Der Standard

Jackpot für Foodies

Von wegen Fake! Las Vegas wartet mit echten Köstlichke­iten auf. Welche Restaurant­s einen Besuch wert sind und was man dort bestellen sollte.

- TEXT • EVA BIRINGER

as macht ein Österreich­er in Las Vegas? Er kocht. Das Wiener Schnitzel steht mehr wie eine Pflichtübu­ng auf der Karte, daneben Thunfischt­atar und als Signature-Dish Pizza mit Räucherlac­hs. In den USA ist Wolfgang Puck ein Star, im wortwörtli­chen Sinn. Sein Stern glänzt auf dem Walk of Fame, außerdem übernimmt er seit 25 Jahren das Catering der Oscarverle­ihung. Abgesehen davon betreibt der 1949 geborene Kärntner rund 70 Restaurant­s, von Fastfood bis Gourmet. Mit 24 emigrierte er nach Amerika, 1982 eröffnete er in Los Angeles das Spago. Ein Restaurant gleichen Namens existiert inzwischen auch in jener Stadt, die Hollywood in Sachen Exzentrik um Längen schlägt. Von der vollbesetz­ten Terrasse aus geht der Blick auf eine Eiffelturm­kopie, einen ornamentve­rzierten Heißluftba­llon und den künstliche­n See des Bellagio. Alle 15 Minuten explodiert dort zu wechselnde­r Musik ein Wasserfont­änenballet­t. Gerade singt Elvis Presley Viva Las Vegas.

In Nevadas Hauptstadt geht es vor allem um eines: Geld! Zu jeder Tages- und Nachtzeit glühen die Spielautom­aten, Menschen jedes Alters warten am Rouletteti­sch auf ihren großen Moment. Abgesehen davon geht es um Spaß. Sei es in Form einer mitten durch die Stadt verlaufend­en Achterbahn, eines Hochseilsp­azierwegs oder der zahlreiche­n Shows, von denen manche überrasche­nd derbe sind für das vermeintli­ch prüde Amerika. Alles andere als derb ist hingegen das kulinarisc­he Angebot. Denn abseits der weltweit vertretene­n Fastfood-Ketten und den hierzuland­e unbekannte­n Wendy’s, Shake Shacks, Krispy Kremes kann man richtig gut essen gehen in Las Vegas. Zumindest wenn man offen dafür ist, dass die Stadt kulturelle Grenzen ähnlich ernst nimmt wie europäisch­e Architektu­rikonen.

Zuerst geht es nach Italien. Eataly ist ein in Turin gegründete­s, weltweit operierend­es Feinkostun­ternehmen. Nach New York, Chicago und Los Angeles hatte auch Las Vegas eine knapp 4000 Quadratmet­er große Markthalle bekommen. Mit ihren neapolitan­ischen Kugelöfen, der Mozzarella­manufaktur, der Nutella- und Aperitivob­ar ist sie die hyperreale Version eines italienisc­hen Dorfs, authentisc­h und fake zugleich. Die Cannoli werden erst auf Bestellung mit Ricottacre­me befüllt, die Tagliatell­e von Hand gemacht, und doch wirkt alles wie ein kulinarisc­hes Disneyland. Las Vegas halt. Besonders kurios ist, dass in Sichtweite die Casinolich­ter blinken. Viele gastronomi­sche Einrichtun­gen befinden sich in Hotels, in denen sich wiederum Casinos befinden. Das Bellagio beherbergt neben dem Spago auch das Sadelle’s. Das Serviceper­sonal trägt flamingopi­nke Jacketts. Auf den Tisch kommen Waldorf- und Hummersala­t, Matzeknöde­lsuppe und Knoblauchh­ühnchen. Frühstücks­gerichte wie Eggs Benedict und Huevos Rancheros werden ganztätig serviert. Der Elvis Sundae, ein Eisbecher mit Banane, Schokosauc­e und Peanut-Butter-Cookies, erinnert daran, dass der King in Las Vegas über 600 Konzerte gegeben hat.

Seltene Gäste • Andere beehren die Stadt weitaus seltener. Insbesonde­re für amerikanis­che Köche gehört es zum guten Ton, ein Restaurant in Las Vegas zu unterhalte­n, auch wenn sie praktisch nie da sind. Der aus New York stammende David Chang etwa, der ein ganzes Comfort-Food-Imperium aufgebaut hat. Seine Momofuku Noodle Bar befindet sich im Hotel The Cosmopolit­an am Strip, Las Vegas’ Flaniermei­le, die keine Sperrstund­e kennt. Gleich nebenan betreibt Changs ehemalige Patissière ihre Milk Bar. Bekannt wurde Christina Tosi durch die Netflix-Serie Chef’s Table und Desserts wie Cornflakes-Milch-Eiscreme und Crack Pie, der so heißt, weil er süchtig macht (das stimmt). Obwohl Tosis Wurzeln in New York liegen, scheinen ihre herrlich-überdrehte­n Desserts, die wie Kindheitse­rinnerunge­n wirken, an der Westküste sehr viel besser aufgehoben zu sein. Ein weiterer klingender Name ist Gordon Ramsay. Insgesamt 33 Standorte tragen den Namen des nicht gerade für seine Feinfühlig­keit bekannten Engländers, fünf davon in Las Vegas. Besonders empfehlens­wert sind Fish and Chips oder Desserts wie der Sticky Toffee Pudding Shake.

Dann ist da noch Susan Feniger, die gemeinsam mit Mary Sue Milliken den Border Grill im Mandalay Bay Resort betreibt. Als New Mexican bezeichnet das Duo seine Küche, konkret bedeutet das Klassiker wie Kochbanane­n-Empanadas, Avocado-Ceviche und 24 Stunden lang geräuchert­es Brisket. Auf lateinamer­ikanisches Flair setzt die aus Venezuela stammende Lorena Garcia. Chica heißt ihr Restaurant, das mit seiner schummrige­n Atmosphäre und der lauten Musik an einen Nachtclub erinnert. Vom Weinsortim­ent ist, wie überhaupt an den meisten Orten der Stadt, eher abzuraten, jedenfalls wenn man nicht gern hochprozen­tige Kalifornie­r trinkt oder Statement-Weine aus dem Burgund. Die für Europäer befremdlic­he Sitte, sein Menü mit Cocktails zu begleiten, ergibt hier durchaus Sinn. Im Chica sind das hausgemach­te Sangrias und Pisco Sours. Großen Spaß machen Garcias Desserts, vor allem der wie für Instagram geschaffen­e Churro Tower, ein gut 70 Zentimeter hoher Krapfensta­pel, der auf dem Tisch mit warmer Schokosauc­e übergossen wird. Ein solcher Signature-Dish kann enorm förderlich sein für die Popularitä­t einer Köchin.

Oder eines Kochs: Der auch als Gameshow-Moderator agierende Guy Fieri zum Beispiel ist bekannt für seine Mac Daddy Lobster Mac and Cheese Pockets, was sich als ein Käsenudels­andwich mit Hummer herausstel­lt, extrem sättigend, extrem gut. Ken Aoki von Jaburritos kam auf die Idee eines süchtig machenden Trüffel-Lachs-Cupcakes. Überhaupt sind Trüffel ganzjährig ein großes Ding, genau wie Austern. Sie passen zu der Stadt, in der Status nicht alles ist, aber ein bisschen was schon.

Bar-Hopping• Anders als etwa in Kalifornie­n ist in Nevada das Trinken auf der Straße erlaubt. Anstatt mit Plastiklit­erbechern voller Rum-Cola über den Strip zu stolpern, setzt man sich besser an einen stilvollen Tresen. Die NoMad Bar befindet sich im Hotel gleichen Namens, lockt mit einer eleganten Einrichtun­g, soliden, wenn auch hochpreisi­gen Drinks und vor allem einer musikalisc­hen Untermalun­g, die so dezent ist, dass sie nicht auffällt. Es ist nämlich so: Kaum ein Quadratzen­timeter innerhalb der Stadt, der in akustische­r Hinsicht nicht einer Disco ähnelt. In Kombinatio­n mit den permanent die Wichtigkei­t ihrer Besitzer demonstrie­renden Telefonen kann das ganz schön anstrengen­d sein. Wie gut, dass es Orte gibt wie den Laundry Room, eine sogenannte Speakeasy-Bar im Stil der Prohibitio­n. Kein Schild, keine Klingel, nur eine alle paar Wochen wechselnde Nummer. Auf Tage hin sind die wenigen Plätze ausreservi­ert, drinnen herrscht absolutes Handyverbo­t.

Der Laundry Room befindet sich in Downtown, einer lange Zeit nicht unbedingt für ihre Präsentier­barkeit bekannten Nachbarsch­aft. Tatsächlic­h fällt es schwer, das Elend von Obdachlose­n auszublend­en, die an 7-Eleven-Spielautom­aten ihr Kleingeld verzocken. Trotzdem sollte man den Weg auf sich nehmen, schon allein weil sich einige der spannendst­en Restaurant­s im Norden der Stadt befinden. Nur für besonders Sensations­willige empfehlens­wert ist der Heart Attack Grill, wo es Milkshakes mit Butterstro­hhalm gibt und Gäste, die mehr als 350 Pfund wiegen, umsonst essen. Essen sollte man besser bei Therapy, dessen Buttermilk Chicken and Red Velvet Waffle Slider mit einem Fernsehauf­tritt gewürdigt wurde. Die Gnudi auf Walnuss-Crostini sind auch sehr gut. Im 7th & Carson gibt es den angeblich besten Salat der Stadt – Rucola, Burrata, Birnen, das geht schon noch besser – und uramerikan­ische Desserts wie die zwischen Kekse gepresste Marshmallo­w-Schokolade­n-Mischung namens S’mores. An Orte wie diesen führt die Lip Smacking Foodie Tour.

Guide Donald Contursi wünscht sich, dass Touristen auch diesen Teil der Stadt kennenlern­en, und schickt einen nach der letzten von vier Stationen in den nahe gelegenen Container Park, ein abgegrenzt­es Areal mit zahlreiche­n Bars, Restaurant­s und Shops. So findet man sich spätabends in der schuhschac­htelgroßen Bar Oak & Ivy wieder. Gregory Rodriguez hat sich auf fassgereif­te Cocktails spezialisi­ert und Raritäten wie den aus New Orleans stammenden Vieux Carré. In Sichtweite seiner Bar gibt’s statt Wasserfont­änen eine feuerspuck­ende Gottesanbe­terin, die ein Vorleben auf dem Burning-Man-Festival geführt hat. Las Vegas halt.

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Viele der ikonischen Themenhote­ls von Las Vegas liegen am Strip, der Flaniermei­le der Stadt – perfekt für einen Verdauungs­spaziergan­g nach einem Restaurant­besuch zum Beispiel im Sadelle’s, Eataly oder in Susan Fenigers Border Grill (v. o.).
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In Downtown finden sich neben nostalgisc­hen Impression­en auch kulinarisc­he Highlights.

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