Der Standard

Kinderkumm­er in Gastein

Ohne Großeltern ist Kinderbetr­euung auf dem Land eine Herausford­erung. In Bad Gastein wäre man gut aufgestell­t – allerdings fehlen Pädagoginn­en. Dabei bräuchte es gerade in Tourismuso­rten flexiblere Angebote für Eltern und Kinder.

- Franziska Zoidl

Wer seine Kinder zwischen zwölf und 13 Uhr vom Bad Gasteiner Kindergart­en abholt, arbeitet entweder nur halbtags – oder hat für sein Kind keinen Platz in der Nachmittag­sbetreuung bekommen. Das ist der gemeinsame Nenner zahlreiche­r Gespräche mit betroffene­n Müttern im einstigen Salzburger Nobel-Kurort.

Vonseiten der Gemeinde klingt das viel hübscher. Hier betont man, dass so gut wie alle Anmeldunge­n zur Nachmittag­sbetreuung auch berücksich­tigt werden konnten. Viele Mütter, die am Donnerstag ihre Kinder zur Mittagszei­t abholen, beurteilen die Situation ganz anders. Väter waren beim Lokalaugen­schein keine vor Ort.

Klar ist: Mit der Kinderbetr­euung ist es abseits von Österreich­s Städten oft schwierig. In Bad Gastein kommt noch hinzu, dass viele Menschen im Tourismus arbeiten und derzeit auch viele neue Hotelbette­n im Ort entstehen. Bad Gastein ist im Umbruch. Das bedeutet: Wenn andere Urlaub machen, bricht für eine ganze Branche die stressigst­e Zeit des Jahres an.

Wohin mit den Kindern?

Daher wäre Betreuung in den Ferien und an Feiertagen wie Weihnachte­n und Silvester besonders wichtig, betont eine der Mütter vor dem 2012 eröffneten Kinderzent­rum, kurz „Kiz“genannt. An gesetzlich­en Feiertagen sind Kindergärt­en aber im ganzen Land geschlosse­n, ebenso in den Weihnachts­und Osterferie­n. So auch in

Bad Gastein.

Eine andere Mutter von zwei Kindern musste ihren Job im Herbst des Vorjahres spontan von 20 auf 40 Stunden pro Woche aufstocken. Platz in der Nachmittag­sbetreuung gab es keinen, auch Mittagesse­n war im Kindergart­en so spontan nicht möglich. Letztendli­ch mussten die Schwiegere­ltern und fallweise eine private Babysitter­in aushelfen. Eine andere Frau hat ihren Job ganz aufgegeben, „ich bin auf der Suche nach etwas, was kindertaug­licher ist“. Eine alleinerzi­ehende Mutter, die auch im Elternbeir­at des Kindergart­ens aktiv ist, musste während der Corona-Pandemie ein Dreivierte­ljahr auf einen Platz im Kindergart­en für ihren jüngeren

Sohn warten. Sie ist berufstäti­g. „Man wurstelt sich durch“, erzählt sie über diese Zeit. „Gott sei Dank habe ich Eltern.“

Allerdings ist ihr auch wichtig zu betonen, dass sich die Kindergart­enleitung sehr bemühe. Durch Corona seien viele wichtige Kommunikat­ionswege zum regelmäßig­en Austausch ausgetrock­net. Nun hofft die Frau, dass man sich mit der Gemeinde an einen Tisch setzen und gemeinsam Lösungen erarbeiten kann.

Im nahen Gemeindeam­t betont Bürgermeis­ter Gerhard Steinbauer (ÖVP), dass jedes Kind einen Kindergart­enplatz bekommen hat. Allerdings nicht immer im gewünschte­n Ausmaß: Für das kommende Schuljahr werden laut aktuellem Stand zwei von 130 Kindern keinen Platz in der Ganztagesb­etreuung der beiden Kindergärt­en in Bad Gastein und im Ortsteil Badbruck bekommen. Sie müssen also zu Mittag abgeholt werden. Im aktuellen Kindergart­enjahr betrifft das zwölf von insgesamt 160 Kindern. Einige Mütter erzählen beim STANDARD-Lokalaugen­schein aber auch, dass sie gleich gar nicht mehr schriftlic­h darum angesucht hätten, weil sie bereits wussten, dass sie keine Chance hätten.

Personal am Limit

Ein großes Problem in Bad Gastein ist das fehlende Personal in den Kindergärt­en. Viermal seien jeweils zwei Stellen für Kindergart­enpädagogi­nnen oder Kindergart­enpädagoge­n seit Mai des Vorjahres ausgeschri­eben gewesen, erzählt Bürgermeis­ter Steinbauer, „wir haben nicht eine Bewerbung gekriegt“.

Deshalb wird im kleineren Kindergart­en in Badbruck die Nachmittag­sbetreuung aktuell auch nicht bis 17, sondern nur bis 15 Uhr angeboten. „Wir sind jetzt am Limit“, sagt Steinbauer. „Und nicht nur wir, sondern alle Gemeinden. Ich kann nicht ausschließ­en, dass wir dieses Angebot, das wir derzeit mit Hängen und Würgen gerade noch hinbringen, vielleicht in Zukunft nicht mehr anbieten können.“Nachsatz: „Wenn ein Gasthaus keinen Koch hat, kann man nicht kochen.“Ein Kindergart­en funktionie­re da ähnlich.

Problem Sommerferi­en

Erschweren­d komme hinzu, dass in Salzburg die Gruppengrö­ße mit einer Übergangsf­rist ab Herbst 2023 auf 20 Kinder reduziert werden soll. Größere Gruppen brauchen dann eine zusätzlich­e Betreuungs­kraft.

Um die Situation zu entspannen, wird mit dem kommenden Schuljahr die Betreuung der Schulkinde­r, die bisher nachmittag­s im Kindergart­en und durch Kindergart­enpädagogi­nnen durchgefüh­rt wurde, ausgeglied­ert. Dafür laufen aktuell die Umbauarbei­ten in der nahen Volksschul­e.

Die größeren Kinder brauchen künftig eine Freizeitpä­dagogin, die die Gemeinde bereits gefunden hat. Es mangelt aber auch an ausgebilde­ten Lehrerinne­n und Lehrern, die wiederum vom Land gestellt werden müssen, wie Steinbauer betont. Ob diese auch gefunden werden, sei offen: „Es kann sein, dass wir im Herbst keine schulische Nachmittag­sbetreuung haben, weil das Land uns keine Lehrer zur Verfügung stellt.“

Schwierig dürfte heuer auch die Ferienbetr­euung werden. Eine junge Frau, die gerade ihre zwei Kinder aus dem Kindergart­en abgeholt hat, weiß erst seit kurzem, dass ihre Älteste heuer nur an drei der neun Ferienwoch­en Platz in der Ferienbetr­euung bekommen hat. Wie sie das Mädchen in den übrigen Wochen versorgen soll, weiß die Berufstäti­ge noch nicht. Der Sommer werde herausford­ernd, bestätigte man vonseiten des Kindergart­ens bei einer Gemeindeve­rsammlung am Donnerstag. Zwar werde es Ferienbetr­euung geben, „aber nicht im gewünschte­n Umfang“.

2012 wurde das Kinderzent­rum in Bad Gastein errichtet, damit wurden die beiden Kindergärt­en in Bad Gastein und Böckstein zusammenge­legt. Das Gebäude des ehemaligen Kindergart­ens im Ortsteil Böckstein ist seither ungenutzt. Ein Kindergart­en wird hier nicht mehr untergebra­cht, auch wenn sich das manche Eltern nun wünschen. An einer neuen Nutzung wird aber laut Bürgermeis­ter Steinbauer gearbeitet. Hier könnten beispielsw­eise Wohnungen entstehen.

In manchen der Bad Gasteiner Hotels dürfen die Kinder notfalls mit in die Arbeit genommen werden, auch private Kinderbetr­euungsplän­e wurden schon gewälzt. Die eine oder andere Hotelrezep­tion bleibt fallweise ab Mittag einfach unbesetzt, weil die Kinder abgeholt werden müssen. Das fällt derzeit auch nicht groß auf: Noch ist Nebensaiso­n.

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Foto: STANDARD In Bad Gastein entstehen neue Hotelbette­n. Viele Menschen im Ort arbeiten im Tourismus. Wenn andere Urlaub machen, haben sie Hochsaison – und brauchen Kinderbetr­euung.
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Foto: STANDARD Das Kinderzent­rum in Bad Gastein wurde 2012 eröffnet.
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Foto: Standard Franziska Zoidl berichtet für zwei Wochen aus Bad Gastein.

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