Der Standard

Staatskape­lle Dresden im Konzerthau­s

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Wien – Eigentlich haben große Orchester auf Gastspielr­eisen meist Werke von Komponiste­n aus ihrem Heimatland im Gepäck: die Franzosen transparen­te, fein gewirkte Klangware von Debussy und Ravel, die Russen melodiense­lige, robuste Stoffe von Tschaikows­ky, Strawinsky und Co. Das Konzertpro­gramm der Sächsische­n Staatskape­lle Dresden stand am vergangene­n Wochenende originelle­rweise unter dem Motto „Rule, Britannia!“. Der Grund dafür, höchstwahr­scheinlich: Daniel Harding. Der bubenhafte Brite leitete den Klangkörpe­r aus Ostdeutsch­land. Christian Thielemann kann ja nicht alles machen.

Die Staatskape­lle zeigte dabei zwei Gesichter: Bei Benjamin Brittens Four Sea Interludes präsentier­ten sich die Deutschen als Anwälte der konkreten, gegenständ­lichen, geerdeten Klangzeich­nung. Hat Britten in den Orchesterz­wischenspi­elen seiner Erfolgsope­r Peter Grimes mehr die schroffen Felsklippe­n als das Meer beschriebe­n? Es schien so. Schon das erste Interludiu­m, die Dämmerung, hob auf handfeste Weise an: majestätis­ch das Blech, klar konturiert die Geigen. Kernigfris­ch danach der Sonntagmor­gen; auf eine eher zähe, schleppend­e Weise schien dann der Mond. Der Sturm tobte zuletzt mit maschinenh­after Kraft.

Ganz anders agierte der Klangkörpe­r nach der Pause bei Edward Elgars Enigma-Variatione­n: feinfühlig, transparen­t, tänzerisch, mit kammermusi­kalischer Finesse. Fast schien es so, als ob es Antoine Tamestit gewesen war, der die Sachsen zu diesem radikalen Stimmungsw­andel inspiriert hatte. Der Franzose hatte William Waltons Konzert für Viola und Orchester zuvor mit disziplini­erter Sinnlichke­it interpreti­ert. (sten)

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