Der Grüne, der Jungen „einen Batzen Geld“schenken will
Niklas Nienaß findet die Plenardebatten zu langweilig
Ein paar Tausend Euro, bar auf die Hand zum 18. Geburtstag: Wer würde da schon Nein sagen? Niklas Nienaß ist begeistert von dieser Idee und glaubt an ihre Finanzierbarkeit. Der 29-jährige Abgeordnete der deutschen Grünen sieht in diesem Konzept einen Weg zu mehr Chancengleichheit. Wer nach Lehre, Ausbildung oder Studium „einen Batzen Geld überwiesen bekommt“, könne die erste Firma gründen, von der schon immer geträumt wurde, oder das finanzielle Risiko abfedern, doch noch spät zu studieren, oder reisen oder sparen, und dafür etwas weniger arbeiten. Zu oft scheitere die eigene Kreativität an den finanziellen Mitteln, ist Nienaß überzeugt. „Wenn du das Geld nicht hast, bringt dir die ganze Bildung oder deine geile Idee nichts.“
Generell laufe beim Thema Jugendarbeitslosigkeit noch zu vieles fatal falsch. So werden in Deutschland immer noch neue Lehrlinge in der Kohlebranche angestellt – trotz absehbaren Kohleausstiegs. „Völlig absurd“, sagt der Parlamentarier.
Nienaß, der in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen und 2013 an die Ostsee nach Rostock gezogen ist – um den ehemaligen Osten des Landes besser zu verstehen, wie er einmal sagte –, merkt man seine Leidenschaft für parlamentarische Arbeit schnell an. Mindestens gleich leidenschaftlich ist seine Ablehnung „maroder und alter Strukturen“im Parlament.
„Das guckt sich doch keiner freiwillig an, so langweilig ist das teilweise“, sagt der auf
Europarecht spezialisierte Jurist über die Debatten im EU-Parlament. Wenn das EU-Parlament die Basis für europäischen Dialog und Diskurs sein will, müssten sich zahlreiche Dinge grundlegend ändern. Mit den Young Europeans, einem parteiübergreifenden Zusammenschluss junger Abgeordneter, der inhaltliche Diskussionen bewusst außen vor lässt, will er genau das bewirken.
Er will lebendigere Diskussionen entfachen, keine Einminutenbeiträge für den eigenen Social-Media-Kanal. Bürgerinnen, Journalisten und auch die anderen Abgeordneten müssen wieder für die Diskussionen im Plenum begeistert werden. Nur dann sei auch ein echter inhaltlicher Wandel möglich.
Die neue Arbeitswelt aber käme in Straßburg und Brüssel nur sehr schleppend an. „Man will als junger Mensch hier doch gar nicht arbeiten“, sagt Nienaß. Beruf und Arbeit unter einen Deckel zu bringen, sei quasi gar nicht vorhergesehen – alles auf Politrentner abgestimmt. Ausgerechnet Corona habe durch das Remote-Arbeiten aber zu einigen wenigen Besserungen geführt, von denen er hofft, dass sie erhalten blieben.
Viel Blabla, zu wenig Aktion
Das grüne Kernpolitikum, die Klimapolitik, sei ein mühsamer Kampf in Brüssel und Straßburg. Viele würden darüber reden, weil das Thema gerade „en vogue“sei, aber zu wenige würden handeln, zu wenige Gesetze würden am Ende herauskommen. „Wir müssen hier um jeden kleinen Mini-Step kämpfen.“ Tendenziell sähen die Jüngeren das Problem aber einfach als akuter und brisanter an. Mit den konservativen Mehrheiten im EU-Parlament sei der Fortschritt, den er und viele junge Menschen sich erwarten, aber eben nicht immer im gewünschten Ausmaß zu erreichen. Da werde schon einmal sinnvolle Klimapolitik zugunsten der eigenen Interessen im Heimatland torpediert.
Abseits davon tritt Nienaß vor allem für gleiche Bildungschancen ein, weiß aber, dass die Kompetenzen der EU dahingehend limitiert sind. Darauf aufmerksam zu machen, gilt es trotzdem. Und vielleicht gibt es eines Tages ja die tiefer integrierte EU, mit der auch das möglich wäre. Nienaß’ Argument für die Zukunft ist auch ein pessimistischer Blick nach hinten: „In der Vergangenheit war schon auch richtig vieles scheiße!“