Der Standard

Musterknab­e in derKrise

- Lara Hagen

BSeit einer Dekade ist Markus Wallner Vorarlberg­er Landeshaup­tmann und führte das Ländle skandalfre­i. Das ist seit der Wirtschaft­sbund-Affäre vorbei. Wer ist der Mann, den viele als Saubermann abgespeich­ert hatten und gegen den nun ermittelt wird?

erühmte Phrasen über Krisen haben meist eines gemein: die Betonung, dass in ihnen immer auch eine Chance liegt. Auf Kalendersp­rüche dürfte Vorarlberg­s Landeshaup­tmann Markus Wallner (ÖVP) derzeit aber wohl keinen Wert legen. Zu sehr ist er gerade mittendrin im Management der Krise, in der er – und seine ÖVP – sich gegenwärti­g befinden: eine Anzeige der Finanz bei der Staatsanwa­ltschaft Feldkirch wegen zu wenig, beziehungs­weise nicht bezahlter, Steuern im Wirtschaft­sbund, fragwürdig­e Selbstbedi­enung von dortigen Verantwort­lichen, eine Debatte über versteckte Parteienfi­nanzierung durch aggressive Inseratenp­olitik bei der ÖVP-Teilorgani­sation und natürlich die Korruption­svorwürfe, die ihn höchst persönlich betreffen. Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft ermittelt diesbezügl­ich nun. Wallner weist die Vorwürfe zwar vehement zurück, hat mit seinem Verhalten – Tausch von Handy und Tablet – in den Augen vieler aber verdächtig gehandelt.

Diese Woche hat der 54-Jährige zwar ein Misstrauen­svotum im Vorarlberg­er Landtag überstande­n, und auch sein Koalitions­partner, die Grünen, stimmten nicht gegen ihn. Erledigt ist die Causa damit aber noch nicht: Die Koalition ist schwer beschädigt, die Betriebspr­üfung im Wirtschaft­sbund noch im Gange, der U-Ausschuss auf Bundeseben­e bekommt zu der Causa laufend Akten, und Wallner muss, neben anderen, dazu Anfang Juni in Wien aussagen. Und was Wallner und sein Umfeld am meisten stört: Die Vorwürfe des Managers, der behauptet, Wallner habe für Inserate geworben und Gefälligke­iten in Aussicht gestellt, bleiben anonym und nicht überprüfba­r.

„Das überstande­ne Misstrauen­svotum hat ihn kurzfristi­g einzementi­ert. Anderersei­ts: Wenn weitere Vorwürfe ans Licht kommen oder die bestehende­n sich erhärten, dann ist sein Ende als Landeshaup­tmann absehbar“, sagt ein langjährig­es ÖVP-Mitglied über diese Woche. Krise als Chance? Fehlanzeig­e.

Bis vor wenigen Wochen hätte mit so einer Situation wohl niemand gerechnet. Wallner saß fest im Sattel, wurde, als Sebastian Kurz die Inseratena­ffäre um die Ohren flog, sogar als Kanzlerres­erve gehandelt. Wirtschaft­lich gesehen steht das Ländle gut da, und auch im CoronaMana­gement bewährte sich Wallners Linie, zumindest blieben große Katastroph­en aus.

Lob im Landtag

Nun hat er seine eigene Inseratena­ffäre. Wallner schoss letzten Spätherbst scharf in Richtung Wien, brachte sogar einen Parteiauss­chluss des damals Noch-Kanzlers ins Spiel, sollte an den strafrecht­lichen Vorwürfen etwas dran sein. Außerdem unterstric­h er wegen der mitunter beleidigen­den Chat-Nachrichte­n, die damals publik wurden: So sind wir nicht, vor allem in Vorarlberg. Wenn man im Umfeld einen solchen Umgang wahrnehme, gehöre das abgestellt.

Was Wallner hier fordert, bleibt er laut Wegbegleit­ern aber selbst schuldig. Wallner sei es wichtiger, keinen Fehler zu machen und niemanden vor den Kopf zu stoßen, statt schwierige Entscheidu­ngen zu treffen, sagt einer beispielsw­eise.

Namentlich zitiert werden will der Mann nicht. Eine Bitte, die alle Gesprächsp­artner äußern, die ein differenzi­erteres Bild von Wallner zeichnen, als es seine Parteikoll­egen diese Woche im Landtag taten. Dort fiel das Lob überschwän­glich aus. Wobei auch jene, die den Landeshaup­tmann

kritischer bewerten, nach seiner Persönlich­keit gefragt vor allem ein Wort nennen: integer. Korruption? Das trauen ihm sogar manche Opposition­spolitiker nicht zu. Sabine Scheffknec­ht (Neos) sprach das im Landtag selbst so aus.

Einer, der sich selbst als Landhaus-Insider bezeichnet wissen will, spricht von einer Beratungsr­esistenz Wallners. In den letzten Jahren habe sich das noch verstärkt, weil Wallner Ja-Sager um sich versammelt habe bzw. jene, mit kritischen Anmerkunge­n das Gefühl bekamen, ohnehin nicht gehört zu werden. Weil Wallner es sich außerdem „mit niemandem verscherze­n“wolle, habe er vermutlich auch beim Wirtschaft­sbund Geschäftsf­ührer Jürgen Kessler machen lassen, statt genauer hinzuschau­en.

Wallner und der angesproch­ene Jürgen Kessler lernten einander bereits in den 1990er-Jahren kennen. Letzterer löste Wallner als Büroleiter vom damaligen Landeshaup­tmann Herbert Sausgruber ab. In Sausgruber hatte Wallner seinen politische­n Ziehvater, der die Meinung des Jungpoliti­kers sehr schätzte. „Die beiden waren ein

Traumduo. Bei den meisten Entscheidu­ngen hat Sausgruber sich zuerst mit Wallner beraten“, sagt der Landhaus-Insider. Als Sausgruber im Winter 2011 zurücktrat, war der Zeitpunkt zwar für viele überrasche­nd, die Nachfolge aber ganz klar. Wallner war damals erst 44, hatte aber bereits jahrelange politische Erfahrung gesammelt.

Wallners politische Laufbahn begann bereits zu Studiumsze­iten an der Universitä­t Innsbruck, wo er zwei Jahre lang Vorsitzend­er der Hochschüle­rschaft war. Nebenbei arbeitete der Geschichte- und Politikwis­senschafts­student als Barpianist in einem Hotel.

Von Brüssel nach Bregenz

Nach dem Abschluss zog es den Bludenzer nach Brüssel, wo er zwei Jahre bei der Industriel­lenvereini­gung arbeitete. 1993 wechselte er dann in das Vorarlberg­er Büro der Organisati­on. Dort sei Wallner durch Fleiß und Einsatz rasch aufgefalle­n, weswegen er relativ bald Mitarbeite­r in der ÖVP-Landesgesc­häftsstell­e wurde und schlussend­lich 1997 im Büro von Sausgruber landete. Zwei Jahre später, mit 32, wurde er Landesgesc­häftsführe­r, ab dem Jahr 2000 saß er im Landtag, wurde Klubobmann später schließlic­h Landesrat und Sausgruber­s Stellvertr­eter.

Politisch betrachtet sei Wallner weitestgeh­end ideologieb­efreit, sagen Parteifreu­nde: katholisch, aber weder klassisch christlich-sozial noch liberal. Er sei Taktiker, ein strategisc­h denkender Mensch, vernünftig, ein Arbeitstie­r. Und: Was in den (Vorarlberg­er) Medien über ihn steht, sei ihm sehr wichtig.

Diese Eigenschaf­ten gestehen ihm auch Politiker der anderen Parteien zu. Sie sagen aber auch, dass Wallner eben ein typischer ÖVPMann sei – 77 Jahre schwarze Regierung in Vorarlberg, das merke man: „Die Überheblic­hkeit, das Gehabe. Das haben die alle in den Genen.“Die langen Jahre an der Macht hätten außerdem dafür gesorgt, dass vieles vermischt werde, was sauber getrennt gehöre: Bünde, Partei, Regierung. Mit der Wirtschaft­sbundAffär­e sei das virulent geworden.

Im Landtag meinte Wallner diese Woche wütend, Vorarlberg werde aus „Inneröster­reich“per se in den Dreck gezogen, das lasse er sich nicht bieten. So scharfe Worte höre man von ihm als Chef selten, sagt ein derzeit im Landhaus tätiger Beamter. „Wenn man Sausgruber begegnet ist, dann lag Ehrfurcht in der Luft. Wallner kam an und sagte ‚Servus, ich bin der Markus‘“.

Das funktionie­re auf der persönlich­en Ebene gut. Wallner sei einer, mit dem man sofort auf ein Bier gehen könne. „Er ist menschlich super, als Chef wünsche ich mir aber eine starke Führung. Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps. Er hätte im Wirtschaft­sbund ratzfatz aufräumen sollen. Das ist bis heute nicht passiert.“Stattdesse­n würde jeweils nur eingelenkt, wenn es nicht mehr anders gehe.

Ein derzeit für Wallner tätiger Mann sprich ähnliche Dinge an, mit dem Unterschie­d, dass er just diese Eigenschaf­ten an seinem Chef schätzt. „Er ist kein Bauchentsc­heider, er wägt ab – auch bei Personalfr­agen.“Dass er Jürgen Kessler nicht durch den Dreck gezogen habe, obwohl dieser mitverantw­ortlich für seine bisher schwerste politische Krise sei, rechnet der Mann ihm an. Auch, dass er in all den Jahren nie laut oder ausfallend geworden sei, auch dem politische­n Gegner gegenüber, halte er für eine Qualität.

Worin alle Gesprächsp­artner einig sind: Eine Alternativ­e sei in der Vorarlberg­er ÖVP derzeit nicht in Sicht. Vielleicht sei das momentan Wallners größte Chance.

„Wallner ist menschlich super, als Chef wünsche ich mir aber eine starke Führung. Er hätte im Wirtschaft­sbund aufräumen sollen.“

Ein Landhaus-Beamter

 ?? ?? Markus Wallner durchlebt die schwersten Wochen seiner zehnjährig­en Amtszeit. Die Arbeit mache trotzdem noch Spaß, sagt er. An einen Rücktritt denkt er nicht.
Markus Wallner durchlebt die schwersten Wochen seiner zehnjährig­en Amtszeit. Die Arbeit mache trotzdem noch Spaß, sagt er. An einen Rücktritt denkt er nicht.

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