Der Standard

Abgründige Liebe

- Katharina Rustler

Die aufwendig gestaltete Ausstellun­g „Dalí – Freud. Eine Obsession“macht die Einflüsse des Wiener Vaters der Psychoanal­yse auf die Bildsprach­e des spanischen Surrealist­en greifbar. Intim, wenngleich stellenwei­se die Tiefe fehlt.

Zu diesem Anlass wird sogar das spanische Königspaar nach Österreich reisen. Immerhin treffen zwei Nationalik­onen aufeinande­r: Mit eineinhalb­jähriger Verspätung wird im Unteren Belvedere die Ausstellun­g Dalí – Freud. Eine Obsession eröffnet. Der Surrealist Salvador Dalí und der Psychoanal­ytiker Sigmund Freud verband eine innige Affinität – wobei diese nicht unbedingt auf Gegenseiti­gkeit beruhte. Felipe und Letizia werden die Ausstellun­g am Montag offiziell eröffnen, ab heute darf sie schon von Publikum besucht werden.

Vorausgese­tzt, dieses findet den leicht versetzten Eingang ins Untere Belvedere, das nun frisch saniert wieder öffnet. Obwohl in den Ausstellun­gsräumen keine sichtbaren Veränderun­gen vorgenomme­n wurden, wird es die Orangerie kaum wiedererke­nnen. Für die Schau wurde der längliche Saal von Margula Architects offen gestaltet und in ein fleischig rotes Kleid gehüllt: Wände und Fußboden scheinen fast amorphe Züge anzunehmen. Wie in einem Fiebertrau­m können in fünf Stationen die Einflüsse von Freuds Theorien auf Dalís malerische Bildwelten nachvollzo­gen werden: ein Blick in die Abgründe bizarrer Träume, absurder Fantasien und Ängste.

Zahlreiche Ausstellun­gsobjekte wie Briefe, Zeichnunge­n, Bücher, Magazine und Filme belegen die Obsession. In der Unterzahl sind die Gemälde: Insgesamt gibt es 16 Originale Dalís zu sehen. Grund dafür sei die Schwierigk­eit, Werke aus der Zeit von 1929 bis 1937 geliehen zu bekommen, da diese oft konservato­risch fragil seien, erklärt Gastkurato­r Jaime Brihuega. Zusätzlich haben die Werke des Malers ihren Preis: Mit 700.000 Euro gilt die Schau für das Museum als ungewöhnli­ch teuer.

Sehnsucht und Kastration

Bereits 2014 entstand die Idee für die Schau, wobei das einzige Treffen der beiden Männer 1938 ausschlagg­ebend war. Begonnen hatte dieses intensive Interesse seitens Dalís, als er in den 1920er-Jahren Zugang zu den Übersetzun­gen von Freuds Schriften – allen voran Die Traumdeutu­ng – hatte und den Arzt abgöttisch zu verehren begann. Dieser wurde Idol und Schutzpatr­on der Surrealist­en. Ja sogar als „Vaterfigur“bezeichnet­e ihn Dalí einmal.

Der Maler sah seine eigenen Werke als Rätsel des Unbewusste­n, die nur Freud gänzlich verstehen könne. Gepaart mit den Einflüssen des Surrealism­us, mit denen er 1929 in Berührung kam, fand Dalí Legitimati­on durch Freuds Theorien und so schließlic­h zu seiner einzigarti­gen

Ikonografi­e. Als exemplaris­ches Schlüsselw­erk dafür sieht Brihuega das nur selten ausgestell­te Das finstere Spiel. Es weise ein „regelrecht­es Inventar von Obsessione­n, unterdruc̈ kten Begierden, sexuellen Frustratio­nen, Angst vor der Ub̈ erschreitu­ng von Tabus“auf.

Angeblich soll der Maler mehrmals versucht haben, Freud in Wien anzutreffe­n, belegt ist allerdings nur eine Reise. Erst 1938 konnte auf Vermittlun­g von Edward James und Stefan Zweig ein Treffen im Londoner Exil arrangiert werden. Dabei brachte Dalí sein Werk Metamorpho­se des Narziss und seine theoretisc­hen Schriften mit, um sie Freud zu zeigen. Der exzentrisc­he Künstler schien danach eher enttäuscht, wie er schriftlic­h festhielt. Er durfte Freud zwar zeichnen, für ihn hatte es aber „keine Funken“gegeben.

Freud hingegen änderte seine Meinung. Bis dahin hatte er die Surrealist­en für „absolute Narren“gehalten, wie er an Zweig schrieb. „Der junge Spanier mit seinen treuherzig fanatische­n Augen und seiner unleugbare­n technische­n Meistersch­aft hat mir eine andere Schätzung nahegelegt.“Mit dem lang ersehnten Treffen endet die Ausstellun­g. Freuds Tod ein Jahr später beendete Dalís Freud’sche Phase.

Um diese Entwicklun­g nachzuvoll­ziehen, geht die Schau chronologi­sch vor und beginnt – wie kann es anders sein – mit der Kindheit. Was hat zu den Neurosen Dalís geführt? Der jähzornige Vater? Der Tod des älteren Bruders, dessen Namen er übernehmen musste?

Sexuelle Ängste, Verluste und Phobien werden in Werken wie Ich

im Alter von zehn Jahren, als ich ein Heuschreck­enkind war (Kastration­skomplex) verarbeite­t und überdeutli­ch mit Freuds Theorien in Verbindung gesetzt. Die Zypresse als Phallussym­bol taucht immer wieder auf.

Enge Begegnunge­n

In der sehr eng arrangiert­en Ausstellun­gsarchitek­tur dienen dunkle Möbel (Hommage an Friedrich Kiesler) als cleane Displays für die Objekte. Das macht die Begegnung vor allem mit den kleinforma­tigen Werken ungemein intim, viel Platz zur Betrachtun­g bleibt jedoch nicht.

Im Zentrum steht Dalís „paranoisch-kritische Methode“. Das 1936 veröffentl­ichte Konzept sollte es der Kunst möglich machen, das Unbewusste gleichwert­ig wie die Psychoanal­yse zu erforschen. In dem Gemälde Schwäne spiegeln Elefanten wider wandte er die dafür typisch doppeldeut­igen Kippbilder an.

Etwas schade ist, dass kein einziges Werk mit dem passenden Motiv der Schublade als ergründbar­e Psyche zu sehen ist, von denen Dalí zahlreiche malte. Eine weitere Absenz: Am Schluss hängt nicht das Original von Metamorpho­se des Narziss, sondern eine als Wandbild aufgezogen­e Vergrößeru­ng, da das in der Londoner Tate Modern beheimatet­e Werk nicht nach Wien reisen durfte. Als Demonstrat­ion funktionie­rt das aber überrasche­nd gut. Genauso wie es die klare Narration der Ausstellun­g tut. Detaillier­te Erklärunge­n zu Symbolen im Bildkosmos bleiben jedoch verwehrt, und somit eine inhaltlich­e Tiefe. Eine erzwungene Erforschun­g der Abgründe einer surrealen Welt? Bis 29. 5.

 ?? ?? Doppeldeut­ige Kippbilder: Das Gemälde „Schwäne spiegeln Elefanten wider“steht exemplaris­ch für Dalís „paranoisch-kritische Theorie“.
Doppeldeut­ige Kippbilder: Das Gemälde „Schwäne spiegeln Elefanten wider“steht exemplaris­ch für Dalís „paranoisch-kritische Theorie“.

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