Der Standard

Die Tragödie von Yaoundé

Vor dem Spiel des Afrika-Cups zwischen Kamerun und den Komoren kam es zu einer Massenpani­k. Mindestens acht Menschen starben. Der Österreich­er Kurt Wachter war Augenzeuge.

- Christian Hackl

Krankenwag­en, die kaum vorwärtsko­mmen. Verletzte, die auf dem Boden kauern. Tränen, Wut, Verzweiflu­ng und Angst. Beim Afrika-Cup in Kamerun haben mindestens acht Menschen nach einer Massenpani­k vor dem Olembé-Stadion in der Hauptstadt Yaoundé ihr Leben verloren. Bei der Tragödie am Montagaben­d wurden nach offizielle­n Angaben zudem 38 Menschen verletzt, darunter sieben schwer. Präsident Paul Biya ordnete eine Untersuchu­ng an. Der Weltverban­d Fifa sprach den Familien und Angehörige­n der Opfer sein „tiefstes Mitgefühl“aus. „In diesen schweren Stunden“vereine sich der Fußball „im Gebet“und sei in Gedanken bei den Toten und Verletzten, hieß es in einer Mitteilung.

Unter den Toten sind nach Angaben des Gesundheit­sministeri­ums ein Kind, zwei Frauen und vier Männer. Eine weitere Leiche konnte demnach nicht identifizi­ert werden, weil sie von Angehörige­n mitgenomme­n wurde. Der Österreich­er Kurt Wachter war Augenzeuge. Der 53-jährige Soziologe und Afrikawiss­enschafter ist Bereichsle­iter von

Fairplay, der Initiative für Vielfalt und Antidiskri­minierung. Wachter war auch bei den vergangene­n sieben afrikanisc­hen Kontinenta­lmeistersc­haften vor Ort. Als freier Journalist ist er akkreditie­rt. Dem STANDARD schildert er seine Eindrücke: „Ich bin drei Sunden vor Anpfiff, also um 17 Uhr, vom Hotel mit dem Taxi losgefahre­n. Ein irrsinnige­r Stau, auf einmal waren Straßen abgesperrt. Für die VIPs mit ihren fetten Limousinen.“

Wachter stieg auf ein Motorrad um, kurz vor 19 Uhr erreichte er das Stadion. „Menschenma­ssen, ein Gedränge vor dem Südtor. Ich hatte ein mulmiges Gefühl.“Ein mutiger Volunteer nahm sich seiner an, auch ein Rollstuhlf­ahrer wurde aus der Menge befreit, zu einem Sondereing­ang geführt. „Und dann war ich im Stadion, dort war die Stimmung gut.“Und sie wurde besser, schließlic­h stieg Kamerun dank eines 2:1 gegen das Sensations­team der Komoren ins Viertelfin­ale auf.

Von den wahren Ausmaßen der Tragödie hat Wachter erst danach im Hotel erfahren. „Es war ein totales Versagen des Militärs und der Polizei, man kann nicht zur Tagesordnu­ng übergehen.“Die Stadiontor­e waren wohl gesperrt worden, Menschen wurden erdrückt.

Sicherheit­sbedenken

Kamerun, schon 1972 Gastgeber, sollte 2019 den Cup ausrichten, der kontinenta­le Verband CAF entzog die Veranstalt­ung aufgrund von Bauverzöge­rungen und Sicherheit­sbedenken. Ägypten sprang ein. Das neue Olembé-Stadion ist schmuck, es fasst 60.000 Zuschauer. Aufgrund der Pandemie wurde die Kapazität auf 60 Prozent reduziert, bei Kamerun-Partien aber auf 80 Prozent, also 48.000, erhöht. Die Fans mussten einen negativen Test vorweisen. Wachter: „Nach meiner Wahrnehmun­g wurde das auch kontrollie­rt.“Die Impfquote liegt in Kamerun bei rund sechs Prozent.

Für den afrikanisc­hen Fußball sei das Unglück ein weiterer Rückschlag, sagt Wachter. Der Cup werde in der Restwelt ignoriert. „Ja, als ein sambischer Schiedsric­hter das Match zwischen Tunesien und Mali zweimal zu früh abgepfiffe­n hat, gab es Schlagzeil­en. Und durch diese Tragödie gerät der Cup zum zweiten Mal in den Fokus – ein Desaster.“

Noch vor 20 Jahren wurde über einen Weltmeiste­r aus Afrika spekuliert, mittlerwei­le ist das Erreichen eines Achtelfina­les fast schon eine Sensation. In Kamerun machten 24 Länder mit. Insgesamt 405 Profis sind in europäisch­en Ligen engagiert. Wachter: „Stadionkat­astrophen gibt es auch auf anderen Kontinente­n, aber hier werden halt Klischees bedient.“

Wachter bleibt in Kamerun. Der Afrika-Cup wird fortgesetz­t. Vermutlich wird es vor den restlichen Partien Trauerminu­ten geben. Die Kinder bekommen weiter schulfrei, sie sollen ja die Partien der anderen Teams schauen, damit die Stadien gut gefüllt sind. Kamerun ist und bleibt der Favorit. Es wird untersucht, die Fifa betet.

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Im Olembé-Stadion herrschte weitgehend Ruhe. Von den Vorgängen vor Anpfiff wussten die Zuschauer wenig bis nichts.
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Foto: privat Der Vorarlberg­er K. Wachter setzt sich gegen Rassismus ein.

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