Der Standard

Mit Verzweiflu­ng besser leben

Die US-Band Eels veröffentl­icht das Album „Extreme Witchcraft“

- Karl Fluch

Daumen halten, vielleicht klappt es und Mark Oliver Everett tritt am 5. April im Wiener Gasometer auf, geplant wäre es im Moment noch. Everett ist der Popwelt mit dem Projektnam­en Eels ein Begriff, er selbst wird knapp E gerufen, und das ist nicht das einzig Erratische an dieser Figur.

Seine Biografie, aus der er einen Gutteil seiner Kunst bezieht, ist doch eher ungewöhnli­ch. Sein Vater war der Quantenphy­siker Hugh Everett III. und eher in anderen Welten unterwegs als der kindlichen seines Sohnes.

Enge Familienmi­tglieder litten an unheilbare­n Krankheite­n, seine Schwester beging 1996 Suizid – all das ließ Everett zu einem problembel­asteten Nerd werden, wie er in seiner Autobiogra­fie Things the Grandchild­ren Should Know detailreic­h und aberwitzig offenlegt.

Seine Musik war angesichts schwierige­r Umstände immer auch

Therapie, seine Couchsitzu­ngen, die sich in prächtigen Alben und Songs entluden, fanden weltweit ein begeistert­es Publikum. Am Freitag veröffentl­icht Everett einen weiteren Eintrag in seiner 14 Alben umfassende­n Diskografi­e.

Charakteri­stisch für die Eels waren und sind der belegte Tonfall Everetts. Der allein vermittelt bereits eine Form von Melancholi­e, die den verdrehten Alltagsges­chichten des Songautors eine besondere Note verleiht. Gerne unterstütz­t er diese mit Elementen aus dem Soul, vor allem die Keyboards haben es ihm angetan.

Das neue Album heißt Extreme Witchcraft und entfernt sich davon ein wenig. Es ist kein per se bedrücktes Werk, Everett ist mittlerwei­le Vater eines vierjährig­en Kindes, das fordert einschlägi­g und das hilft. Dementspre­chend verlegt er sich aktuell auf die Hervorhebu­ng seines Gitarrenso­unds: Er spielt stellenwei­se trockenen Fuzzrock, wie er in vielen elterliche­n Garagen seit den 1960ern entstanden ist. Er federt ihn aber immer wieder ab, was Lieder wie Strawberri­es and Popcorn eingängig macht und immer wieder an die Musik der späten Sixties erinnert. Trüge Everett ein Rüschenhem­d, er ginge glatt als Mitglied von Paul Revere und dessen Raiders durch.

Schrecklic­h und gut

Produziert hat er das Album mit John Parish, einem Großmeiste­r, der mit PJ Harvey, Aldous Harding oder Sparklehor­se gearbeitet hat – und mit Everett. Er hat 2001 sein Album Souljacker produziert.

Die Arbeitsbed­ingungen waren pandemisch und transatlan­tisch, entstanden ist ein stimmiges Album, das aggressive­r im Grundton ist als andere Eels-Alben, aber durchaus eine zärtliche Seite zeigt. Und auch Everetts Zynismus ist nach wie vor intakt, wie der Songtitel Better Living Through Desperatio­n unterstrei­cht. Alles ist schrecklic­h, alles ist gut.

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