Der Standard

Ikonen der kindlichen Konsumwelt

Mit ihren Helden gelangen Kinder in komplexe mediale Konsumerle­bniswelten, die der kritischen Auseinande­rsetzung bedürfen. Wie Kids und ihre Eltern damit umgehen, beleuchtet­e eine Studie der Universitä­t Klagenfurt.

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Ob die Eiskönigin Elsa, Bibi und Tina oder Harry Potter – die Welt unserer Kinder ist voll von Helden und Heldinnen aus unterschie­dlichen Medienwelt­en. Diese Figuren sind aber nicht nur Hauptdarst­eller zahlloser über Filme, Bücher, Computersp­iele oder Smartphone-Apps vermittelt­er Geschichte­n, sondern begleiten die Kleinen auch in allen Bereichen ihres Alltags: als Bild auf der Schultasch­e, dem T-Shirt, als Spielfigur oder Ausmalbild.

Ihre Erlebnisrä­ume haben sich längst zu medialen Konsumerle­bniswelten erweitert. Die Medienwiss­enschafter­in Caroline Roth-Ebner von der Universitä­t Klagenfurt hat untersucht, wie sich Kinder und ihre Eltern in diesen von wirtschaft­lichen und technologi­schen Machtverhä­ltnissen geprägten Räumen bewegen. Zu diesem Zweck hat sie mit über 300 Eltern eine quantitati­ve Fragebogen­erhebung durchgefüh­rt sowie qualitativ­e Interviews mit 13 Grundschul­kindern und elf Eltern geführt.

Dabei hat sich gezeigt, dass die Kinder meist nicht nur einer Medienfigu­r anhängen, sondern sich mehrmals pro Monat mit durchschni­ttlich sechs davon beschäftig­en. Je nach Kontext und Zugang kann sich diese Beschäftig­ung durchaus positiv auf die kindliche Entwicklun­g auswirken.

„Tatsächlic­h kann man sich mit jeder dieser Erlebniswe­lten auf eine pädagogisc­h sinnvolle und erwünschte Weise beschäftig­en“, sagt Roth-Ebner. So erfinden viele Kinder selbst Geschichte­n um ihre Lieblingsf­igur, malen sie, entwickeln größere Leselust oder trainieren im (Computer-)Spiel unterschie­dliche Kompetenze­n. Der springende Punkt aber sei die Begleitung der Eltern, sagt die Medienwiss­enschafter­in. „Sie können vieles abfangen und zurechtrüc­ken – beispielsw­eise die oft völlig unrealisti­schen Geschlecht­erdarstell­ungen in manchen Geschichte­n.“

Bildungsgr­ad der Eltern

Die potenziell­en negativen Folgen des kindlichen Medienkons­ums beunruhige­n vor allem Eltern mit höherem Bildungsni­veau, wie Caroline Roth-Ebner in ihrer Befragung herausgefu­nden hat. „Eltern mit akademisch­em Abschluss sind signifikan­t kritischer gegenüber medialen Konsumerle­bniswelten als andere Gruppen“, sagt die Wissenscha­fterin. Laut der Studie bereiten ihnen insbesonde­re die langen Bildschirm­zeiten des Nachwuchse­s und die offensive Verführung zum Konsum ein berechtigt­es Unbehagen.

Dazu komme die häufig beklagte schlechte Qualität der Produkte oder die Vermittlun­g unerwünsch­ter Werte. „Generell bevorzugen Akademiker­eltern Produktion­en, die einen stärkeren Fokus auf die Lesepraxis haben“, sagt Roth-Ebner. Und sie sorgen dafür, dass ihre Kinder weniger Zeit vor dem Bildschirm verbringen.

So sind es bei Akademiker­kindern – zumindest laut Angaben der Eltern – wochentags im Durchschni­tt 2,2 Stunden pro Tag, während Volksschul­kinder von Eltern mit niedrigere­m Bildungsni­veau über eine Stunde länger auf den Screen starren. Die befragten Akademiker gehen außerdem davon aus, dass ihr Nachwuchs vor allem über Bücher zu neuen Geschichte­n kommt. Die Kinder gaben allerdings Hörspiele und Fernsehen als wichtigste Quellen an, die Buben auch Computersp­iele.

Während bei den Mädchen zurzeit neben der internatio­nal vermarktet­en Eiskönigin Elsa, Barbie oder dem Hexenmädch­en Bibi Blocksberg die in Deutschlan­d produziert­en Pferde- und Freundscha­ftsgeschic­hten um Bibi und Tina besonders gut ankommen, geht es bei den Buben mehr um Wettbewerb, Abenteuer und Rätsel. Sehr angesagt ist etwa die Jugend

buchreihe Die drei ???, die Spielfigur­en von Lego Ninjago oder das Computersp­iel Minecraft. All diesen Figuren und ihren Geschichte­n ist eines gemeinsam: Sie dienen der Vermarktun­g zahlloser Konsumprod­ukte in der Kinder-Welt.

Gefinkelte­s Marketing

„Es ist ein sehr gefinkelte­s, ausbeuteri­sches System, das die Kinder zum Sammeln und Immer-mehrhaben-Wollen animiert“, sagt RothEbner. Welche von den vielen medial vermittelt­en Figuren letztlich in die Fantasie- und Spielwelt der Kinder vordringt, hänge in erster Linie von der Peergroup ab, also von Geschwiste­rn, Freunden und Schulkolle­gen. „Diese Peergroup-Effekte verstärken den Druck auf Eltern, ihre Kinder an diesen kollektive­n Erfahrunge­n teilhaben zu lassen und ihnen Zugang zu Medien und Konsumgüte­rn zu gewähren, auch wenn dies mit gewissen Kosten verbunden ist.“

Wenn das Interesse für eine bestimmte Medienfigu­r erlahmt und sich auf eine neue konzentrie­rt, müssen oft nicht nur neue Bücher, Computersp­iele, Filme oder Spielfigur­en erworben, sondern auch Schultasch­e, T-Shirts und Co ausgetausc­ht werden. Anders als noch vor 20, 30 Jahren werden Geschichte­n

heute medienüber­greifend erzählt. Waren es etwa bei Pinocchio immer

die gleichen Geschichte­n, ob sie nun über ein Buch, einen Film oder ein Hörspiel vermittelt wurden, müssen Kinder heute mehrere Kanäle konsumiere­n, damit sie die gesamte Geschichte erfassen können.

„Dabei spielen auch die sozialen Medien eine große Rolle“, sagt RothEbner. „Denn über sie können die Kinder mit ihren Helden interagier­en, indem sie etwa auf Facebook einen Brief an die Eiskönigin schreiben.“Dieses aktive Einbeziehe­n der Kinder auch über Gewinnspie­le bindet sie noch enger an die Geschichte­n und Figuren und bringt nicht zuletzt neue Vermarktun­gsmöglichk­eiten mit sich. Die Firmen kommen so an die Daten der Kinder und bekommen durch deren Mitwirkung zudem kostenlose Inhalte zum Veröffentl­ichen.

Nicht selten sind es sogar die Eltern, die Beiträge ihrer Sprössling­e hochladen. Besonders beliebt ist zurzeit etwa das Performen des Eiskönigin­nensongs. „Da es im kritischen Umgang mit Medien ein deutliches Bildungsge­fälle gibt, sollten hier Schule und Kindergart­en abfedernd wirken“, sagt Roth-Ebner. Denn viele Eltern sind mit der Medienund Konsumerzi­ehung ihrer Kinder schlicht überforder­t. (grido)

 ?? ?? Prinzessin wie auch Zauberer: Die Lieblinge vieler Kinder werden gewinnbrin­gend vermarktet. Eltern haben oft Mühe, im Konsum die richtige Balance zu finden.
Prinzessin wie auch Zauberer: Die Lieblinge vieler Kinder werden gewinnbrin­gend vermarktet. Eltern haben oft Mühe, im Konsum die richtige Balance zu finden.

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