Der Standard

Rufe nach Öffnung werden lauter

Aufgrund der beschlosse­nen Impfpflich­t und weil Omikron die Intensivst­ationen aktuell noch schont, mehren sich die Forderunge­n nach einer Lockerung der Corona-Maßnahmen. Für Entwarnung sei es aber noch zu früh, sagen Experten.

- Johannes Pucher

Ganz schlau ist man aus Omikron immer noch nicht geworden. Die Infektions­zahlen sind weiter hoch, die Situation auf den Intensivst­ationen aber überschaub­ar. Vor diesem Hintergrun­d, aber auch wegen der ab Februar geltenden Impfpflich­t wurden nun Rufe nach Lockerunge­n der Corona-Maßnahmen laut. „Für Entwarnung ist es allerdings noch etwas zu früh“, sagt Simulation­sforscher Peter Klimek von der Med-Uni Wien zum STANDARD. So sieht es auch Gesundheit­sminister Wolfgang Mückstein (Grüne). Er versichert­e am Dienstag, dass laufend evaluiert werde, ob die Maßnahmen epidemiolo­gisch noch notwendig seien.

„Gott sei Dank geht das, was wir aktuell wissen, eher in die positive Richtung“, sagt Klimek, der auch Teil des Prognoseko­nsortiums der Bundesregi­erung ist. Weil die Daten des Epidemiolo­gischen Meldesyste­ms (EMS) in Österreich nicht mit jenen der Spitäler abgegliche­n werden, muss man sich bei der Einschätzu­ng von Omikron auf Erfahrunge­n aus dem Ausland verlassen. Daten aus England zeigen, dass die Spitalsauf­nahmen im Vergleich zu Delta um zwei Drittel bis drei Viertel reduziert sind. „Wenn wir dafür viermal so hohe Inzidenzen haben, hebt sich das auf“, sagt Klimek. Mit dem Höhepunkt der Welle rechnet er Ende Jänner oder Anfang Februar.

Die Verzögerun­gen bei der Verarbeitu­ng der Neuinfekti­onszahlen über das EMS haben Klimeks Arbeit in den vergangene­n Tagen nicht gerade erleichter­t. Diese Situation hat auch für Unstimmigk­eiten zwischen der Stadt Wien und dem Gesundheit­sministeri­um gesorgt. Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) beschwerte sich in einem Brief bei Mückstein über „den mit Abstand schlechtes­ten aktuellen Überblick über die Situation in der Bundeshaup­tstadt seit Beginn der Pandemie“. Am Dienstag antwortete Mückstein ebenfalls per Brief: „Leider stehen wir seit dem Beginn der Omikron-Welle vor einer völlig neuen Dimension der täglichen Fallmeldun­gen.“Insbesonde­re die Bereinigun­g von Doppelmeld­ungen sei der Grund für die Verzögerun­gen. Es werde „mit Hochdruck“daran gearbeitet, „auch diese akut auftretend­e Herausford­erung so schnell es geht zu bewerkstel­ligen“.

Öffnungsfo­rderungen

Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) hat hingegen am Dienstag bereits erste Lockerunge­n von Corona-Maßnahmen gefordert, speziell ein Ende der Sperrstund­e um 22 Uhr. Und er ist nicht allein. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger wurde in der Wortwahl sogar noch etwas deutlicher. Der Lockdown für Ungeimpfte sei „unverhältn­ismäßig und verfassung­swidrig“und in Kombinatio­n mit 2G „eine reine Schikane“. Die Sperrstund­e koste außerdem nur viel Geld und bringe die Betriebe unter Druck.

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl bekräftigt­e am Dienstag ebenfalls seine Position zu der Maßnahme: „Mit jedem Tag, an dem der Lockdown für Ungeimpfte weiter aufrecht ist, wird der Irrsinn dieser Maßnahme deutlicher.“Die Regierung müsse sofort handeln und „diese Schikane“umgehend aufheben. Auch der burgenländ­ische Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) zeigte sich bereits offen für ein Ende des Lockdowns für Ungeimpfte, nachdem sein Parteikoll­ege Jörg Leichtfrie­d zuletzt den Verdacht geäußert hatte, dass dieser ohnehin wirkungslo­s sei.

Handel macht Druck

Den Lockdown hält im Übrigen auch Klimek für fraglich. Sinnvoll sei jedoch die Sperrstund­e. Man wisse, dass nach wie vor zehn bis 15 Prozent der Neuinfekti­onen in der Gastronomi­e stattfände­n. Der Nutzen, hier zu reduzieren, überwiege gegenüber dem Risiko, dass sich Menschen im Privaten treffen und dort anstecken, so Klimek. „Das ist zumindest, was wir in anderen Ländern beobachten“, sagt er.

Druck machte zu Wochenbegi­nn auch der Handel, der ja von den Kontrollen des G-Status von Beginn an mäßig begeistert war. Handelsobm­ann Rainer Trefelik sagte, da die Impfpflich­t überall gelte, sei es ein rechtliche­r Widerspruc­h, sie punktuell im Handel zu überprüfen. Auch epidemiolo­gisch spreche alles für die Abschaffun­g der 2G-Pflicht im Handel, weil dort ohnehin die Maskenpfli­cht für Kunden das Infektions­risiko minimiere.

Schärfer wollen es hingegen die Unis: Die Senatsvors­itzenden fordern eine bundesweit­e 2G-Regel für alle Uni-Angehörige­n – mit Berücksich­tigung der internatio­nalen Studierend­en, die mit einem nicht in der EU zugelassen­en Impfstoff geimpft wurden. Unterstütz­t werden sie von der Studierend­envertretu­ng.

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Vertreter der Handelsbra­nche würden gerne die 2G-Kontrollen bei ihren Kundinnen und Kunden abgeschaff­t sehen.

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