Gipfelsieger der Pandemie
Die Regierung fördert Vereine mit Millionen, um Mitglieder zurückzuholen. Mit Abstand größter Profiteur des Sportbonus ist der Alpenverein. Andere Dachverbände schauen quasi durch die Finger.
Österreichs Sport hat in zwei Jahren Pandemie besonders gelitten. Fußball mit Freunden, Training im Fitnessstudio, Yoga in größerer Gruppe: All das ging in mehreren Lockdowns nicht. Viele Österreicher machen wenig Sport, Vereine verloren mehr als 500.000 Mitglieder. Sportminister Werner Kogler stellte deshalb einen Fördertopf mit insgesamt neun Millionen Euro zur Verfügung, über den sogenannten Sportbonus werden bis zu 75 Prozent beziehungsweise maximal 90 Euro jeder neuen Vereins-Jahresmitgliedschaft seit
1. Jänner 2021 übernommen. Dieser Sportbonus fördert nun selbst Bemerkenswertes zutage. Auf eine parlamentarische Anfrage der Neos spielte das Sportministerium die Förderbeträge für den ersten Abrechnungstermin (Phase 1) bis
15. November 2021 aus. 1,8 Millionen Euro wurden ausgeschüttet, davon erhielt der Verband alpiner Vereine Österreichs (VAVÖ) mehr als 1,3 Millionen Euro. Das sind mehr als drei Viertel der gesamten Fördersumme in diesem Zeitraum. 31.552 neue Mitgliedschaften
wurden ausgewiesen. Unter dem Dach des VAVÖ firmieren ein Dutzend Mitgliedsvereine, darunter der Österreichische Alpenverein (ÖAV), die Naturfreunde Österreichs (NFÖ) oder der Österreichische Touristenklub (ÖTK). Auf Platz zwei folgt die Sportunion mit 138.347 Euro Förderung bei knapp 1800 neuen Mitgliedern. Das ist gerade einmal ein Zehntel der Fördersumme des VAVÖ. Dahinter rangieren weitere Dachverbände wie die ASVÖ oder die ASKÖ mit jeweils etwa tausend neuen Mitgliedern.
„Gutes Marketing“
Ist der Verband alpiner Vereine Österreichs der Gewinner der Pandemie? Oder haben die anderen Dachverbände das Förderprogramm der Regierung verschlafen? Für die Neos „entspricht der Mitgliederzuwachs der alpinen Vereine nicht den Relationen zu anderen Sportverbänden“, sagt Abgeordneter Yannick Shetty.
Beim Alpenverein, dem mit Abstand größten Fördernehmer, kann man sich den enormen Gewinn durch den Sportbonus sehr wohl erklären. „Wir haben gutes Marketing betrieben, dieses Angebot mit Nachdruck in unsere 196 Sektionen getragen“, sagt ÖAVPräsident Andreas Ermacora zum STANDARD. „Andere Verbände haben das offenbar nicht so gut beworben.“Der ÖAV ist mit rund 600.000 Mitgliedern der größte Verein im VAVÖ, pro Jahr kommen im Schnitt 20.000 dazu, im ersten Pandemiejahr 2020 gab es dagegen fast keinen Zuwachs.
„Äpfel mit Birnen vergleichen“, so beschreibt es Stefan Grubhofer, der Generalsekretär der Sportunion, die 678.000 Mitglieder in 4444 Vereinen zählt, die föderalistisch strukturiert sind. Den Alpenverein vergleicht Grubhofer mit dem Autofahrerklub ÖAMTC. „Ein zentralistisches System hat einen viel geringeren Verwaltungsaufwand. Mit dem Sportbonus wurde eine komplett neue Förderprogrammatik aufgebaut, die Anlaufphase war mit ehrenamtlichen Vereinsstrukturen zugegebenermaßen zäh“, sagt Grubhofer.
Auf der Startseite des Alpenvereins wird die günstige Mitgliedschaft groß beworben. „Da ist eine Versicherung im Wert von 100.000 Euro dabei“, sagt Präsident Ermacora. „Die Leute wollen raus in die Natur, wir haben den Nerv der Zeit getroffen.“
Grubhofer weist darauf hin, dass sich manche Sportarten bis zum Ende der ersten Förderperiode schwergetan haben. „Tennis oder Leichtathletik wird mehrheitlich von April bis September betrieben, im Winter ist es schwer, Mitglieder zu akquirieren.“Grubhofer sieht aber einen Aufholprozess, „in Phase zwei und drei (bis Mitte 2022, Anm.) werden andere Dachverbände und Vereine deutlich mehr vom Sportbonus profitieren.“
Kinder gehen ab
In Österreich sind laut Statistik Austria nur knapp 18 Prozent aller Österreicher Mitglied in einem Sportverein, viele Kinder kommen wieder abhanden. Grubhofer sieht die Entwicklung nicht nur negativ: „Wir haben einen großen Wachstumsmarkt vor uns, müssen uns neuen Trendsportarten widmen. Wo die Leute Sport machen, ist letztendlich egal.“