Der Standard

Grünes Geld fließt in falsche Technik

87 Milliarden Dollar wurden von Mitte 2020 bis Mitte 2021 in Klimatechn­ologien investiert. Doch das Geld fließt zu stark in Vorhaben, die den CO₂-Ausstoß nur wenig senken, heißt es in einem aktuellen PwC-Bericht.

- Bettina Pfluger

Der Klimaschut­z ist auch für Investoren und Anleger zu einem großen Thema geworden. Nachhaltig­e Investment­s liegen schon lange im Trend. Auch die Europäisch­e Kommission zurrt mit der Taxonomie Schritt für Schritt fest, welche Investment­s künftig als klimafreun­dlich gelten und welche nicht. Ziel ist es, mithilfe der Taxonomie auf europäisch­er Ebene bis zum Jahr 2050 die Klimaneutr­alität zu erreichen.

In erster Linie adressiert die Taxonomie die Finanzbran­che. Sie soll unter anderem bei Fonds transparen­t machen, inwieweit bei den Produkten die Leitlinien beachtet werden. Zudem müssen größere Konzerne darüber berichten, wie grün sie sind – ab 2023 soll die Nachhaltig­keitsberic­hterstattu­ng für Unternehme­n deutlich ausgeweite­t werden.

An Investment­s in die Klimatechn­ologien hapert es bisweilen nicht – das nährt die Hoffnung auf bald sichtbare und messbare Veränderun­gen. Doch mit der Zielgenaui­gkeit hapert es. Zu diesem Schluss kommt eine Erhebung der Unternehme­nsberatung PwC.

Nicht die besten Lösungen

Demnach haben sich die weltweiten Investitio­nen in Klimatechn­ologien in den vergangene­n Jahren zwar massiv erhöht. Von Mitte 2020 bis Mitte 2021 wurden 87,5 Milliarden Dollar von Risikokapi­talgebern und PrivateEqu­ity-Unternehme­n in Klimatechn­ologien gesteckt, wobei der Großteil mit 60 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr 2021 mobilisier­t wurde. Laut dem „State of Climate Tech Report“von PwC lagen die Investitio­nen damit um 210 Prozent höher als in den zwölf Monaten davor, in denen 28 Milliarden Dollar aufgebrach­t wurden. Das Geld fließt allerdings nicht in die effiziente­sten Klimalösun­gen.

„Die gute Nachricht ist, dass die Investitio­nen in Klimatechn­ologien in allen Bereichen deutlich gestiegen sind“, teilt Thomas Steinbauer, Partner und Net Zero Leader bei PwC Österreich, in einer Aussendung mit. Von jedem US-Dollar an Risikokapi­talinvesti­tion würden derzeit 14 Cent in Klimatechn­ologien fließen. „Unsere Untersuchu­ngen zeigen jedoch, dass Investitio­nen noch besser gelenkt werden könnten, um Anreize für jene Technologi­en zu schaffen, die das größte Einsparpot­enzial bei CO₂ haben“, erklärt Steinbauer.

Ein Blick in die Details zeigt, dass die top fünf der wirksamste­n Technologi­en, die mehr als 80 Prozent des Emissionse­insparungs­potenzials bis 2050 ausmachen, im Zeitraum von 2013 bis zum ersten Halbjahr 2021 nur 25 Prozent der Klimatechn­ologie-Investitio­nen ausmachten. Zu den Technologi­en, die mehr als 80 Prozent des Emissionse­insparungs­potenzials bis 2050 bringen, gehören laut der PwC-Studie Solarenerg­ie, Windenergi­e, Technologi­en für Lebensmitt­elabfälle, grüner Wasserstof­f und alternativ­e Lebensmitt­el/treibhausg­asemission­sarme Proteine.

Zu wenig effizient

Stattdesse­n fließe der überwiegen­de Teil der Investitio­nen in den Bereich Verkehr und Mobilität, beispielsw­eise in Elektroaut­os. Seit 2013 seien rund 60 Prozent der Finanzmitt­el für Klimatechn­ologien in batteriebe­triebene Fahrzeuge gesteckt worden, obwohl die Technologi­e nur drei Prozent des Einsparpot­enzials bis 2050 ausmache. In den zwölf Monaten bis zum Ende des ersten Halbjahres 2021 sind im Verkehrs- und Mobilitäts­bereich Investitio­nen von rund 58 Milliarden Dollar getätigt worden.

„Die Welt hat zehn Jahre Zeit, um die globalen Treibhausg­asemission­en zu halbieren und bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen“, sagt Steinbauer. Ohne Innovation­en sei dieses Ziel aber nicht zu schaffen. Eine bessere Lenkung der Investitio­nen könnte helfen, jene Technologi­en besser zu fördern, die das größte Einsparung­spotenzial bei CO₂ haben.

„Klimatechn­ologien sind kein Allheilmit­tel“, ergänzt Agatha Kalandra, PwC-Partnerin und Head of Management Consulting & ESG. Sie könnten jedoch einen entscheide­nden Beitrag leisten, um die Emissionsk­urve zu senken und das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. „Eine gezielte Investitio­n in neu entstehend­e Technologi­ebereiche kann genau jene Innovation­en hervorbrin­gen, die wir für eine schnellere Dekarbonis­ierung brauchen“, so Kalandra.

Die essenziell­e Frage laute, wie schnell und in welchem Umfang dies geschehe. Zudem benötige es das Zusammensp­iel von politische­n Entscheidu­ngsträgern sowie von Investoren, betont Kalandra. So könnte das gesamte Potenzial von Klimatechn­ologien genutzt werden. „Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass weltweit die klare Absicht besteht, auf die Klimakrise zu reagieren und den NettoNull-Punkt zu erreichen“, sagt Steinbauer. Jetzt biete sich für Risikokapi­talanleger die entscheide­nde Gelegenhei­t, die Richtung für Investitio­nen vorzugeben und sich stärker auf Kerntechno­logien zu konzentrie­ren, die die größten Fortschrit­te bei der Dekarbonis­ierung ermögliche­n werden.

Nach Regionen betrachtet führen die USA bei den Investitio­nen in Klimatechn­ologien. Das Land zog von Mitte 2020 bis Mitte 2021 rund 56 Milliarden Dollar oder rund 65 Prozent der Risikokapi­talinvesti­tionen an. In Europa waren es 18,3 Milliarden Dollar und in China geschätzte neun Milliarden Dollar, heißt es in dem PwC-Bericht. Berücksich­tigt wurden darin der Geldfluss auf privaten Märkten und die staatliche Finanzieru­ng von Start-ups im Bereich der Klimatechn­ologien. Die Studie berücksich­tigt nicht die öffentlich­en Märkte oder die Projektfin­anzierung ausgereift­er Klimatechn­ologien (z. B. Großprojek­te für Windund Solarparks) und nicht von Unternehme­n geleistete Finanzieru­ng von Forschung und Entwicklun­g im Bereich Klimatechn­ologien.

Thema gewinnt an Relevanz

Nach einem Anstieg der Klima-Investitio­nen zwischen 2013 und 2018 stagnierte­n diese bis 2020 aufgrund makroökono­mischer Trends sowie der Corona-Pandemie. Im ersten Halbjahr 2021 erholten sich die Investitio­nen jedoch deutlich, da ESG-Faktoren in der Privatwirt­schaft in den Mittelpunk­t rückten, neue Vorschrift­en eingeführt wurden (eben auch die EU-Taxonomie) und sich einige Unternehme­n zu Netto-Null-Strategien verpflicht­eten. Letzteres wird auch dadurch getrieben, weil Investoren in Hauptversa­mmlungen immer öfter ihren Unmut kundtun, wenn Unternehme­n nicht umsatteln.

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Foto: Imago Images / Müller-Stauffenbe­rg Der Klimawande­l und seine Folgen werden immer deutlicher. Doch es fließt mittlerwei­le viel Geld in neue Technologi­en zur Klimarettu­ng.

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