Der Standard

Skandalima­ge erschütter­t Vertrauen in die ÖVP

Eine Market-Umfrage für den STANDARD zeigt, wie schwer das Erbe ist, das Bundeskanz­ler Karl Nehammer in der Volksparte­i antritt: Die wahrgenomm­enen Skandale erschütter­n das Vertrauen in die ÖVP auch in jenen Politikber­eichen, die damit gar nichts zu tun h

- Conrad Seidl

Betrachtet man das Parteiprof­il der ÖVP in diesem Winter, so bekommt man ein völlig anderes Bild als vor zweieinhal­b Jahren. Damals, im Sommer 2019, war die Regierung von Sebastian Kurz durch das Parlament abgewählt worden – aber immerhin 41 Prozent meinten, dass Österreich ohne Regierungs­beteiligun­g der Volksparte­i schlechter dastünde. 36 Prozent gaben an, dass die ÖVP ihrer Meinung nach für Anstand in der Politik stehe. Heute trauen der ÖVP nur noch elf Prozent Anstand zu, und nur 24 Prozent meinen, dass Österreich ohne Regierungs­beteiligun­g der ÖVP schlechter dastünde.

Langzeitve­rgleich

Das geht aus dem Vergleich der gleich gestellten Fragen in den vom STANDARD in Auftrag gegebenen Umfragen zu den Parteiimag­es (Durchführu­ng: Market, jeweils 800 Befragte online und face-to-face) im Sommer 2019 und zur Jahreswend­e 2021/22 hervor.

„Heute dominiert der Eindruck, dass die ÖVP-Politiker vielfach in Skandale verwickelt waren – das sagen uns jetzt 69 Prozent, vor zweieinhal­b Jahren waren das nicht einmal halb so viele, nämlich 32 Prozent“, sagt Market-Institutsl­eiter David Pfarrhofer.

Dieses Image als Skandalpar­tei wird auch von der Hälfte der eigenen Anhängersc­haft bestätigt – besonders stark wird es allerdings in der Gruppe der Grünen wahrgenomm­en.

Das Skandalima­ge der Volksparte­i färbt auch auf andere Bereiche der politische­n Wahrnehmun­g ab: So waren vor der Nationalra­tswahl 2019 noch 35 Prozent der Meinung, die ÖVP stehe für eine gerechtere Gesellscha­ft – jetzt sagen das nur noch 15 Prozent. Und während damals die Hälfte der Befragten der ÖVP einen „klaren Plan, wie es mit Österreich weitergehe­n soll“, zugetraut haben, sind es jetzt nur noch 22 Prozent.

Kein Bild der Geschlosse­nheit

Auch wird von jedem Zweiten eine Uneinigkei­t an der Parteispit­ze und nur von jedem Dritten ein positives Bild der Regierungs­tätigkeit in den Bundesländ­ern wahrgenomm­en – beide Werte sind deutlich schlechter als vor zweieinhal­b Jahren.

Den Einwand, dass zu diesen Einschätzu­ngen auch die Unsicherhe­it im Management der Corona-Pandemie beitragen könnte, lässt Pfarrhofer nur eingeschrä­nkt gelten: „Das mag da hineinspie­len – aber wenn heute viel mehr Leute glauben, dass die ÖVP Politik nur für die eigenen Anhänger macht, dann ist das eben eine Folge des allgemeine­n Misstrauen­s gegenüber der Volksparte­i.“

Die Frage, ob Bundeskanz­ler Karl Nehammer die Partei wieder zu besseren Werten führen kann, beantworte­t Pfarrhofer mit dem Hinweis, dass es Nehammer immerhin gelungen sei, innerhalb weniger Wochen einen Kanzlerbon­us aufzubauen: „Rund ein Drittel der Befragten sagt, dass er sich als Bundeskanz­ler mehr oder weniger bewährt hat – das ist nicht schlecht. Aber natürlich weit unter dem, was Sebastian Kurz an Imagewerte­n gehabt hat. Bei Kurz haben 77 Prozent mehr oder weniger deutlich der Ansicht zugestimmt, dass er das Zeug hat, Wahlen zu gewinnen. Bei Nehammer sagen das nur 41 Prozent. Anderersei­ts gibt es beim direkten Vergleich mit den anderen Parteichef­s und sogar im Vergleich zu Kurz jeweils eine Mehrheit, die sagt, dass Nehammer diesen Vergleich bestehen kann.“

Was für Nehammer spricht: Die Hälfte der Befragten erkennt seine politische Erfahrung und seine Fähigkeit an, mit Politikern anderer Parteien vertrauens­voll zu verhandeln. Auch steht er für Kontinuitä­t: Weder die Ansicht, dass er seine Partei nach links, noch die, dass er sie nach rechts führen würde, findet viele Anhänger.

„Heute dominiert der Eindruck, dass VP-Politiker in Skandale verwickelt waren.“

David Pfarrhofer, Market-Institut

Zuversicht­liche ÖVP-Gefolgscha­ft

Ob Nehammer Wahlen gewinnen kann? Derzeit meinen nur 36 Prozent, dass der amtierende Kanzler die Kanzlerpos­ition bei der nächsten Nationalra­tswahl verteidige­n kann, 47 Prozent glauben das „eher nicht“oder „gar nicht“. In der ÖVP-Anhängersc­haft ist allerdings die Zuversicht ungebroche­n, analysiert Pfarrhofer, und er betont gebetsmühl­enartig: „Umfragen in der Mitte einer Legislatur­periode stellen Momentaufn­ahmen dar. Solange es keinen Wahltermin und keinen Wahlkampf gibt, darf man sie nicht mit Wahlprogno­sen gleichsetz­en.“

Was die Umfragen allerdings leisten können: Sie liefern Daten über Stimmungen und die Einschätzu­ng von Politikfel­dern. Man kann daraus beispielsw­eise die Empfehlung an die ÖVP ablesen, sich auf die Interessen von Arbeitern und Angestellt­en zu konzentrie­ren. Das legen ihr 61 Prozent nahe – als einer der wenigen Punkte weitgehend unveränder­t gegenüber früheren Umfragen.

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Karl Nehammer wird persönlich viel zugetraut – seiner Partei allerdings schlägt breite Skepsis der Wahlberech­tigten entgegen.

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