Der Standard

Kein Verzicht auf Nato-Erweiterun­g

Die Nato und die USA haben ihre Antworten auf den russischen Fragenkata­log abgeliefer­t. Die Angst vor einem Krieg hat dies jedoch nicht zerstreut. Moskau will nun die Antworten des Westens prüfen.

- FRAGE & ANTWORT: Gerald Schubert, Michael Vosatka, André Ballin aus Moskau

Der Ball liegt einmal mehr bei Russland: Mitte Dezember hatte Moskau einen Katalog von Forderunge­n an USA und Nato öffentlich gemacht und damit den schon länger schwelende­n Konflikt mit dem Westen auf eine neue Stufe gehoben. Angesichts der russischen Truppenkon­zentration an der Grenze zur Ukraine wuchs fortan die Sorge, dass die Kriegsgefa­hr noch weiter steigt. Grund: Einige Posten auf dem Wunschzett­el Moskaus galten von vornherein als unerfüllba­r. Dazu gehörte vor allem die Zusage, dass die Ukraine niemals der Nato beitreten wird. Die schriftlic­hen Antworten, auf die der Kreml gepocht hat, sind nun eingetroff­en.

Frage:

Was steht in den Antwortsch­reiben der USA und der Nato?

Antwort: Der Inhalt der Schreiben ist vorerst nicht bekannt. Aus Aussagen des US-Außenminis­ters Antony Blinken geht aber hervor, dass der wichtigste Wunsch Moskaus – die Absage an eine weitere NatoAusdeh­nung in Osteuropa – abgeschmet­tert wurde. „Die Tür der Nato ist offen und bleibt offen“, sagte Blinken am Mittwochab­end.

Frage: Was bietet die Nato Russland stattdesse­n an?

Antwort: Die Nato schlägt Moskau Verhandlun­gen über eine Verbesseru­ng der Beziehunge­n vor. „Wir sind bereit, uns die Sorgen Russlands anzuhören“, erklärte Nato-Chef Jens Stoltenber­g am Mittwochab­end. Die nach einem Zwist um eine Spionageaf­färe geschlosse­nen Vertretung­en in Moskau und Brüssel könnten wieder geöffnet werden. Im NatoRussla­nd-Rat sollte ein gegenseiti­ger Informatio­nsaustausc­h über Militärman­över und atomare Rüstung stattfinde­n.

Frage:

Wurde die Ukraine vor der Übermittlu­ng des Antwortsch­reibens an Moskau gefragt, oder wird über Kiew hinweg entschiede­n?

Antwort: Blinken zufolge wurde der Inhalt mit der Ukraine abgestimmt: „Wir haben ihren Input eingeholt, sagte der US-Außenminis­ter. Sein ukrainisch­er Amtskolleg­e Dmytro Kuleba bestätigte, dass Kiew Einsicht in den Entwurf erhalten habe. Es habe keine Einwände gegeben, schrieb Kuleba am Donnerstag im Kurznachri­chtendiens­t Twitter.

Frage:

Welche Schritte setzen die westlichen Staaten jetzt?

Antwort: Nach Angaben der Slowakei überlegt die Nato eine Verlegung von Truppen in das osteuropäi­sche

Land. Außenminis­ter Ivan Korčok erklärte, eine Entscheidu­ng darüber sei noch nicht gefallen. Deutschlan­ds Regierung wiederum nimmt Abstand von Waffenlief­erungen an die Ukraine. Außenminis­terin Annalena Baerbock verteidigt dies damit, dass Berlin nicht „Türen für Deeskalati­on verschließ­en“wolle. Man unterstütz­e die Ukraine jedoch auch militärisc­h, unter anderem mit 5000 Helmen.

Frage: Wie hat Russland bisher reagiert?

Antwort: Zurückhalt­end. Laut Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat Wladimir Putin die schriftlic­he Antwort der USA auf Russlands Sicherheit­sforderung­en „persönlich“studiert. Der russische Präsident werde sich nun mit dem nationalen Sicherheit­srat abstimmen. „Das braucht Zeit zum Analysiere­n, wir werden nicht mit irgendwelc­hen Schlussfol­gerungen hetzen“, sagte Peskow. Auch Außenminis­ter Sergej Lawrow hat sich mit seiner ersten Analyse bereits zu Wort gemeldet.

Frage: Ist die Antwort für Moskau befriedige­nd?

Antwort: Nein. Das geht aus den bisherigen offizielle­n Antworten schon hervor. Peskow erklärte, es gebe „nicht so viele Gründe für Optimismus“. Lawrow kritisiert­e konkret, dass die USA die wichtigste Forderung Russlands, die nach einer Garantie für die Nichterwei­terung der Nato gen Osten, abgelehnt haben. Zwar gebe es in dem Dokument Aussagen, die es erlaubten, auf den Beginn eines ernsthafte­n Dialogs zu hoffen. Doch dies sei lediglich bei zweitrangi­gen Fragen der Fall, so der russische Top-Diplomat.

Frage: Wie könnte die russische Reaktion aussehen?

Antwort: Genau weiß das natürlich niemand, aber der gewöhnlich gut informiert­e Moskauer Politologe Fjodor Lukjanow spekuliert, dass Russland seine Unzufriede­nheit mit einer Demonstrat­ion der militärisc­hen Stärke zeigen könnte. Das könnten Militärman­över in Belarus, auf der Krim und in der Ostsee sein, ebenso die Stationier­ung von Angriffswa­ffen in der Nähe von NatoLänder­n, so Lukjanow.

Frage: Könnte auch die Energiever­sorgung betroffen sein?

Antwort: Russland wird seine Einnahmen aus dem Gasverkauf eher nicht aufs Spiel setzen. Baerbock erklärte allerdings, dass auch die Pipeline Nord Stream 2 von Sanktionen gegen Moskau betroffen sein könnte. Die Niederland­e, die auf russische Gaslieferu­ngen angewiesen sind, arbeiten bereits an einem Notfallpla­n für den Fall eines längeren Lieferstop­ps aus dem Osten.

Frage:

Antwort: Die Spannungen rund um die Ukraine bleiben vorerst bestehen. Zuletzt hatte die Kreml-Partei Einiges Russland Putin gebeten, Waffenlief­erungen für die Separatist­en freizugebe­n. Der Kreml habe dies noch nicht entschiede­n, aber es sei eine neue Option, so Peskow am Donnerstag. Auch eine Anerkennun­g der selbst ernannten „Volksrepub­liken“im Donbass schwebt als mögliche Option im Raum.

Frage:

Was bedeutet das für Kiew?

Sind Szenarien wie etwa eine Raketensta­tionierung auf Kuba und in Venezuela denkbar?

Antwort: Nein, diese zunächst ebenfalls in Moskau geäußerten Vorschläge scheinen ad acta gelegt zu sein. Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew begründete dies damit, dass Kuba und Venezuela eine Normalisie­rung des Verhältnis­ses zu den USA anstrebten und daher wenig Interesse an einer solchen Stationier­ung hätten.

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Ein russischer Soldat in einem Armeefahrz­eug während einer Übung nahe der ukrainisch­en Grenze.

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