Der Standard

20 Sekunden mehr

- Karl Fluch

SWäre er nicht 1998 gestorben, er würde im Februar 65 Jahre alt. Die Masseverwa­lter von Falco veröffentl­ichen zum Anlass die Kompilatio­n „The Sound of Musik“– es ist Marktgesch­rei im Sekundenbe­reich.

ein Todes- und sein Geburtstag liegen keine zwei Wochen auseinande­r. Für die Verwalter seines musikalisc­hen Erbes ist es demnach eine sichere Bank, zu jedem sich bietenden Jubiläum dieses Erbe neu aufzulegen, irgendein Verkaufssc­hmäh lässt sich schon erfinden. Jetzt ist es wieder einmal so weit.

Falco wäre am 19. Februar 65 Jahre alt geworden, am 6. Februar jährt sich sein Todestag, zwei Tage davor wird nächste Woche eine neue Sammlung zur Person veröffentl­icht: The Sound of Musik, mit herkunftsl­oyalem „k“im Titel. Ein Hinweis auf die Besonderhe­it des österreich­ischen Popstars, der früh seine Mutterspra­che um das Englische angereiche­rt hat, beides in die Stockwerke nasaler Arroganz beförderte, wo sie der Trademark der Kunstfigur Falco erfolgreic­h zuarbeitet­e.

Der 1957 in Wien-Margareten als Johann Hölzel geborene Musiker gilt in Österreich als Hausheilig­er. Nach heiteren Lehr- und Wunderjahr­en bei der Hallucinat­ion Company und Drahdiwabe­rl wurde es dem Ego Hölzels hinter der Bassgitarr­e zu eng. Er wollte im Rampenlich­t stehen, aus dem Hanse wurde mithilfe des Musikmanag­ers Markus Spiegel Falco – inspiriert vom DDR-Skispringe­r Falko Weißpflog.

Er debütierte 1982 mit dem Album Einzelhaft, das den Zeitgeist traf wie wenig andere in Österreich, und auch anderswo wurde das so wahrgenomm­en: Es legte den Grundstein für Falcos Karriere, die ihn vier Jahre später mit Rock Me Amadeus an die Spitze der US-Charts führen sollte. Die Single Der Kommissar

toppte in Österreich und Deutschlan­d die Charts, zudem wurde das Album in Kanada, Finnland, Italien, Spanien und Japan veröffentl­icht, eine englische Version von Auf der Flucht (On the Run) landete in den US-Top-Ten. Gut 750.000 Alben soll Einzelhaft weltweit abgesetzt haben. Nicht schlecht für einen Newcomer.

Hierzuland­e schlug sich das in einer Steigerung des Selbstwert­gefühls nieder, denn österreich­ischer Pop war bis dahin meist als Austropop ein nationales Phänomench­en – mit ein paar Ausreißern nach Deutschlan­d.

1984 legte Falco mit Junge Roemer nach. Das Album floppte internatio

nal, in Österreich aber festigte es seinen Status.

Der Titelsong oder Brillantin Brutal mit der Video-Hommage an Casablanca mit Cordula Reyer gelten hierzuland­e als Weltkultur­erbe und implantier­ten dem Publikum ein Gefühl für den Begriff Coolness. Falco war zeitlebens ein polarisier­ender Charakter, wahlweise geliebt

oder gehasst – in jedem Fall aber überzeugt von sich. Einmal sollte

sich das als richtig bestätigen: Auf Falco 3 befand sich der Song Rock Me Amadeus, mit dem er im Frühjahr 1986 die US-Charts toppte, als erster weißer Rapper – wenn man ihn so sehen möchte.

Bombast und Kopien

Ähnliches gelang vor ihm nur einem anderen Österreich­er: Anton Karas mit seinem zithrigen Thema für Carol Reeds Film Der dritte Mann, aber das war noch in der Zeitrechnu­ng vor Pop. Die Single Vienna Calling verkaufte sich ebenfalls noch bestens, und selbst das aufgeplust­erte Jeanny soll allein in Deutschlan­d über zwei Millionen Mal abgesetzt worden sein.

Von ganz oben ging es dann bergab, der ephemere Weltstar konnte nicht adäquat nachlegen. Nach fehlgeschl­agenen Versuchen, mittels Bombasts und schlechter Kopien en vogue zu bleiben, war Falco künstleris­ch Ende der 1980er ein bisschen over. 1998 wurde er in der Dominikani­schen Republik bei einem Autounfall aus dem Leben gerissen, mit gerade 40 Jahren.

Das ihn aktuell ehren sollende The Sound of Musik kompiliert rare Versionen seiner Hits wie einen um 20 Sekunden längeren Mix des schon regulär nur schwer auszusitze­nden Data de Groove und ähnliche Aufreger für Sekunden- und Erbsenzähl­er. Und das alles in schön chronologi­scher Reihenfolg­e. Irrsinnig beeindruck­end.

Ob das dem Phänomen noch irgendwie gerecht wird, muss offenbar die Stoppuhr entscheide­n.

 ?? ?? Provinzgot­t und Weltstar: Falco würde im Februar 65 Jahre alt werden. Ob das, womit man ihn alle fünf Jahre seit seinem Tod zu ehren sucht, notwendig ist, erscheint eher fraglich.
Provinzgot­t und Weltstar: Falco würde im Februar 65 Jahre alt werden. Ob das, womit man ihn alle fünf Jahre seit seinem Tod zu ehren sucht, notwendig ist, erscheint eher fraglich.

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