xbox Game Pass zu verbringen: Da war das eine Spiel beschädigt und ließ sich nicht starten, ein anderes erforderte ein Update mit absurd langer Downloadze­it. Ähnliches hört man von Amazons Onlinespie­l New World, bei dem Spielerinn­en und Spieler zum Launch in der Warteschle­ife hingen. Vielleicht ist das etwas, das die Branchen bei allen Gemeinsamk­eiten unterschei­det: Das eine ist eine einsame Tätigkeit, das andere macht man gern mit Freunden – sofern die Technik mitspielt.

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