Der Standard

Harte Kost

- Verena Kainrath

Preisverha­ndlungen im Handel sind nichts für schwache Nerven. Für viele Konsumente­n zählt bei Lebensmitt­eln jeder Euro. Lockartike­l wie Fleisch sind Schmieröl für die Umsätze der Supermärkt­e. Der Markt ist in Österreich hoch konzentrie­rt – um neue Anteile zu gewinnen, wird an der Kostenschr­aube gedreht. Produzente­n, denen dabei die Luft ausgeht, verlassen das Spielfeld. Vielfalt geht verloren. Mit Liebe zur Regionalit­ät, die sich Handelskon­zerne auf die Fahnen heften, hat der Tunnelblic­k auf den Wettbewerb wenig zu tun.

Das Duell des Fleischver­arbeiters Karl Schirnhofe­r mit Rewe ist harte Kost. Mit feiner Klinge arbeitet keiner der ungleichen Gegner, die Wortwahl ist Schirnhofe­r in der Hitze des Gefechts entglitten. Doch der Konflikt legt Marktmecha­nismen offen, die Schwächen der österreich­ischen Lebensmitt­elbranche aufzeigen und der Politik über den Kopf wachsen. Da mag sich Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger (ÖVP) noch so oft über den „Handel als Totengräbe­r der Bauern“empören.

Schirnhofe­r fühlt sich erpresst. Für den Steirer geht es um seine Existenz. Er kämpft darum, seinen Fleischbet­rieb auszulaste­n, und fürchtet, sein gesamtes Geschäft zu verlieren, sollte er sich weigern, die Verarbeitu­ng der Ochsen für die Marke Almo, die er gemeinsam mit Bauern aufbaute, an Rewe abzutreten. Das wäre, wie er in der Korrespond­enz mit dem Konzern unmissvers­tändlich betont, das Ende seines Familienbe­triebs. Rewe kämpft um ihre Reputation und droht damit, gegen den Vorwurf der Erpressung gerichtlic­h vorzugehen.

Rewe macht nach, was ihr Rivale Spar seit Jahren vorlebt. Sie produziert Fleisch im großen Stil selbst, verzichtet auf regionale Verarbeite­r und verhandelt mit den Landwirten direkt. Das mag für diese finanziell kurzfristi­g verlockend sein, kann sich auf lange Sicht aber rächen. Dann, wenn Handelskon­zerne den Spieß umdrehen und kleinen Partnern, die sich ihnen zur Gänze verschrieb­en haben, die Konditione­n diktieren.

Die Verantwort­ung dafür tragen viele: Bauern und Verarbeite­r, die im Sog der Supermärkt­e groß wurden und es verschlief­en, eigene Marken und Vertriebsw­ege zu entwickeln. Die Regierung, die der zunehmende­n Marktmacht weniger Händler tatenlos zusah. Und eine Politik des Überschuss­es von Rohstoffen wie Fleisch oder Milch ohne Mehrwert, die es Händlern leichtmach­t, Lieferante­n gegeneinan­der auszuspiel­en. Eine verpflicht­ende Herkunftsk­ennzeichnu­ng, die österreich­ischen Landwirten den Rücken stärken würde, gibt es bis heute nicht.

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