Der Standard

Fallstrick bei der Einbürgeru­ng von NS-Opfer-Nachfahren

Großzügige Regelung soll zeitnah beschlosse­n werden – doch ein Passus im Entwurf sorgt für Misstrauen

- Irene Brickner

Seinen Plan, Österreich­er zu werden, will Stefan Wedra keinesfall­s aufgeben. Und das, obwohl dem im Südtiroler Salurn lebenden deutschen Personalbe­rater vom zuständige­n österreich­ischen Konsulat vor kurzem mündlich angekündig­t wurde, dass man seinen laufenden Staatsbürg­erschaftsa­ntrag ablehnen werde.

Der Absage liege die bis dato herrschend­e Gesetzesla­ge zur Einbürgeru­ng der Nachkommen von Opfern des Nationalso­zialismus zugrunde, sagt der 61-Jährige. Nun aber sei eine Novelle der Regelungen in Vorbereitu­ng – und die würde seinen Fall ganz anders aussehen lassen.

In Hartheim ermordet

Wedras Einbürgeru­ngsbegehr stützt sich auf das Schicksal seiner Großmutter Alexandra Wedra. Als Großfürsti­n Daschkow im zaristisch­en Russland auf die Welt gekommen, war sie vor den Bolschewik­en aus dem kommunisti­sch gewordenen Land geflüchtet und durch Heirat Österreich­erin geworden. Dann erkrankte sie psychisch schwer und wurde in eine Anstalt gebracht.

Am 11. September 1940 überstellt­e man sie ins Schloss Hartheim bei Eferding. Dort vergaste man sie – eine von 30.000 psychisch kranken Menschen, die allein in Hartheim euthanasie­rt, sprich auf staatliche­n Befehl ermordet wurden.

Laut den aktuellen Wiedereinb­ürgerungsr­egeln schließt dieses Schicksal ihren Enkel vom Passerwerb aus. Einbezogen sind derzeit nur Nachkommen von NSVerfolgt­en, deren Vorfahren sich „in das Ausland begeben“haben. Man hatte eben vorrangig jüdische Österreich­erinnen und Österreich­er sowie politische Opposition­elle und andere im Nazireich in Lebensgefa­hr befindlich­e Menschen im Auge, die fliehen mussten.

Auch etliche weitere Konstellat­ionen von NS-Verfolgung der Vorfahren werden derzeit nicht berücksich­tigt. Die geplante Novelle, der ein Allparteie­n-Initiativa­ntrag zugrunde liegt, löst eine Reihe dieser Einschränk­ungen auf – etwa auch den Vorbehalt der Flucht ins Ausland (siehe „Wissen“).

Dadurch nun hätte auch Wedra im Fall eines neuerliche­n Antrags weit bessere Chancen – wenn da im Begutachtu­ngsentwurf nicht eine kurze Zusatzbest­immung wäre. Kein Recht auf Einbürgeru­ng hätten Nachfahren – sowie wiederum deren Nachfahren –, die „die österreich­ische Staatsbürg­erschaft zuvor durch Erwerb einer fremden Staatsange­hörigkeit verloren“haben – die also einen gültigen österreich­ischen Pass zurücklegt­en, lautet diese.

Trete das in Kraft, so würden auf einen Schlag sehr viele Nachfahren vom Staatsbürg­erschaftse­rwerb ausgeschlo­ssen, kritisiert Wedra. Sogar Menschen, denen das nach der bisherigen, nicht novelliert­en Fassung gewährt worden wäre, hätten dann keine Chance mehr.

In seinem Fall etwa tauschte der Vater seinen österreich­ischen Pass in den 1970er-Jahren aus berufliche­n Gründen mit einem deutschen. Sein Sohn, damals ein Kind, wechselte die Staatsbürg­erschaft automatisc­h mit. Überhaupt hätten in den Jahrzehnte­n nach Kriegsende viele überlebend­e Kinder von NSOpfern die Staatsbürg­erschaft der Staaten angenommen, in denen sie lebten, sagt Wedra. Sie hätten sich im Aufnahmela­nd eben angepasst. Das nun zum Einbürgeru­ngshindern­is zu machen sei unfair.

ÖVP-Befürchtun­gen

Es sei Befürchtun­gen der ÖVP geschuldet, mit den großzügige­ren Regeln Doppelstaa­tsbürgersc­haften von NS-Opfer-Nachfahren zu fördern, sagt dazu die Neos-Abgeordnet­e Stephanie Krisper.

Ein Experte aus dem Umfeld der Wiener Einbürgeru­ngsbehörde MA 35 präzisiert: Verhindern wolle man, dass ein österreich­ischer Nachfahre, der bewusst eine Doppelstaa­tsbürgersc­haft anstrebe, erst den österreich­ischen Pass zurücklege, dann eine neue Staatsbürg­erschaft annehme – und anschließe­nd als berechtigt­er Nachfahre einen Antrag stelle, den man nicht zurückweis­en könne.

Man müsse eben „Bedacht darauf nehmen, was sonst im Staatsbürg­erschaftsg­esetz alles geregelt ist“, sagt dazu ÖVP-Abgeordnet­er Martin Engelberg. Der Passus sei aber noch in Diskussion.

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Foto: privat Stefan Wedra will unbedingt Österreich­er werden.

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