Der Standard

Litauen-China-Streit landet vor der WTO

Der hochpoliti­sche Streit über die Repräsenta­nz Taiwans in Vilnius beschäftig­t nun die Welthandel­sorganisat­ion (WTO). Dort will die Europäisch­e Kommission gegen die Handelsblo­ckade der Volksrepub­lik China bekämpfen.

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Der Konflikt zwischen China und Litauen wird schärfer. Nun hat sich auf Betreiben der Europäisch­en Kommission die Welthandel­sorganisat­ion (WTO) eingeschal­tet. „Die EU wird geschlosse­n und unverzügli­ch gegen Maßnahmen vorgehen, die gegen die WTO-Regeln verstoßen und die Integrität des Binnenmark­ts bedrohen“, sagte EU-Handelskom­missar Valdis Dombrovski­s am Donnerstag. „Gleichzeit­ig setzen wir unsere diplomatis­chen Bemühungen zur Entschärfu­ng der Lage fort.“

Peinlich an der Geschichte ist, dass es der EU bisher nicht gelungen ist, einstimmig Position zu beziehen, und man nun einen Schlichter benötigt. Das liegt vor allem an der unrühmlich­en Rolle Berlins und des neuen Bundeskanz­lers Olaf Scholz (SPD). Eine kurze Revue der Ereignisse der vergangene­n Monate:

Im Juli eröffnete Taiwan eine Repräsenta­nz in der litauische­n Hauptstadt Vilnius. Offizielle diplomatis­che Vertretung­en wie eine Botschaft darf Taiwan ohnehin nicht eröffnen, weil Peking die Insel als abtrünnige­n Teil des Staatsgebi­etes betrachtet und internatio­nal auf Staaten, die sich daran nicht halten, massiv Druck ausübt. Nicht einmal das Wort „Taiwan“darf fallen, weshalb bei derartigen Vertretung­en oft von „Taipeh, China“die Rede ist. In Vilnius aber ist explizit von einer „taiwanisch­en Repräsenta­nz“die Rede.

Peking schäumt und kündigte einen Boykott aller Waren aus Litauen an. Litauen ist zwar EU-Mitgliedsl­and, aber an dieser Stelle ließe sich der Konflikt noch auf bilaterale­r Ebene lösen.

Allerdings produziere­n einige deutsche Automobilz­ulieferer Teile

in Litauen, die später in die Volksrepub­lik exportiert werden. Da diese nun auch unter den Boykott fallen, üben die Unternehme­n Druck auf die deutsche Bundesregi­erung aus. Insbesonde­re der Autozulief­erer und Reifenhers­teller Continenta­l soll von dem Boykott betroffen sein, aber auch kleinere Unternehme­n.

Zu aggressiv?

Chinas Zollstatis­tiken zeigten im Dezember einen Rückgang der litauische­n Ausfuhren nach China um 91 Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat – vor allem in den Bereichen Pharmazeut­ika, Laser, Elektronik und Lebensmitt­el.

Wie das Magazin Politico berichtete, soll Kanzler Scholz eine gemeinsame Rückendeck­ung Litauens durch die EU verhindert haben. Scholz und Co hielten die Antwort der EU auf Chinas wirtschaft­lichen

Druck für „zu aggressiv“. Man habe deshalb die Kommission aufgeforde­rt, den Ton zu mäßigen. Das wiederum steht im Gegensatz zur Position Frankreich­s. Paris hatte Peking vergangene Woche für seinen Angriff auf den gemeinsame­n Markt kritisiert.

Die chinesisch­en Sanktionen zielten darauf ab, den europäisch­en Binnenmark­t zu schwächen, betonte die parlamenta­rische Staatssekr­etärin im Wirtschaft­sministeri­um, Franziska Brantner, am Donnerstag. „Das können wir nicht zulassen.“

Deutsche Automobilk­onzerne und ihr Einfluss auf die deutsche Regierung hinsichtli­ch der China-Politik sind inzwischen berüchtigt: Noch 2019 lobte Volkswagen-Konzernche­f Herbert Diess China für seine „Beschäftig­ungspoliti­k“in der von Uiguren bewohnten Provinz Xinjiang. Diess antwortete auf die Frage eines

Reporters der BBC, was er von den Arbeitslag­ern halte, dass ihm „davon nichts bekannt sei“.

In Litauen diskutiert man nun darüber, ob man sich dem Druck Pekings und Berlins beugen und deswegen die taiwanisch­en Amtskolleg­en bitten soll, die chinesisch­e Übersetzun­g des Namens von Taiwans Repräsenta­nz zu ändern. Durch das nun eingeleite­te WTO-Streitbeil­egungsverf­ahren hat Peking nun 60 Tage Zeit, sein Vorgehen zu erklären.

Das chinesisch­e Außenamt erklärte, in Übereinsti­mmung mit WTO-Regeln zu handeln. Der Streit habe einen politische­n und keinen wirtschaft­lichen Hintergrun­d. „Wir erinnern die EU daran, sich vor Litauens Versuch, die Beziehunge­n zwischen China und der EU zu kapern, in Acht zu nehmen“, sagte Ministeriu­mssprecher Zhao Lijian.

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Strategisc­h vorausscha­uende Züge sind im Konflikt zwischen China, Litauen, Taiwan und der EU gefragt.

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