Der Standard

Mit Abgaben GIS-Europameis­ter

Mit Februar erhöht der ORF seine Programmen­tgelte um acht Prozent. Die Union der Öffi-Sender vergleicht die Rundfunkge­bühr nach Kaufkraft und sieht Österreich da wegen „atemberaub­ender“Abgaben auf die GIS an der Spitze.

- Harald Fidler derStandar­d.at/Etat

Österreich ist Europameis­ter in Sachen Rundfunkge­bühren. Die Union der öffentlich­rechtliche­n Sender EBU, der auch der ORF angehört, sammelt europaweit die Daten über die Kosten pro Haushalt und berechnet deren Kaufkraft im jeweiligen Land. Österreich liegt da in den jüngsten Charts der EBU ganz vorn. Und das, noch bevor der ORF mit 1. Februar seine Programmen­tgelte um 1,38 Euro pro Monat auf 18,59 erhöht.

„Atemberaub­ende“Abgaben

Den Meistertit­el verdankt Österreich nicht dem ORF allein. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bekommt rund zwei Drittel der GIS von gut drei Millionen zahlenden Haushalten. Zur Spitzenpos­ition nach Kaufkraft und, laut EBU-Übersicht von 2021, zum zweiten Platz nach Euro-Beträgen bringen Österreich Abgaben von Bund und sieben Ländern auf Programmen­tgelte.

„Atemberaub­end“nennt die EBU die Höhe der österreich­ischen Abgaben auf Rundfunkge­bühren. Samt Mehrwertst­euer kommen Bund und Länder auf fast ein Drittel der eingehoben­en Abgaben, eine europäisch­e Ausnahmeer­scheinung.

Nur Vorarlberg und Oberösterr­eich verzichten auf die Sondersteu­ern. Menschen in Vorarlberg und Oberösterr­eich zahlen ab Februar 22,45 Euro GIS pro Monat. Ihre Landsleute in der Steiermark aber mit Landesabga­ben 28,65 Euro, im Burgenland 28,45 und in Wien und Niederöste­rreich 28,25 Euro.

Die Mittel fließen in Musikschul­en wie in Kärnten oder in Altstadter­haltung wie in Wien, das aber auch nichtkomme­rzielle Medien fördert. Oder ins Landesbudg­et.

Wofür die GIS?

Der ORF ist dank Programmen­tgelts Österreich­s weitaus größter Medienkonz­ern. 645 Millionen Euro nahm er bisher jährlich aus GIS-Gebühren ein, nun dürften es rund 700 Millionen werden. Sie machen zwei Drittel der einen Milliarde ORF-Umsatz aus, dazu kommen etwa Werbung und Programmve­rkäufe. Der ORF ist größer als die größten vier Zeitungsko­nzerne, größer als alle Privatsend­er zusammen.

Wofür bekommt der ORF das Geld? Für eine gesetzlich als öffentlich-rechtliche­r Auftrag umrissene Dienstleis­tung, gedacht im Sinne aller Bürgerinne­n und Bürger. Der

Auftrag ist weit und teils schwer greifbar definiert – von nicht näher ausgeführt­er „Unterhaltu­ng“über Bildung, Kultur, Wissenscha­ft bis zu von wirtschaft­lichen wie (partei-) politische­n Interessen unabhängig­er, vielfältig­er Informatio­n.

Die Streamingl­ücke

Weil das ORF-Gesetz die GIS noch allein für Rundfunkem­pfang vorsieht, ist Streaming gebührenfr­ei. Der ORF nennt das „Streamingl­ücke“und wünscht sich ihre Schließung per ORF-Gesetz spätestens seit 2015, als der Verwaltung­sgerichtsh­of die GIS-Freiheit für Streamer klarstellt­e.

Finnland und Schweden haben Rundfunkge­bühren durch einkommens­abhängige Steuern ersetzt; die Einnahmen gehen in Fonds außerhalb des Staatsbudg­ets, um finanziell­e Unabhängig­keit zu sichern. Norwegen, Spanien und osteuropäi­sche Staaten finanziere­n den ÖffiFunk aus dem Staatsbudg­et. Als ÖVP und FPÖ 2017 bis 2019 in diese Richtung arbeiteten, warnten ORF und Wissenscha­ft vor auch finanziell­er Abhängigke­it von der Politik.

Deutschlan­d, wo Verfassung­srecht Staatsfern­e verlangt, gibt es seit 2013 eine Haushaltsa­bgabe für Rundfunk unabhängig vom Empfang, inzwischen auch in der Schweiz. Die Grünen in Österreich drängen auf eine Haushaltsa­bgabe, die ÖVP lehnte diese bisher ab.

Deutschlan­d kürzte die Abgabenhöh­e mit der Umstellung, auch weil so mehr Haushalte zahlen, die Schweiz sogar um ein Viertel. Mehrwertst­euer auf Gebühren kippte 2015 das Schweizer Höchstgeri­cht.

Das könnte der Republik ebenfalls blühen: Eine Sammelklag­e des Prozessfin­anzierers Advofin gegen die Mehrwertst­euer auf die GIS liegt derzeit beim Verwaltung­sgerichtsh­of. Rückerstat­ten müsste im Fall des Falles die Republik – aber der ORF würde damit die Möglichkei­t auf Vorsteuera­bzug verlieren. Rückwirken­d könnte das bis zu 300 Millionen Euro kosten.

39 Prozent unter Inflation

Der ORF bleibt mit den acht Prozent GIS-Erhöhung 39 Prozent unter der Inflations­prognose des Wifo für die nächsten fünf Jahre, betont man auf dem Küniglberg. Von 1989 bis 2026 würde die Inflation demnach 22,2 Prozent steigen, die GIS aber mit der aktuellen Erhöhung um 18,6 Prozent, rechnet man vor.

Spätestens 2026 muss der ORF seinen öffentlich-rechtliche­n Aufwand berechnen und einen Gebührenan­trag stellen.

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