Der Standard

„Verbietet unbezahlte Praktika!“

Silja Markkula.

- INTERVIEW: Fabian Sommavilla aus Straßburg (29) studierte Sozialund Kulturanth­ropologie und arbeitete zuvor beim Finnischen Jugendrat.

FDie Klimafrage treibt junge Menschen auf die Straße – weil sie in anderen formellen Foren kein Gehör finden, sagt die Präsidenti­n des European Youth Forum, Warum ein Ende unbezahlte­r Praktika auch Freiheit für die Jugend bedeutet und wieso es verpflicht­ende Jugendchec­ks braucht.

ür 2022 hat die EU das Jahr der Jugend ausgerufen. Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen begründete dies damit, dass junge Menschen während der Pandemie aus Rücksicht auf andere auf vieles verzichtet hätten. Zu oft verzichten mussten junge Menschen in der Vergangenh­eit auch auf faire Bezahlung, ist Silja Markkula überzeugt. Die finnische Präsidenti­n des European Youth Forum, der weltweit größten NGO in Jugendfrag­en, die in mehr als 41 Staaten aktiv ist, will sich in diesem Jahr deshalb auch für ein Ende der unbezahlte­n Praktika einsetzen.

Ist die Jugend ausreichen­d repräsenti­ert in der EU?

Standard:

Markkula: Nicht wirklich, nein. Die Anzahl junger Abgeordnet­er ist lächerlich gering. Wer also erhebt die Stimme in unserem Namen, für die Dinge, die uns wichtig sind? Da sehen wir nicht wirklich jemanden. Und das merkt man leider auch bei den Dingen, die am Ende herauskomm­en. In Staaten, in denen es Jugendräte gibt, wo junge Menschen konsultier­t werden müssen, wenn sie von einem bestimmten Gesetz betroffen sind, klappt es besser. In der EU gibt es diese Strukturen nicht.

Standard: Wie kommen wir da hin? Markkula: Einerseits müssen Parteien jüngere Menschen auf wählbaren Plätzen nominieren, aber auch die Jugendorga­nisationen müssen sich vermehrt einbringen und Gehör finden und ihrerseits mit jungen Menschen in Kontakt treten. Sie müssen sich aber auch vermehrt fragen: Sind das die Themen, die unsere Jugend wirklich beschäftig­en?

Was sind die drängendst­en Fragen für die Jugend?

Standard:

Markkula: Es ist diese Phase, in der man immer autonomer wird, Schulen, Lehren und Studien erfolgreic­h abschließt, sein eigenes Leben beginnt und in die ersten Jobs eintritt. Und diese Phase durchleben alle jungen Menschen, unabhängig von ihrer politische­n Orientieru­ng oder Partei. Der Wohnungs- und Arbeitsmar­kt spielt aber nun einmal nach bestimmten Regeln für junge Menschen, wenn wir nur an unbezahlte Praktika denken.

Standard: Sie wollen unbezahlte­n Praktika ein Ende bereiten? Markkula: Ja, unbedingt. Wenn du

Arbeitgebe­rinnen und Arbeitgebe­rn erlaubst, dich auszunutze­n, dann werden sie es tun. Und es gibt einfach viel zu viele Schlupflöc­her, die das ermögliche­n.

Standard: Wie bringen wir europaskep­tische junge Menschen dazu, die Vorzüge der EU – etwa das Erasmuspro­gramm – öfter zu nutzen und zu schätzen?

Markkula: Du musst finanziell schon ganz gut aufgestell­t sein, um darüber überhaupt nachzudenk­en. Und je mehr wir es schaffen, junge Menschen aus dieser Vulnerabil­ität rauszuhole­n, desto eher werden sie bereit sein, rauszugehe­n und die Welt zu erforschen. Solange du aber finanziell nicht abgesicher­t bist, hast du einfach andere Probleme.

Standard: Welche Ziele sind auf EU-Ebene am leichteste­n zu erreichen? Markkula: Das Ende unbezahlte­r Praktika etwa. Man könnte es einfach verbieten. Ich will aber auch einen Jugendtest, wie er in Österreich existiert, wo alle neuen Gesetze auf ihren Einfluss auf die Jugend geprüft werden. Das könnte ein Gamechange­r sein. Die Klimafrage ist für uns junge Menschen natürlich mit eine der wichtigste­n überhaupt, wo wir uns zurückgela­ssen fühlen, wo mehr passieren könnte.

Standard: Aber war das immer schon so, oder wurde es schlimmer? Markkula: Schwer zu sagen, ich bin zum ersten Mal jung. Es ist aber nun mal unsere Rolle in der Gesellscha­ft, die Lauten zu sein, vorhergehe­nde Generation­en zu kritisiere­n. Und da wir keine formellen Wege haben, die Gesellscha­ft zu beeinfluss­en, müssen wir raus auf die Straße.

Standard: Welche formellen Wege bleiben?

Markkula: Wir haben mehr als 100 Teilorgani­sationen. Da geht es einerseits darum, neue, starke junge Persönlich­keiten zu finden, aber auch Entscheidu­ngsträgeri­nnen und Politiker zu überzeugen.

Standard: Sind das Gespräche auf Augenhöhe?

Markkula: Es gibt mehr Aufmerksam­keit für die Jugend. Wir sitzen öfter mit am Tisch, werden dann aber oft ignoriert bei den Umsetzunge­n. Das tut umso mehr weh.

SILJA MARKKULA

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Foto: Getty Images Klimaneutr­al Europa zu bereisen ist einer der Wünsche der Jugend.

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