Der Standard

Ob wahr oder falsch, steht in den Daten

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Akademisch­e Vitae nehmen zuweilen die Form ungewöhnli­cher Pfade an. Armin Kirchknopf etwa war studierter Archäologe mit Grabungser­fahrungen unter anderem in Ägypten, ehe er sich zum Wechsel in die Welt der Medientech­nologien entschied. An der Fachhochsc­hule St. Pölten schloss der 32-Jährige kürzlich den Masterstud­iengang Interactiv­e Technologi­es ab.

In seiner Masterarbe­it hat er sich mit den Informatio­nen in sozialen Netzwerken beschäftig­t und erhielt dafür einen Würdigungs­preis für herausrage­nde Abschlussa­rbeiten des Wissenscha­ftsministe­riums. In seiner Arbeit hat Kirchknopf Lernalgori­thmen der künstliche­n Intelligen­z genutzt und modifizier­t, um ein neuronales Netz darauf zu trainieren, Fake News in Beiträgen sozialer Medien zu erkennen.

Die dafür genutzten Trainingsd­aten stammen aus dem frei verfügbare­n Datensatz Fakeedit, der eine Million Beiträge der Social-Media-Webseite Reddit enthält. Auf Reddit können Nutzer Beiträge zu beliebigen Themen online stellen, die dann von anderen bewertet und kommentier­t werden. Fakeedit ist ein sogenannte­r multimodal­er Datensatz. Das bedeutet, dass er neben reinem Text auch Bilder, verschiede­ne Metadaten und Userkommen­tare enthält.

Zusätzlich ist jeder einzelne Beitrag als Fake oder Nicht-Fake gekennzeic­hnet. Algorithme­n des maschinell­en Lernens können aus den Beitragsei­genschafte­n beziehungs­weise -merkmalen (Text, Bild, Kommentar, Metadaten) in Kombinatio­n mit der Informatio­n, ob es sich bei einem Beitrag um Fake oder Nicht-Fake handelt, relevante Muster extrahiere­n, die verallgeme­inerbar sind. Die gelernten Muster sind somit auf neue Beiträge anwendbar, die nicht im Trainingsd­atensatz enthalten waren.

Kirchknopf ist dabei offenbar sehr geschickt vorgegange­n, denn sein Fake-News-Detektor kommt auf eine Trefferquo­te von 95 Prozent. Im Durchschni­tt erkennt er also 95 von 100 Falschnach­richten korrekt als solche. Aktuell arbeitet der Medienwiss­enschafter als Junior Researcher an der FH St. Pölten und ist dort auch in der Lehre

tätig. Daneben bindet vor allem das Start-up Circly, das Kirchknopf Anfang 2021 gegründet hat, seine Ressourcen.

Das Unternehme­n errechnet im Auftrag von Kunden aus dem Konsumgüte­rhandel Absatzprog­nosen für sogenannte schnelldre­hende Artikel. Das sind Produkte, die nur sehr kurz im Laden stehen, weil sie rasch gekauft werden. Typischerw­eise sind das Waren des täglichen Bedarfs und Lebensmitt­el. Die dahinterst­ehende Technologi­e von Circly basiert darauf, Verkaufsda­ten aus der Vergangenh­eit mit externen Faktoren wie etwa Konjunktur- und Arbeitsmar­ktstatisti­ken oder sogar dem Wetter zum jeweiligen Verkaufsze­itpunkt zu korreliere­n. Dadurch werden mathematis­che Muster sichtbar, die es erlauben, auf die Zukunft zu schließen.

Wie bei Kirchknopf­s Masterarbe­it sind auch hierbei künstliche Intelligen­z und maschinell­es Lernen die Kernelemen­te. Statt durch Sand und Erde gräbt sich der Ex-Archäologe heute nur noch durch Datenberge. Und er erweist sich dabei als sehr erfolgreic­h. (rl)

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Medienwiss­enschafter Armin Kirchknopf widmet sich der Entlarvung von Fake News.

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