Pessimismus-gefährdender Tanz
Im Festspielhaus St. Pölten zeigt Choreograf José Montalvo sein Tanzstück „Gloria“
Zwischen Optimismus und Pessimismus lässt sich, was allgemein als „Realismus“bezeichnet wird, wie ein Schieberegler hinund herbewegen. Der französische Choreograf José Montalvo (68) dreht seit Jahrzehnten ohne Rücksicht auf die zarten Gefühle eingefleischter Untergeher auf volle Zuversicht. Daher seien all jene, in deren apokalypsenlüsternen Leibern der finstre Gallensaft schwappt, vor den Machwerken dieses Mannes gewarnt. Besonders dessen jüngstes Stück Gloria, das diesen Freitag – einmalig – im Festspielhaus St. Pölten zu sehen ist, könnte ihre Gefühle verwirren, weil da eine Übermacht von sechzehn Tänzerinnen und Tänzern jegliche tiefinnerliche Schwermut angreift: Gnadenlos wird Frohsinn ins Publikum gefeuert.
Dafür bringt sich Gloria hochvirtuos als musicalhafte Komödie in Stellung. „Ein choreografisches Stück“, sagt Montalvo, „dynamisch, barock, verrückt, verspielt, das den Tanz, das Leben feiert.“Das bedeutet: Rasanz im Tanz zwischen Ballett und Show, pfiffig ausgesuchte Musik,
beinahe schon klamaukhafte, jedenfalls aber burleske Szenen und starke Bilder als Hintergrundvideo.
Im historischen Sinn humoralpathologisch betrachtet wäre die gute Laune der abgefeimt lebenslustigen Temperamente von Gloria ein Verderben für das innere Gleichgewicht aller Pessimistinnen und Pessimisten. Also könnten während dieser Vorstellung auf die andere oder vielleicht doch eine Art etliche Augen übergehen, und wer gewohnheitsmäßig im Meer der Tränen grundelt, mag sich gedrängt fühlen aufzutauchen. Im Licht der Scheinwerfer wird erkennbar, dass Gloria zu allem Überfluss noch mit Hintergedanken ausgestattet ist: etwa über das Verschwinden der Artenvielfalt tierischen Lebens auf unserem Planeten. Das bringt wenigstens ein bisserl Balsam für untergangsromantische Herzen.