Der Ukraine-Dialog bleibt aufrecht
Vertreter Russlands und der Ukraine haben sich in Paris erstmals seit Beginn ihres neuen Konflikts zu Gesprächen getroffen. Deutsche und Franzosen betonen damit ihren Mitspracheanspruch.
Solange sie miteinander sprechen, bekriegen sie sich nicht: Nach dieser Devise haben Frankreich und Deutschland die beiden Konfliktparteien im Osten Europas zu Gesprächen nach Paris geladen. Allein schon die Tatsache, dass das Treffen im sogenannten Normandie-Format stattfand, war ein Fortschritt: Seit Beginn des russischen Truppenaufmarsches östlich der Ukraine hatten sich die beiden Nachbarstaaten nicht mehr direkt gesprochen.
Die inhaltlichen Erwartungen waren bescheiden. Die deutsch-französische Diplomatie wollte die beiden östlichen Nachbarländer auf ein Datum für den Start von Verhandlungen über das Statut des strittigen Donbass-Gebiets verpflichten. Ob sich Kiew und Moskau darauf einließen, war bei Redaktionsschluss noch offen. Moskau hatte ein Vierertreffen auf Minister- oder gar Präsidentenebene ohnehin abgelehnt und nur einen Diplomaten – den Präsidialverwaltungsvize Dmitri Kosak – nach Paris entsandt.
Kein Platz für die EU
Die deutschen und französischen Vermittler erreichten im Vorfeld zwar, dass die Ukraine ein geplantes Gesetz über Straffolgen für ostukrainische Separatisten suspendierte. Die russische Seite zog aber nicht nach. Sie bemühte sich sichtlich, die Bedeutung des Treffens im Normandie-Format herunterzuspielen. In Moskau sagte Außenminister Sergej Lawrow, die EU und die OSZE müssten sich gar nicht an der Konfliktbewältigung beteiligen.
Moskau verhandelt lieber „auf Augenhöhe“mit den USA, die eine bedeutend härtere Linie fahren als die EU. Lawrow zufolge geht es nicht um das Minsker Friedensabkommen von 2015 zwischen Russen und Ukrainern. Wichtiger sei eine westliche Antwort auf die russischen Vorschläge für eine neue Sicherheitsarchitektur Europas. Konkret
heißt das – unter anderem – eine schriftliche Garantie, dass die Nato die Ukraine nicht aufnimmt.
Mit dieser Forderung treibt Russlands Präsident Wladimir Putin nicht zuletzt einen Keil in die westliche Allianz. Noch mehr als die USA und Großbritannien sehen Deutschland und Frankreich keine Notwendigkeit für einen baldigen NatoBeitritt der Ukraine. Nach deutschen Stimmen erklärte am Mittwoch auch die Präsidentschaftskandidatin der französischen Konservativen, Valérie Pécresse, die Aufnahme Kiews in das Verteidigungsbündnis habe „keine Priorität“. Darunter
leide nur die Versöhnung in einem Europa, das bis zum Ural reiche.
Die gleiche Position vertritt, ohne es offen zu sagen, Präsident Emmanuel Macron. Er und der deutsche Kanzler Olaf Scholz hatten am Dienstag in Berlin ihre Einigkeit im Ukraine-Dossier betont. Die beiden äußern sich auch nicht zur Idee von US-Präsident Joe Biden und dem britischen Premier Boris Johnson, Putin allenfalls persönlich mit Sanktionen zu belegen. Aus dem Kreml hieß es darauf, eine solche Drohung sei „destruktiv“, wäre aber für Russland nicht schmerzhaft.
Während sich Macron in Paris um eine „Deeskalation“bemühte, wie er sagte, landeten am Mittwoch amerikanische F-15-Kampfjets in Estland. Auch Dänemark schickt F-16-Flieger nach Litauen. Rumänien erklärte seine Bereitschaft, Nato-Truppen zu beherbergen. Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht kündigte die Lieferung von 5000 militärischen Schutzhelmen an die Ukraine an. In Berlin wie Kiew herrschte Einigkeit, dass es sich um eine symbolische Geste handelte.
Gas-Garantien
In Sachen Gaslieferungen wollen die USA mit Liefernationen im Mittleren Osten, in Nordafrika und in Asien verhandeln. So will man Moskau das Bedrohungsszenario nehmen, die Gaslieferungen nach Europa zu stoppen. Am Mittwoch signalisierte bereits Katar, mit Washington über die Pläne verhandeln zu wollen. Emir Tamim bin Hamad Al Thani will kommende Woche mit Präsident Biden über das Thema sprechen, um die Kunden Katars von dem Plan zu überzeugen, Teile des Rohstoffs für die Europäer abzuzweigen.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte, der russische Truppenaufmarsch östlich seines Landes genüge seiner Meinung nach nicht für eine groß angelegte Offensive. Einen neuen Gipfel russischer Propaganda erreichen Moskauer Medien mit der Behauptung, die ukrainische Armee plane eine „Invasion“im Donbass.
Zwar dementiert Moskau einen geplanten Einmarsch in der Ukraine, doch berichtete die New York Times, dass Moskau offenbar eine Propagandaoffensive gestartet habe. In sozialen Medien würden vermehrt Falschinformationen gestreut, wonach in den Separatistengebieten in der Ukraine quasi ein Genozid an der russischen Bevölkerung stattfinde.
Kein Ergebnis am Montag, keines am Dienstag – und auch am Mittwoch nur schwarzer Rauch: Frühestens am heutigen Donnerstag werden sich in Italien die 1009 Wahlmänner und Wahlfrauen der parlamentarischen Versammlung auf die Nachfolge für Staatspräsident Sergio Mattarella verständigen. Die Präsidentenwahl? Eine Groteske.
Statt den Kampf gegen das Coronavirus effizient zu managen, statt die 200 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds umsichtig einzusetzen, statt sich als Nato-Gründungsmitglied für eine Deeskalation der Ukraine-Krise starkzumachen, wird seit Wochen nur über Kandidaten – selten auch über Kandidatinnen – verhandelt. Es wird hinter verschlossenen Türen gefeilscht, gemauschelt, gekungelt, gezockt.
Italien blockiert sich selbst mit einem anachronistischen Wahlsystem, das fatal an ein päpstliches Konklave erinnert. Es kennt keine Kandidaturen, keine Fristen. Letztlich wird Staatsoberhaupt, wer bei den Absprachen „übrigbleibt“, mit wem man für die nächsten sieben Jahre „leben“kann.
Während in anderen Ländern ein Wettbewerb der besten Ideen – oder zumindest der griffigsten Slogans – veranstaltet wird, wissen Millionen Italienerinnen und Italiener bis zur letzten Minute nicht, wer ihre Vertrauensperson an der Staatsspitze sein wird. Sie haben keinen Einfluss darauf. Es ist hoch an der Zeit, dass Italiens Politik für mehr Transparenz sorgt, statt weiter vatikanisch anmutende Machtspiele zu spielen.