Brisante Anrufe in Causa FFP2-Masken
Gegen die Südtiroler Firma Oberalp wird in Österreich und Italien ermittelt. Im Zuge einer Telefonüberwachung wurden auch Rotkreuz-Mitarbeiter und hohe Ministeriumsbeamte aus Wien abgehört. Die Gesprächsinhalte werfen Fragen auf.
Die Causa FFP-2-Masken reicht weiter als bisher bekannt. Es geht um mangelhafte Ware, die von der Südtiroler Firma Oberalp über das Rote Kreuz an die Republik geliefert wurde. Im Raum steht schwerer Betrug. In Österreich ermittelt die Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die jüngst bei Hausdurchsuchungen Beweismaterial beschlagnahmt hat – auch beim Roten Kreuz, das nicht beschuldigt ist. Zudem lieferten Wirtschafts- und Verteidigungsministerium Daten im Wege der Amtshilfe. Die WKStA setzte mit den Razzien eine Ermittlungsanordnung der Bozener Staatsanwaltschaft um, die bereits seit längerem ermittelt. Sie hat auch Telefonate italienischer Beschuldigter abgehört, darunter auch Gespräche mit heimischen Spitzenbeamten.
Die Causa begann im Frühling 2020, als die Pandemie alle überrumpelte. Die Gesundheitsbehörden suchten verzweifelt nach Schutzausrüstung. Die Preise stiegen, Behörden überboten sich bei der Suche nach Material, das vor allem in China zu finden war.
Kurz organisierte Flüge
Da kam die Südtiroler Oberalp ins Spiel. Das Unternehmen hat Partner in China, die dort seine Sportkleidung produzieren. Diese Kontakte konnte Oberalp nun nützen, um Schutzmaterial aufzutreiben. Zuerst bestellten die Südtiroler Sanitätsbetriebe bei Oberalp, die Regierung in Rom konnte auf die Schnelle aber keine Flüge nach China organisieren. Also bat Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) die Regierung in Wien um Hilfe. Rasch arrangierte Kanzler Sebastian Kurz zwei Flüge mit AUA-Maschinen, die am 22. März 2020 die Ware nach Wien brachten. Ein Teil dieser Lieferung blieb in Österreich, der Rest ging weiter nach Südtirol.
Das Angebot von Oberalp wurde auch für das Rote Kreuz interessant, das von der Regierung mit der Beschaffung von Schutzmaterial beauftragt wurde. Rotkreuz-Generalsekretär Gerald Foitik sagte dem Parlament: „Die Firma Oberalp hat ein Angebot für Schutzmasken gelegt, das zum damaligen Zeitpunkt sehr preisgünstig war.“
Doch die Sache entwickelte sich anders als erhofft. Das Wirtschaftsministerium habe Mängel an den Schutzmasken entdeckt, teilte ein hoher Beamter aus dem Verteidigungsministerium Ende März allen Involvierten mit. Daraufhin bat ein Rotkreuz-Mitarbeiter den Oberalp-Chef, er möge die „Zertifikate schnellstmöglich schicken“. Dieser erwiderte, er habe bereits versucht, „das Zertifikatsfiasko politisch unter Kontrolle zu bringen“; darüber hätten sich auch Kompatscher, sein Tiroler Pendant Günther Platter sowie Kurz (alle VP) „wohl gehört“, also ausgetauscht. Worum es ging? Die bestellten Masken waren nicht für den Einsatz im medizinischen Bereich geeignet. Das stellten eine deutsche Zertifizierungsstelle und Prüfer des Bundesheeres fest.
Die Liefervereinbarung zwischen Rotem Kreuz und Oberalp wurde trotzdem geschlossen. Die italienische Justiz führt das auf „sehr enge Beziehungen“zwischen dem Oberalp-Chef und „Führungskräften des Roten Kreuzes“zurück. Letztere hätten ihm „vertraulich Details preisgegeben“, mit denen man versucht habe, das Problem zu lösen. Das ginge aus EMails und Telefonüberwachungen hervor. Am 29. März beruhigte der Oberalp-Chef demnach seine Mitarbeiter: Er habe mit dem Beamten im Verteidigungsministerium telefoniert, der Prüfbericht bleibe „unter Verschluss“. Trotz der Startschwierigkeiten hatte man mit der Oberalp einen Vertrag für 20 Millionen Atemschutzmasken abgeschlossen.
Ende Mai diskutierten ein Rotkreuz-Mitarbeiter und der Oberalp-Chef dann telefonisch. Sie sinnierten über einen Verkauf an die Polizei und stellten zwecks „Druckerhöhung“ eine Klagsdrohung gegen die Republik in den Raum, sollte das Wirtschaftsministerium aus dem Vertrag aussteigen. Was hatte das Rote Kreuz davon? Laut italienischen Ermittlern ging es um zwei Millionen Euro Provision, die ihm von der österreichischen Regierung als Bedeckungsbeitrag versprochen worden war. Das Rote Kreuz sagt dazu, es gebe noch keine Endabrechnung, und man liege mit den 1,5 Prozent, die dem zugrunde liegen, „weit unter den üblichen Marktpreisen“. Und man weise darauf hin, dass man bei einem teureren Anbieter mehr erhalten hätte.
„Zuverlässiger Partner“
Anfang Juni wollte das Ministerium jedenfalls vom Vertrag zurücktreten. Inzwischen waren weitere mangelhafte Masken geliefert worden. In einer Krisensitzung am 2. Juni 2020 handelten Vertreter der Republik, der Oberalp sowie Foitik vom Roten Kreuz einen Kompromiss aus. Das Rote Kreuz beteuerte, die Oberalp sei ein zuverlässiger Partner, die Masken seien von hoher Qualität und zur Verwendung im medizinischen Bereich geeignet – auch wenn die chinesische Regierung das anders sehe. Und: Das Rote Kreuz soll erklärt haben, dass eine Preisreduktion für 1,5 Millionen bereits gelieferter Masken ausgehandelt sei.
In der Folge wurde der Vertrag geändert und weitere zehn Millionen Masken sowie Schutzanzüge bestellt. Die kamen im Juni 2020 in zwei Tranchen in Österreich an. Das Rote Kreuz schickte aber nur 25 Stück aus der ersten Tranche zur Überprüfung an das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen. Die waren okay, daraufhin wurden alle zehn Millionen Masken an die Bundesländer verteilt.
Im Herbst der Schock: Die Masken wiesen Mängel auf und wurden aus dem Verkehr gezogen. Insgesamt hat die Republik 41,5 Mio. Euro an Oberalp gezahlt; rund 15 Millionen davon für Atemschutzmasken. Die Finanzprokuratur erstattete Anzeige bei der WKStA, man habe 11,7 Millionen mangelhafter Masken bekommen, zudem sei Oberalp nicht bereit gewesen, den Kaufpreis zurückzuzahlen. Zudem gebe es Verdachtsmomente, Österreich sei getäuscht worden, so der Chef der Behörde, Wolfgang Peschorn. Die Involvierten bestreiten die Vorwürfe, Oberalp sagt, den Erwerb nur vermittelt und vorfinanziert zu haben.