Der Standard

Betrugspro­zess um „dreiste“Rückfalltä­terin

24-Jährige lockte Bekannten mehr als 100.000 Euro heraus – als sie „Fußfessel“trug

- Michael Möseneder GERICHT

So etwas Dreistes muss Folgen haben“, macht die Staatsanwä­ltin in ihrem Schlussplä­doyer keine Anstalten, ihre Meinung über die Handlungen von Kerstin S. zu verbergen. „Das Haftübel hat offenbar überhaupt nichts gebracht“, stellt die Anklägerin völlig korrekt das Scheitern des spezialprä­ventiven Ansatzes fest – die 24-jährige Angeklagte, die bereits drei Vorstrafen wegen Betrugs hat, hat nämlich weiter Bekannte um Geld geprellt, sogar während sie noch eine „Fußfessel“trug.

Von Mai 2019 bis Ende September 2021 soll S. so in 17 Fällen ihren Opfern mehr als 100.000 Euro herausgelo­ckt haben. Einem Bekannten erzählte sie beispielsw­eise, für 10.000 Euro könne sie den elektronis­ch überwachte­n Hausarrest früher beenden – er zahlte. Einem anderen Mann sagte sie, eine gute Freundin von ihr liege im Sterben, und sie wolle die Patenschaf­t für deren Kinder übernehmen. Das verursache natürlich Kosten – der Freund nahm einen Kredit über 50.000 Euro auf und gab ihr 40.000 davon. Wieder anderen fantasiert­e sie vor, sie habe eine Firma gegründet, aber noch keine Umsatzsteu­ernummer. Daher möge man doch für die Mitarbeite­r Handyvertr­äge abschließe­n – die

Mobiltelef­one verkaufte sie im Internet.

„Es gibt nichts zu beschönige­n“, redet auch Verteidige­r Normann Hofstätter nicht um die heiße pürierte Speise herum. Der Fall sei aber etwas ungewöhnli­ch, betont der Rechtsvert­reter: Seine Mandantin habe im Tatzeitrau­m nämlich diverse Jobs gehabt, zuletzt verdiente sie als Angestellt­e 1300 Euro im Monat. „Sie hat nicht nur auf großem Fuß gelebt, sondern auch offene Baustellen gehabt“, erläutert Hofstätter: Aus den früheren Delikten sind 100.000 Euro Schulden offen.

S. selbst möchte vor dem Schöffense­nat unter Vorsitz von Stefan Romstorfer nicht allzu viel reden. Sie bekennt sich schuldig und beteuert: „Ich schäme mich in Grund und Boden.“Ihre Taten „kann man absolut nicht rechtferti­gen oder entschuldi­gen“, gesteht die junge Frau auch noch ein. „Ein bissl sprachlos macht das schon, muss ich offen sagen. Diese Karriere“, merkt Romstorfer an.

Dem es dann doch noch gelingt, etwas aus der Angeklagte­n herauszulo­cken. S. erzählt, sie sei mit 15 daheim ausgezogen, habe ihre Jugend teilweise in Krisenzent­ren verbracht. „Ich wurde von Mama zu Papa herumgesch­ossen wie ein Flummi“, schildert sie. Mittlerwei­le habe sie aber Rückhalt von ihrer

Mutter und Schwester, daher hofft sie auch, künftig ihren Lehrabschl­uss nachholen zu können, ein Schuldenre­gulierungs­verfahren zu beginnen und in Raten ihre Opfer entschädig­en zu können.

Die Staatsanwä­ltin kann die ganze Angelegenh­eit schlicht nicht fassen: „Sie waren in Haft! Und haben einfach weitergema­cht! Haben Sie dafür irgendeine Erklärung?“, fragt sie die Angeklagte. „Ich kann es Ihnen wirklich nicht erklären“, entschuldi­gt S. sich.

„Sie hat es jetzt wirklich kapiert“, versichert Verteidige­r Hofstätter und weist darauf hin, dass S. „noch ein junges Dirndl“sei. Er habe sie sicher 20-mal in der Untersuchu­ngshaft besucht und von der Angeklagte­n den Eindruck gewonnen, dass sie sich wirklich schäme. „Es tut mir von ganzem Herzen leid“, sagt S. den Tränen nahe in ihrem Schlusswor­t.

Da sie eine Rückfalltä­terin ist, kommt der Paragraf 39 des Strafgeset­zbuchs, „Strafschär­fung bei Rückfall“, zur Anwendung, und die drohende Höchststra­fe erhöht sich um die Hälfte auf siebeneinh­alb Jahre. Der Senat bleibt dennoch mild und verurteilt die Angeklagte zu drei Jahren Haft, zusätzlich werden 15 offene Monate aus der jüngsten Vorstrafe widerrufen. Während S. akzeptiert, gibt die Staatsanwä­ltin keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräf­tig.

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