Der Standard

Der Überlebens­gürtel von Auschwitz

Gästebuch der Ausstellun­g wird in Salzburg sichtbar

- Stefanie Ruep

Es war ein Gürtel, der Walter Fantl-Brumlik am Leben erhielt. Der Niederöste­rreicher war ab 1944 als Zwangsarbe­iter in Gleiwitz I, einem der Außenlager von Auschwitz, interniert. Trotz Hungers und hoher Gebote für den Lederrieme­n behielt er ihn über die ganze Zeit im Konzentrat­ionslager bei sich. Auch in der Nacht habe er ihn getragen und immer neue Löcher hineingest­anzt, weil er so viel abgenommen habe. „So lange ich den Gürtel hab, lebe ich noch“, formuliert­e es der damals 91-jährige Zeitzeuge in einem Interview. Walter Fantl-Brumlik starb im Oktober 2019 im Alter von 95 Jahren, ein Replikat seines Gürtels ist nun in Auschwitz zu sehen.

Dieses Überlebens­objekt ist eines von rund 90 Ausstellun­gsstücken, die in der neu gestaltete­n österreich­ischen Länderauss­tellung in der KZ-Gedenkstät­te Auschwitz-Birkenau seit Oktober 2021 zu sehen sind. Um den Bezug vom ehemaligen Vernichtun­gslager zu Österreich herzustell­en, sind nun „Nachrichte­n aus Auschwitz“im Salzburg-Museum zu sehen. Auf einen Bildschirm am Eingang des Museums wird das Gästebuch aus Auschwitz projiziert. Besucher können in der Gedenkstät­te ihre Gedanken oder Grüße hinterlass­en. Diese werden dann gesichtet, aufbereite­t und im Museumsfoy­er in Salzburg gezeigt – weitere Museumssta­ndorte sollen folgen.

Schulmater­ialien zum KZ

Ausprobier­t wurde das digitale Gästebuch erstmals von Schülern des Akademisch­en Gymnasiums, die im September die Ersten waren, die die vom Nationalfo­nds für die Opfer des Nationalso­zialismus initiierte Schau zu sehen bekamen. „Es war in dem Moment eine gute Ausstellun­g, als ich gemerkt habe, die Schüler können etwas damit anfangen“, sagt der Salzburger Historiker Albert Lichtblau, der zusammen mit einem Team rund um Kurator Hannes Sulzenbach­er die Schau gestaltet hat. In Zusammenar­beit mit Erinnern.at wurden überdies Schulmater­ialien ausgearbei­tet, auf die Lehrerinne­n und Lehrer zugreifen können, um auf den KZ-Besuch vorzuberei­ten.

Die Exponate erzählen die Geschichte­n ihrer ehemaligen Besitzer. Etwa eine Haarbürste mit einem geheimen Fach – sie gehörte der Kärntner Krankensch­wester Maria Stromberge­r, die eine zentrale Figur des Widerstand­s im Lager war und dank ihrer Position unschätzba­re Botendiens­te leisten konnte. Ein besonderes Dokument sind die Urkunden und Glückwunsc­hkarten der Hochzeit von Auschwitz. Der Wiener Rudolf Friemel hat es als einer der Insassen in Auschwitz geschafft, 1944 die Frau, in die er sich während des Spanienkri­egs verliebt hatte, zu heiraten. Sechs Monate später wurde er nach einem Fluchtvers­uch gehängt.

Die Stücke wurden so ausgewählt, dass verschiede­ne Opfergrupp­en sichtbar werden, erklärt Lichtblau. Auch die Täter werden thematisie­rt. „Die Österreich­er waren in der Zentralbau­leitung sehr wichtig“, erläutert Lichtblau. Der Bauleiter von Birkenau, Josef Janisch, etwa war ein Salzburger, der sehr brutal mit den polnischen Arbeitern umgegangen sei. Die Pläne für die Krematorie­n und Gaskammern stammten vom Tiroler Architekte­n Walter Dejaco, und der erste Plan für das Lager in Birkenau kam von dem Linzer Architekte­n und Bauhaussch­üler Fritz Ertl.

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