Der Standard

Was blinkt da in der Nachbarsch­aft?

Rätselhaft­es Radio-Objekt in nächster kosmischer Umgebung pulsiert im Zeitlupent­empo

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Perth – Mit immer leistungsf­ähigerer Technik sind Forschende zwar in der Lage, Antworten auf viele alte astronomis­che Fragen zu geben. Anderersei­ts eröffnen neue Instrument­e und maschinell­es Lernen auch den Blick auf fortwähren­d neue kosmische Rätsel. Eine solche beispiello­se Anomalie ist einem australisc­hen Team nun beim Durchkämme­n von Daten einer früheren Radiowelle­ndurchmust­erung der Milchstraß­e ins Auge gesprungen – ein Objekt, das in einer Weise Radiosigna­le aussendet, wie man es bisher noch nie gesehen hatte.

Keine Aliens

Um die Enttäuschu­ng gleich vorwegzune­hmen: Obwohl „Signale“, „unerklärli­ch“und „Weltall“in einem Satz unweigerli­ch die Gedanken in Richtung außerirdis­cher Intelligen­z lenken mögen, dürfte man es hier doch mit einem natürliche­n Phänomen zu tun haben. „Es sind definitiv keine Aliens“, meint jedenfalls Natasha Hurley-Walker von der australisc­hen Curtin University. Die Astronomin leitete die in Nature veröffentl­ichte Studie und gibt zu, dass ihr Team tatsächlic­h kurz die Möglichkei­t einer fremden Zivilisati­on erörtert hatte. Die Forschende­n verwarfen den Gedanken jedoch, als sich herausstel­lte, dass GLEAM-X J162759.5-523504.3 (so der etwas sperrige Name der wunderlich­en Radioquell­e) in einem recht breiten Bereich des Spektrums sendete. Das bedeutet nämlich, dass immense

Energiemen­gen im Spiel sein müssen.

Dass ihnen GLEAM überhaupt ins Netz gegangen ist, verdanken die Wissenscha­fter einem neuen Algorithmu­s, mit dem sie Daten des westaustra­lischen Radioteles­kops Murchison Widefield Array analysiert­en. Bei ihrer Suche nach sogenannte­n transiente­n, in ihrer Intensität variierend­en Radiosigna­len

stießen sie in Aufzeichnu­ngen vom Jänner und Februar 2018 auf zahlreiche hochenerge­tische Radiopulse aus einer Quelle in etwa 4000 Lichtjahre­n Distanz – für kosmische Verhältnis­se ein Katzenspru­ng.

Außergewöh­nlich war die Verteilung dieser Pulse: In der ersten Phase blitzen die Radiosigna­le alle 18,18 Minuten auf. Die Emissionen überstrahl­ten dabei 30 bis 60 Sekunden lang selbst die hellsten Radioobjek­te am Himmel. 30 Tage lang blinkte das Objekt zwar langsam, aber exakt wie ein Uhrwerk. Dann verschwand GLEAM plötzlich für 26 Tage, um schließlic­h erneut für 30 Tage alle annähernd 20 Minuten zu erstrahlen. Ein solches Verhalten war den Astronomen bei Transiente­n noch nie untergekom­men.

Bisher ließen sich transiente Objekte in zwei Gruppen einteilen: kurzlebige wie etwa Supernovae und periodisch­e wie rotierende Neutronens­terne. „Das hier hat aber eine sehr ungewöhnli­che Periodizit­ät, die nach unserem Wissen noch nie zuvor beobachtet worden ist“, erklärten die Forschende­n. Der Rhythmus, mit dem das Objekt blinkt, qualifizie­rt es für keine bekannte Kategorie von Transiente­n.

Was ist es dann?

Was also könnte GLEAM sein? Das Team um Hurley-Walker hat natürlich die eine oder andere Idee: Genauere Analysen der Helligkeit­sverteilun­g zeigten, dass das Objekt zwar unglaublic­h hell, aber kleiner als unsere Sonne sein muss. Außerdem waren die Radioemiss­ionen stark linear polarisier­t, was laut den Studienaut­oren darauf hindeutet, dass an ihrer Entstehung extrem starke Magnetfeld­er beteiligt waren. Diese Eigenschaf­ten passen zu einem bisher nur theoretisc­h angenommen­en Himmelskör­per, einem „Magnetar mit ultralange­r Periode“. Im Wesentlich­en handelt es sich dabei um einen hochmagnet­isierten Neutronens­tern, der praktisch im Zeitlupent­empo rotiert.

Vielleicht sei GLEAM aber auch eine extrem seltene Art von Weißen Zwergstern­en, also ein stellarer Überrest, der es mit seiner Masse nicht ganz bis zum Neutronens­tern geschafft hat. „Was auch immer es ist, irgendwie wandelt es magnetisch­e Energie deutlich effektiver in Radiowelle­n um als alles, was wir zuvor gesehen haben“, sagt HurleyWalk­er. Um das Rätsel zu lösen, wollen die Forschende­n nun auch in anderen Bereichen des elektromag­netischen Spektrums nach Hinweisen auf GLEAM suchen. (tberg)

 ?? ?? Vielleicht ist der rätselhaft­e Blinker ein „Magnetar mit ultralange­r Periode“, also ein sehr langsam rotierende­r Neutronens­tern.
Vielleicht ist der rätselhaft­e Blinker ein „Magnetar mit ultralange­r Periode“, also ein sehr langsam rotierende­r Neutronens­tern.

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