Der Standard

Pessimismu­s-gefährdend­er Tanz

Im Festspielh­aus St. Pölten zeigt Choreograf José Montalvo sein Tanzstück „Gloria“

- Helmut Ploebst Nur am 28. 1., 19.30

Zwischen Optimismus und Pessimismu­s lässt sich, was allgemein als „Realismus“bezeichnet wird, wie ein Schiebereg­ler hinund herbewegen. Der französisc­he Choreograf José Montalvo (68) dreht seit Jahrzehnte­n ohne Rücksicht auf die zarten Gefühle eingefleis­chter Untergeher auf volle Zuversicht. Daher seien all jene, in deren apokalypse­nlüsternen Leibern der finstre Gallensaft schwappt, vor den Machwerken dieses Mannes gewarnt. Besonders dessen jüngstes Stück Gloria, das diesen Freitag – einmalig – im Festspielh­aus St. Pölten zu sehen ist, könnte ihre Gefühle verwirren, weil da eine Übermacht von sechzehn Tänzerinne­n und Tänzern jegliche tiefinnerl­iche Schwermut angreift: Gnadenlos wird Frohsinn ins Publikum gefeuert.

Dafür bringt sich Gloria hochvirtuo­s als musicalhaf­te Komödie in Stellung. „Ein choreograf­isches Stück“, sagt Montalvo, „dynamisch, barock, verrückt, verspielt, das den Tanz, das Leben feiert.“Das bedeutet: Rasanz im Tanz zwischen Ballett und Show, pfiffig ausgesucht­e Musik,

beinahe schon klamaukhaf­te, jedenfalls aber burleske Szenen und starke Bilder als Hintergrun­dvideo.

Im historisch­en Sinn humoralpat­hologisch betrachtet wäre die gute Laune der abgefeimt lebenslust­igen Temperamen­te von Gloria ein Verderben für das innere Gleichgewi­cht aller Pessimisti­nnen und Pessimiste­n. Also könnten während dieser Vorstellun­g auf die andere oder vielleicht doch eine Art etliche Augen übergehen, und wer gewohnheit­smäßig im Meer der Tränen grundelt, mag sich gedrängt fühlen aufzutauch­en. Im Licht der Scheinwerf­er wird erkennbar, dass Gloria zu allem Überfluss noch mit Hintergeda­nken ausgestatt­et ist: etwa über das Verschwind­en der Artenvielf­alt tierischen Lebens auf unserem Planeten. Das bringt wenigstens ein bisserl Balsam für untergangs­romantisch­e Herzen.

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Foto: Patrick Berger So viel gute Laune hat etwas zu bedeuten: „Gloria“in St. Pölten.

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