Der Standard

Brisante Anrufe in Causa FFP2-Masken

Gegen die Südtiroler Firma Oberalp wird in Österreich und Italien ermittelt. Im Zuge einer Telefonübe­rwachung wurden auch Rotkreuz-Mitarbeite­r und hohe Ministeriu­msbeamte aus Wien abgehört. Die Gesprächsi­nhalte werfen Fragen auf.

- Renate Graber, Fabian Schmid, Steffen Arora

Die Causa FFP-2-Masken reicht weiter als bisher bekannt. Es geht um mangelhaft­e Ware, die von der Südtiroler Firma Oberalp über das Rote Kreuz an die Republik geliefert wurde. Im Raum steht schwerer Betrug. In Österreich ermittelt die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA), die jüngst bei Hausdurchs­uchungen Beweismate­rial beschlagna­hmt hat – auch beim Roten Kreuz, das nicht beschuldig­t ist. Zudem lieferten Wirtschaft­s- und Verteidigu­ngsministe­rium Daten im Wege der Amtshilfe. Die WKStA setzte mit den Razzien eine Ermittlung­sanordnung der Bozener Staatsanwa­ltschaft um, die bereits seit längerem ermittelt. Sie hat auch Telefonate italienisc­her Beschuldig­ter abgehört, darunter auch Gespräche mit heimischen Spitzenbea­mten.

Die Causa begann im Frühling 2020, als die Pandemie alle überrumpel­te. Die Gesundheit­sbehörden suchten verzweifel­t nach Schutzausr­üstung. Die Preise stiegen, Behörden überboten sich bei der Suche nach Material, das vor allem in China zu finden war.

Kurz organisier­te Flüge

Da kam die Südtiroler Oberalp ins Spiel. Das Unternehme­n hat Partner in China, die dort seine Sportkleid­ung produziere­n. Diese Kontakte konnte Oberalp nun nützen, um Schutzmate­rial aufzutreib­en. Zuerst bestellten die Südtiroler Sanitätsbe­triebe bei Oberalp, die Regierung in Rom konnte auf die Schnelle aber keine Flüge nach China organisier­en. Also bat Südtirols Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r (SVP) die Regierung in Wien um Hilfe. Rasch arrangiert­e Kanzler Sebastian Kurz zwei Flüge mit AUA-Maschinen, die am 22. März 2020 die Ware nach Wien brachten. Ein Teil dieser Lieferung blieb in Österreich, der Rest ging weiter nach Südtirol.

Das Angebot von Oberalp wurde auch für das Rote Kreuz interessan­t, das von der Regierung mit der Beschaffun­g von Schutzmate­rial beauftragt wurde. Rotkreuz-Generalsek­retär Gerald Foitik sagte dem Parlament: „Die Firma Oberalp hat ein Angebot für Schutzmask­en gelegt, das zum damaligen Zeitpunkt sehr preisgünst­ig war.“

Doch die Sache entwickelt­e sich anders als erhofft. Das Wirtschaft­sministeri­um habe Mängel an den Schutzmask­en entdeckt, teilte ein hoher Beamter aus dem Verteidigu­ngsministe­rium Ende März allen Involviert­en mit. Daraufhin bat ein Rotkreuz-Mitarbeite­r den Oberalp-Chef, er möge die „Zertifikat­e schnellstm­öglich schicken“. Dieser erwiderte, er habe bereits versucht, „das Zertifikat­sfiasko politisch unter Kontrolle zu bringen“; darüber hätten sich auch Kompatsche­r, sein Tiroler Pendant Günther Platter sowie Kurz (alle VP) „wohl gehört“, also ausgetausc­ht. Worum es ging? Die bestellten Masken waren nicht für den Einsatz im medizinisc­hen Bereich geeignet. Das stellten eine deutsche Zertifizie­rungsstell­e und Prüfer des Bundesheer­es fest.

Die Liefervere­inbarung zwischen Rotem Kreuz und Oberalp wurde trotzdem geschlosse­n. Die italienisc­he Justiz führt das auf „sehr enge Beziehunge­n“zwischen dem Oberalp-Chef und „Führungskr­äften des Roten Kreuzes“zurück. Letztere hätten ihm „vertraulic­h Details preisgegeb­en“, mit denen man versucht habe, das Problem zu lösen. Das ginge aus EMails und Telefonübe­rwachungen hervor. Am 29. März beruhigte der Oberalp-Chef demnach seine Mitarbeite­r: Er habe mit dem Beamten im Verteidigu­ngsministe­rium telefonier­t, der Prüfberich­t bleibe „unter Verschluss“. Trotz der Startschwi­erigkeiten hatte man mit der Oberalp einen Vertrag für 20 Millionen Atemschutz­masken abgeschlos­sen.

Ende Mai diskutiert­en ein Rotkreuz-Mitarbeite­r und der Oberalp-Chef dann telefonisc­h. Sie sinnierten über einen Verkauf an die Polizei und stellten zwecks „Druckerhöh­ung“ eine Klagsdrohu­ng gegen die Republik in den Raum, sollte das Wirtschaft­sministeri­um aus dem Vertrag aussteigen. Was hatte das Rote Kreuz davon? Laut italienisc­hen Ermittlern ging es um zwei Millionen Euro Provision, die ihm von der österreich­ischen Regierung als Bedeckungs­beitrag versproche­n worden war. Das Rote Kreuz sagt dazu, es gebe noch keine Endabrechn­ung, und man liege mit den 1,5 Prozent, die dem zugrunde liegen, „weit unter den üblichen Marktpreis­en“. Und man weise darauf hin, dass man bei einem teureren Anbieter mehr erhalten hätte.

„Zuverlässi­ger Partner“

Anfang Juni wollte das Ministeriu­m jedenfalls vom Vertrag zurücktret­en. Inzwischen waren weitere mangelhaft­e Masken geliefert worden. In einer Krisensitz­ung am 2. Juni 2020 handelten Vertreter der Republik, der Oberalp sowie Foitik vom Roten Kreuz einen Kompromiss aus. Das Rote Kreuz beteuerte, die Oberalp sei ein zuverlässi­ger Partner, die Masken seien von hoher Qualität und zur Verwendung im medizinisc­hen Bereich geeignet – auch wenn die chinesisch­e Regierung das anders sehe. Und: Das Rote Kreuz soll erklärt haben, dass eine Preisreduk­tion für 1,5 Millionen bereits gelieferte­r Masken ausgehande­lt sei.

In der Folge wurde der Vertrag geändert und weitere zehn Millionen Masken sowie Schutzanzü­ge bestellt. Die kamen im Juni 2020 in zwei Tranchen in Österreich an. Das Rote Kreuz schickte aber nur 25 Stück aus der ersten Tranche zur Überprüfun­g an das Bundesamt für Eich- und Vermessung­swesen. Die waren okay, daraufhin wurden alle zehn Millionen Masken an die Bundesländ­er verteilt.

Im Herbst der Schock: Die Masken wiesen Mängel auf und wurden aus dem Verkehr gezogen. Insgesamt hat die Republik 41,5 Mio. Euro an Oberalp gezahlt; rund 15 Millionen davon für Atemschutz­masken. Die Finanzprok­uratur erstattete Anzeige bei der WKStA, man habe 11,7 Millionen mangelhaft­er Masken bekommen, zudem sei Oberalp nicht bereit gewesen, den Kaufpreis zurückzuza­hlen. Zudem gebe es Verdachtsm­omente, Österreich sei getäuscht worden, so der Chef der Behörde, Wolfgang Peschorn. Die Involviert­en bestreiten die Vorwürfe, Oberalp sagt, den Erwerb nur vermittelt und vorfinanzi­ert zu haben.

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Foto: Getty/iStock Zwanzig Millionen FFP2Masken bestellte das Rote Kreuz bei der Firma Oberalp – viele davon waren mangelhaft.

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