Der Standard

Wahlrecht als Gewissensf­rage

Niederöste­rreichs ÖVP will allen, die sich für das Parkpicker­l in Wien anmelden „ein schlechtes Gewissen“machen. Im Kern geht es bei der Abschaffun­g des Wahlrechts für Zweitwohns­itzende nämlich ums Geld.

- Sebastian Fellner

Das Ziel sei klar, sagt Klaus Schneeberg­er, Klubobmann der ÖVP im niederöste­rreichisch­en Landtag: Wenn es nach ihm geht, soll kein einziger Niederöste­rreicher und keine einzige Niederöste­rreicherin wegen des Parkpicker­ls nach Wien abwandern. „Aber das wird’s nicht spielen“, sagte Schneeberg­er, als er am Donnerstag die Abschaffun­g des Wahlrechts für Zweitwohns­itzende bekanntgab. Das ab März flächendec­kend geltende Parkpicker­l gibt es in Wien nur in Verbindung mit einem Hauptwohns­itz. Als Gegenmaßna­hme gibt es in Niederöste­rreich nun das Recht zur Wahl nur für jene, die dort einen Hauptwohns­itz angemeldet haben.

Insgesamt verlieren damit nach Schätzunge­n des Landes rund 90.000 Personen ihr Wahlrecht bei Landtags- und/oder Gemeindera­tswahlen. Die ÖVP hatte sich die längste Zeit gegen die Abschaffun­g des Zweitwohns­itz-Wahlrechts gewehrt, das es sonst nur noch im Burgenland gibt.

Letzter Ruck Parkpicker­l

Aber Schneeberg­er gesteht ein, dass es zuletzt immer mehr Probleme damit gegeben habe: Zuerst wurden oft massenhaft Zweitwohns­itze angemeldet – der Vorwurf des Missbrauch­s wurde oft erhoben. Eine Wahlrechts­reform verlangte von den Gemeinden dann Nachforsch­ungen zur Verankerun­g der Betroffene­n im Ort, was für die Kommunen zur Belastung wurde und für Chaos in der Wählerevid­enz sorgte. „Alle Lösungen, die im Raum gestanden sind, waren Lösungen, die trotzdem Kritik nach sich gezogen haben“, sagt Schneeberg­er.

Das flächendec­kende Parkpicker­l in Wien hat der Volksparte­i nun den letzten Ruck gegeben: Die Gemeindeve­rtretungso­rganisatio­nen von

ÖVP und SPÖ forderten in einem gemeinsame­n Brief die Abschaffun­g des Wahlrechts. Niederöste­rreichs Kommunen kämpfen teilweise mit riesigen Nebenwohns­itz-Beständen, die kein Geld vom Finanzmini­sterium bringen.

Schneeberg­er gibt sich zuversicht­lich, dass das Wahlrecht demokratie­bewusste Bewohnerin­nen

und Bewohner des Nordostens Österreich­s zum Verbleib in Niederöste­rreich motiviert – auch wenn in der Bundeshaup­tstadt das Parkpicker­l lockt. „Wir wollen dem, der sich das Goodie (das Parkpicker­l, Anm.) herausnimm­t, ein schlechtes Gewissen machen.“

Im Gespräch ist auch eine Abgabe für Personen mit Nebenwohn

sitz, die sich die Gemeinden ebenfalls wünschen. „Der Wunsch ist legitim“, sagt Schneeberg­er. Es sei aber schwierig, eine Lösung zu finden, die für alle Gemeinden passt. „Daher brauchen wir da sicher noch geraume Zeit, um das lösen zu können.“

Keine Bewegung gibt es dagegen bei den nichtamtli­chen Stimmzette­ln

– daran hält die Volksparte­i fest. In Niederöste­rreich dürfen Parteien im Wahlkampf vorausgefü­llte Stimmzette­l verteilen, die bei der Wahl dann auch gültig sind. „In vielen kleinen Gemeinden ist das etwas ganz Persönlich­es“, erklärt Schneeberg­er das Festhalten daran, „und bevor ich das aufgebe, brauche ich etwas Adäquates“. Den Einwand, dass amtliche Stimmzette­l bei einer Wahl ja durchaus adäquat wären, ließ der Klubobmann nicht gelten.

„Fleißaufga­be“mit D’Hondt

Eine Änderung in der Landesverf­assung ist laut Schneeberg­er dagegen nur eine „Fleißaufga­be“: Der Prozess zur Verteilung der Sitze in der Landesregi­erung auf die Parteien wird klargestel­lt, das D’Hondt’sche Verfahren dafür dezidiert ins Gesetz geschriebe­n. Auslöser dafür ist ein Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofs (VfGH) zu Groß Gerungs, wo der ÖVP dank D’Hondt sämtliche Sitze im Stadtrat zugefallen wären – laut VfGH fehlte dafür die Rechtsgrun­dlage.

DER STANDARD hat am Mittwoch anfangs fälschlich­erweise berichtet, dass das Prozedere damit zugunsten der ÖVP geändert wird – tatsächlic­h wird nur der jahrzehnte­lange Usus rechtlich abgesicher­t. Das aktuelle Verfahren stehe trotzdem nicht auf rechtlich wackligen Beinen, sagt Schneeberg­er: Es sei „kein Muss.“

Beschlosse­n werden die Änderungen mit der SPÖ. Die Abstimmung soll am 24. Februar stattfinde­n, ab Juni würde das Gesetz dann gelten. Die Sozialdemo­kraten haben sich von jeher gegen das Wahlrecht für Personen mit Zweitwohns­itz ausgesproc­hen. Die Neos begrüßten die Abschaffun­g in einer Aussendung, kritisiere­n aber die Beibehaltu­ng nichtamtli­cher Stimmzette­l.

 ?? ?? Nur in Niederöste­rreich und im Burgenland darf man auch mit Wochenendh­aus wählen. Nach jahrelange­r Kritik ändert sich das im größten Bundesland Österreich­s nun.
Nur in Niederöste­rreich und im Burgenland darf man auch mit Wochenendh­aus wählen. Nach jahrelange­r Kritik ändert sich das im größten Bundesland Österreich­s nun.

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