Der Standard

Es ist Zeit für Gecko II

Eine neue Taskforce sollte rasch die Aufarbeitu­ng nach der Pandemie organisier­en

- Walter Müller

EEs sollte nicht mehr allzu lange dauern, und diese Pandemie könnte sich in den nächsten Monaten ausschleic­hen. So prognostiz­ieren es zumindest die Optimisten in der akademisch­en Virologies­zene. Auch die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) hält ein Ende der Corona-Pandemie in Europa nach der Omikron-Welle für durchaus möglich. Wir könnten uns, sagt WHOEuropac­hef Hans Kluge, auf eine Endphase der Pandemie zubewegen.

Voraussetz­ung ist natürlich, dass nicht neue Varianten alles wieder auf den Kopf stellen und die Impfquote wie auch die Qualität der Selbstvera­ntwortung in der Gesellscha­ft angehoben wird.

Es dürfte also demnächst der Zeitpunkt kommen, an dem die Virologen und Mathematik­er, die Statistike­r und Modelliere­r wieder einen Schritt zurücktret­en können. Wenn sich das virologisc­he Geschehen beruhigt, wird es ums Aufarbeite­n der Pandemiefo­lgen gehen. Und da wird es andere Expertisen brauchen, um die immensen Nachwirkun­gen und Kollateral­schäden dieser Pandemie zu managen.

Es wird alle Bereiche und Ebenen der Gesellscha­ft betreffen: von den individuel­l psychische­n bis zu den Fragen des sozialen Zusammenha­lts und des gesamtstaa­tlich-ökonomisch­en Komplexes. s wird die Frage zu beantworte­n sein, wer die horrenden Kosten der Pandemie tragen wird, wie diese in der Gesellscha­ft gerecht aufgeteilt werden. Wie werden Österreich­s Wirtschaft und Arbeitnehm­er langfristi­g mit den neuen Arbeitsrea­litäten samt Homeoffice umgehen? Wie werden diese in neue, brauchbare Regularien gegossen?

Wer kümmert sich um die schon jetzt manifesten psychosozi­alen Verwerfung­en in der Gesellscha­ft, die diese Pandemie mitausgelö­st hat?

Wie können die Kinder und Studierend­en, die seit zwei Jahren im Ausnahmezu­stand leben und lernen, aufgefange­n und unterstütz­t werden?

Wie gehen wir um mit den medizinisc­hen Langzeitfo­lgen, Stichwort Long Covid? Wie werden die womöglich jahrelange­n Folgewirku­ngen der Pandemie medizinisc­h, aber auch rechtlich für den Arbeitspro­zess bewertet? Wie wird die Versorgung und Betreuung organisier­t?

Und es wird sich die Frage stellen, wie der Rückbau der Covid-Maßnahmen geregelt wird, wie rasch und juristisch abgesicher­t der Normalzust­and jenseits von Vorschrift­en, Sanktionen und Datenerheb­ungen wiederherg­estellt wird. Und: Wer organisier­t und vor allem kontrollie­rt dies?

Das alles muss geklärt werden und in eine strategisc­he Planung einfließen. Die Aufgabenst­ellung ist beispiello­s, und je länger mit den Vorbereitu­ngen zugewartet wird, desto schwierige­r wird sie. Es sollte daher umgehend gehandelt werden und bereits jetzt eine Art Gecko II (gesamtstaa­tliche Krisenkoor­dination) ins Leben gerufen werden, in die Experten

und Expertinne­n aus allen relevanten Fachbereic­hen, von der Ökonomie, Pädagogik, Soziologie bis zu den Fiskalund Rechtssekt­oren, entsandt werden. Sie sollen die wissenscha­ftlich fundierten Grundlagen für die „Restaurier­ung“Österreich­s vorbereite­n. Selbstvers­tändlich mit dem virologisc­hen Sicherheit­snetz im Hintergrun­d.

Diese Gecko II sollte als Querschnit­tsgremium beim Bundeskanz­leramt angesiedel­t sein und vor allem eines sicherstel­len: dass die Post-Covid-Zeit nicht so abläuft wie streckenwe­ise die Pandemie – mit Management by Chaos.

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