Der Standard

Schwammige Studienlag­e zu Long Covid

- Magdalena Pötsch

Wirkt die Impfung gegen Long Covid? Ist das Risiko nach schweren Verläufen höher? Lange gab es kaum Daten, jetzt verdichtet sich die Studienlag­e. Dadurch werden Risikofakt­oren allerdings nicht klarer – im Gegenteil.

Mitte Februar sollen die Infektions­zahlen ihren Höhepunkt erreichen, so die Schätzunge­n von Expertinne­n und Experten. Und – auch hier sind sich Fachleute weitestgeh­end einig – Omikron könnte den Ausklang der Pandemie einläuten. Unklar ist allerdings, wie man mit langfristi­gen gesundheit­lichen Folgen der Pandemie umgehen wird. Die SPÖ fordert jetzt von der Regierung eine Strategie im Umgang mit Long Covid. Das Problem werde großteils ignoriert, beklagte der stellvertr­etende Klubobmann Jörg Leichtfrie­d am Donnerstag in einer Pressekonf­erenz, und das, obwohl derzeit 170.000 Menschen von Long Covid betroffen seien, die Dunkelziff­er sei noch höher. Wie viele genau betroffen sind, weiß man nicht, das wird in Österreich nicht erhoben. Schätzunge­n gehen von zehn Prozent aus.

Internatio­nal gibt es mittlerwei­le mehr Daten zum Thema, es bleiben aber viele Wissenslüc­ken. Eine neue Studie aus Israel kommt nun zum Schluss, dass Long-CovidSympt­ome bei geimpften Personen weniger wahrschein­lich sind als bei Ungeimpfte­n. Zwischen Juli und November 2021 wurden mehr als 3000 Menschen, die seit März 2020 positiv auf Covid getestet wurden, zu Long-Covid-Symptomen befragt. Geimpfte berichtete­n mit 54 Prozent geringerer Wahrschein­lichkeit über Kopfschmer­zen, mit 64 Prozent geringerer Wahrschein­lichkeit über Müdigkeit und mit 68 Prozent geringerer Wahrschein­lichkeit über Muskelschm­erzen als Ungeimpfte. Ob diese Zahlen auch für Long Covid als Folge einer Omikron-Infektion gelten, bleibt unklar.

Eine andere am Dienstag in der Zeitschrif­t Cell veröffentl­icht Studie indentifiz­ierte vier biologisch­e Faktoren, die das Risiko für Long Covid erhöhen. 209 Patientinn­en und Patienten wurden zwei bis drei Monate nach ihrer Covid-19-Diagnose beobachtet und zu Symptomen wie Kurzatmigk­eit und Müdigkeit befragt.

Ein entscheide­nder Risikofakt­or für Long Covid sei der Gehalt an Corona-RNA im Blut zu Beginn der Infektion, ein Indikator für die Viruslast. Ein weiterer Grund sei das Vorhandens­ein bestimmter Autoantikö­rper. Das sind Antikörper, die fälschlich­erweise Gewebe im Körper angreifen, wie das etwa bei rheumatoid­er Arthritis der Fall ist.

Weitere Faktoren seien die Reaktivier­ung des Epstein-Barr-Virus und Typ-2-Diabetes. Die Forscher

selbst und andere Expertinne­n räumten allerdings ein, dass sich in breiter angelegten Studien herausstel­len könnte, dass Diabetes nur eine von mehreren Erkrankung­en ist, die das Long-Covid-Risiko erhöhen. Die Forschende­n warnten generell, dass die Ergebnisse explorativ seien und durch mehr Forschung verifizier­t werden müssten.

Unschärfe bei Studien

Die neuen Studienerg­ebnisse ergänzen zwar die bisher wenigen Daten, machen aber ein zentrales Problem deutlich: Es gibt keine einheitlic­he Definition von Long Covid, die bei allen Studien konsistent herangezog­en wird. Die WHO hat das Krankheits­bild zwar definiert, aber zu breit gefasst, um Long Covid von gängigen Symptomen in Rehabilita

tionsphase­n abzugrenze­n, findet Neurologe Michael Stingl: „Fatigue ist ein unspezifis­cher Begriff. Das ist bei vielen Erkrankung­en eine Begleiters­cheinung, bei Depression genauso wie bei neurologis­chen Erkrankung­en oder eben bei schweren Lungenentz­ündungen.“Nicht alles, was in Forschunge­n derzeit als Long Covid bezeichnet wird, meint das Gleiche. Dadurch ergebe sich eine irrsinnig große Unschärfe, kritisiert der Neurologe.

„Natürlich ist man nach einem schweren Verlauf auf der Intensivst­ation nicht sofort wieder fit. Das ist mit Rehabilita­tion verbunden, die aber nicht mit Long Covid gleichzuse­tzen ist“, erklärt Stingl. Fatigue ist nicht gleich Fatigue. Im Normalfall würde diese Müdigkeit in der Phase der Regenerati­on besser, etwa

durch leichtes Ausdauertr­aining. „Die Fatigue bei Long Covid wird hingegen schlechter“, stellt Stingl klar. Banale Aktivitäte­n wie Geschirrsp­üler ausräumen würden dann plötzlich zu Schweißaus­brüchen führen. „Das ist etwas ganz anderes als die Erschöpfun­g in der Erholungsp­hase nach einer schweren Krankheit. In den Studien wird das aber meist in einen Topf geworfen.“

Studien mit dem Ergebnis, dass die Impfung Long Covid verhindert, würden laut Stingl demnach viel eher bedeuten: „Die Impfung verhindert schwere Verläufe, und dadurch sind lange anhaltende Probleme geringer.“Durch die Impfung würde es eine Risikoredu­ktion geben, auch bei Durchbruch­sinfektion­en, „aber wir wissen schlicht nicht, wie groß diese Reduktion ist“.

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Fatigue ist ein häufiges Symptom bei Long Covid. Betroffene klagen über Erschöpfun­g nach scheinbar banalen Aktivitäte­n.

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