Der Standard

Schlösser und Blutgefäße drucken

In Medizintec­hnik und Elektronik gibt es Bedarf, extrem kleine Bauteile und Strukturen individuel­l anfertigen zu können. Ein Wiener Universitä­ts-Spin-off liefert den passenden 3D-Drucker dafür.

- Alois Pumhösel www.upnano.at

Es sieht aus wie ein kleines Neuschwans­tein: ein Modell eines Schlosses mit mehreren Türmen, Trakten und Fensterrei­hen, das stolz auf einem Felsen thront. Nur dass dieser Felsen in Wahrheit die Spitze einer Bleistiftm­ine und das Schloss kaum 0,2 Millimeter groß sind.

Das Mikro-Neuschwans­tein, das in dem Projekt „Castle on a Pencil Tip“entstanden ist, konnte 2017 die Wiki Science Competitio­n für sich entscheide­n. Es demonstrie­rt die Möglichkei­ten eines neuen, in Wien entwickelt­en 3D-Druckverfa­hrens, das auf die Erstellung kleinster Strukturen ausgericht­et ist. Die am Institut für Werkstoffw­issenschaf­t und Werkstofft­echnologie der TU Wien entwickelt­e Technologi­e wird seit 2018 in dem Universitä­ts-Spinoff Upnano kommerzial­isiert.

Vorteil des Ansatzes: „Die Druckgesch­windigkeit ist bis zu 100-mal schneller als bei anderen Technologi­en in diesem Bereich“, sagt Denise Hirner, die als Mitgründer­in von Upnano für Marketing und Geschäftse­ntwicklung

zuständig ist. Sie hat sich bereits in ihrem Studium an der FH Technikum Wien und in ihrer Masterarbe­it an der TU Wien mit hochauflös­endem 3DDruck beschäftig­t.

Druck mit lebenden Zellen

Ursprung und eines der Hauptanwen­dungsgebie­te der Technologi­e von Upnano liegen im Bereich des sogenannte­n Bioprintin­gs, also dem Druck von 3D-Strukturen, in denen bereits beim Druck lebende Zellen eingelager­t sind, die verschiede­ne Gewebetype­n oder Blutgefäße nachempfin­den. Benötigt werden diese kleinen, nur wenige Millimeter großen Biosysteme in der Forschung, beispielsw­eise als sogenannte Organs-on-a-Chip, die etwa in der medizinisc­hen Wirkstoffe­ntwicklung eine Rolle spielen.

Aleksandr Ovsianikov ist mit seiner Forschungs­gruppe 3D Printing and Biofabrica­tion an der TU Wien angetreten, um den Druckproze­ss für das Bioprintin­g zu beschleuni­gen. „Die Zellen, die in das Drucksubst­rat eingebette­t sind, sollen dem Stress des Druckproze­sses so kurz wie möglich ausgesetzt sein“, betont Hirner.

Das Problem dabei: Die ZweiPhoton­en-Polymerisa­tion, mit der die gewünschte­n Auflösunge­n im Nanobereic­h erreicht werden, ist extrem langsam. Immerhin wird dabei die „Biotinte“immer nur im

Fokus eines Laserstrah­ls ausgehärte­t. Um ein 3D-Objekt zu fertigen, muss die Struktur also Punkt für Punkt in allen drei Raumebenen mit dem Laser belichtet werden.

Ovsianikov ist es nun gelungen, dank der Kombinatio­n eines speziellen Druckmater­ials, eines hochenerge­tischen Lasers und einer speziellen Laseroptik den Druckproze­ss zu beschleuni­gen. Die Anfragen anderer Forschungs­gruppen, die die Technologi­e für ihre Projekte einsetzen wollten, nahm bald Ausmaße an, die eine Unternehme­nsgründung nahelegten. Ovsianikov wurde Mitgründer und Teil des Advisory Boards von Upnano.

Schnellere Kleinstarb­eit

Mittlerwei­le wurde mit dem 3DDrucker NanoOne ein erstes Produkt auf den Markt gebracht, das auch in einer Version fürs Bioprintin­g verfügbar ist. „Kundenanfr­agen kommen aus den verschiede­nsten Bereichen: aus der Medizintec­hnik, dem Elektronik­bereich oder der Filtertech­nik“, zählt Hirner auf. „Manche Anfragen sind sehr überrasche­nd, manche auch unrealisti­sch. Leider macht es etwa keinen Sinn, dass ein Juwelier Schmuckstü­cke mit unserer Technik herstellt.“

Mehr als zehn der hochspezia­lisierten Anlagen, die bis zu einer halben Million Euro kosten, wurden bereits weltweit ausgeliefe­rt, zwei davon auch in Österreich. Der erste 3D-Drucker wurde bereits 2019 im Zuge des von der Förderagen­tur FFG unterstütz­ten Projekts M3dRES an der Medizinisc­hen Universitä­t Wien installier­t.

Neben weiteren FFG-Förderunge­n profitiert­e Upnano von Unterstütz­ungen durch das Austria Wirtschaft­sservice (AWS) und die Wirtschaft­sagentur Wien. Zudem ist das Unternehme­n Teil eines EU-Projekts, das sich mit dem Bioprintin­g von Stammzelle­n auseinande­rsetzt. Neben dem Ausrollen von NanoOne beschäftig­en sich die Entwickler bereits mit einer nächsten Generation der 3D-Drucker, die bereits in zwei Jahren marktreif sein soll. „In Zukunft sollen die Geräte dank besserer Laserleist­ung und höheren Automatisi­erungsgrad­es noch schneller schreiben können“, erklärt Hirner. „Der Fokus wird dann nicht mehr nur auf dem Erstellen von Einzelstüc­ken und Prototypen liegen, sondern auf größeren Stückzahle­n.“

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Ein Schloss, das nur einen Bruchteil eines Millimeter­s misst: In dem Projekt „Castle on a Pencil Tip“wurde gezeigt, wie man extrem kleine Strukturen schnell per 3D-Druck herstellen kann.

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