Kinderkummer in Gastein
Ohne Großeltern ist Kinderbetreuung auf dem Land eine Herausforderung. In Bad Gastein wäre man gut aufgestellt – allerdings fehlen Pädagoginnen. Dabei bräuchte es gerade in Tourismusorten flexiblere Angebote für Eltern und Kinder.
Wer seine Kinder zwischen zwölf und 13 Uhr vom Bad Gasteiner Kindergarten abholt, arbeitet entweder nur halbtags – oder hat für sein Kind keinen Platz in der Nachmittagsbetreuung bekommen. Das ist der gemeinsame Nenner zahlreicher Gespräche mit betroffenen Müttern im einstigen Salzburger Nobel-Kurort.
Vonseiten der Gemeinde klingt das viel hübscher. Hier betont man, dass so gut wie alle Anmeldungen zur Nachmittagsbetreuung auch berücksichtigt werden konnten. Viele Mütter, die am Donnerstag ihre Kinder zur Mittagszeit abholen, beurteilen die Situation ganz anders. Väter waren beim Lokalaugenschein keine vor Ort.
Klar ist: Mit der Kinderbetreuung ist es abseits von Österreichs Städten oft schwierig. In Bad Gastein kommt noch hinzu, dass viele Menschen im Tourismus arbeiten und derzeit auch viele neue Hotelbetten im Ort entstehen. Bad Gastein ist im Umbruch. Das bedeutet: Wenn andere Urlaub machen, bricht für eine ganze Branche die stressigste Zeit des Jahres an.
Wohin mit den Kindern?
Daher wäre Betreuung in den Ferien und an Feiertagen wie Weihnachten und Silvester besonders wichtig, betont eine der Mütter vor dem 2012 eröffneten Kinderzentrum, kurz „Kiz“genannt. An gesetzlichen Feiertagen sind Kindergärten aber im ganzen Land geschlossen, ebenso in den Weihnachtsund Osterferien. So auch in
Bad Gastein.
Eine andere Mutter von zwei Kindern musste ihren Job im Herbst des Vorjahres spontan von 20 auf 40 Stunden pro Woche aufstocken. Platz in der Nachmittagsbetreuung gab es keinen, auch Mittagessen war im Kindergarten so spontan nicht möglich. Letztendlich mussten die Schwiegereltern und fallweise eine private Babysitterin aushelfen. Eine andere Frau hat ihren Job ganz aufgegeben, „ich bin auf der Suche nach etwas, was kindertauglicher ist“. Eine alleinerziehende Mutter, die auch im Elternbeirat des Kindergartens aktiv ist, musste während der Corona-Pandemie ein Dreivierteljahr auf einen Platz im Kindergarten für ihren jüngeren
Sohn warten. Sie ist berufstätig. „Man wurstelt sich durch“, erzählt sie über diese Zeit. „Gott sei Dank habe ich Eltern.“
Allerdings ist ihr auch wichtig zu betonen, dass sich die Kindergartenleitung sehr bemühe. Durch Corona seien viele wichtige Kommunikationswege zum regelmäßigen Austausch ausgetrocknet. Nun hofft die Frau, dass man sich mit der Gemeinde an einen Tisch setzen und gemeinsam Lösungen erarbeiten kann.
Im nahen Gemeindeamt betont Bürgermeister Gerhard Steinbauer (ÖVP), dass jedes Kind einen Kindergartenplatz bekommen hat. Allerdings nicht immer im gewünschten Ausmaß: Für das kommende Schuljahr werden laut aktuellem Stand zwei von 130 Kindern keinen Platz in der Ganztagesbetreuung der beiden Kindergärten in Bad Gastein und im Ortsteil Badbruck bekommen. Sie müssen also zu Mittag abgeholt werden. Im aktuellen Kindergartenjahr betrifft das zwölf von insgesamt 160 Kindern. Einige Mütter erzählen beim STANDARD-Lokalaugenschein aber auch, dass sie gleich gar nicht mehr schriftlich darum angesucht hätten, weil sie bereits wussten, dass sie keine Chance hätten.
Personal am Limit
Ein großes Problem in Bad Gastein ist das fehlende Personal in den Kindergärten. Viermal seien jeweils zwei Stellen für Kindergartenpädagoginnen oder Kindergartenpädagogen seit Mai des Vorjahres ausgeschrieben gewesen, erzählt Bürgermeister Steinbauer, „wir haben nicht eine Bewerbung gekriegt“.
Deshalb wird im kleineren Kindergarten in Badbruck die Nachmittagsbetreuung aktuell auch nicht bis 17, sondern nur bis 15 Uhr angeboten. „Wir sind jetzt am Limit“, sagt Steinbauer. „Und nicht nur wir, sondern alle Gemeinden. Ich kann nicht ausschließen, dass wir dieses Angebot, das wir derzeit mit Hängen und Würgen gerade noch hinbringen, vielleicht in Zukunft nicht mehr anbieten können.“Nachsatz: „Wenn ein Gasthaus keinen Koch hat, kann man nicht kochen.“Ein Kindergarten funktioniere da ähnlich.
Problem Sommerferien
Erschwerend komme hinzu, dass in Salzburg die Gruppengröße mit einer Übergangsfrist ab Herbst 2023 auf 20 Kinder reduziert werden soll. Größere Gruppen brauchen dann eine zusätzliche Betreuungskraft.
Um die Situation zu entspannen, wird mit dem kommenden Schuljahr die Betreuung der Schulkinder, die bisher nachmittags im Kindergarten und durch Kindergartenpädagoginnen durchgeführt wurde, ausgegliedert. Dafür laufen aktuell die Umbauarbeiten in der nahen Volksschule.
Die größeren Kinder brauchen künftig eine Freizeitpädagogin, die die Gemeinde bereits gefunden hat. Es mangelt aber auch an ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern, die wiederum vom Land gestellt werden müssen, wie Steinbauer betont. Ob diese auch gefunden werden, sei offen: „Es kann sein, dass wir im Herbst keine schulische Nachmittagsbetreuung haben, weil das Land uns keine Lehrer zur Verfügung stellt.“
Schwierig dürfte heuer auch die Ferienbetreuung werden. Eine junge Frau, die gerade ihre zwei Kinder aus dem Kindergarten abgeholt hat, weiß erst seit kurzem, dass ihre Älteste heuer nur an drei der neun Ferienwochen Platz in der Ferienbetreuung bekommen hat. Wie sie das Mädchen in den übrigen Wochen versorgen soll, weiß die Berufstätige noch nicht. Der Sommer werde herausfordernd, bestätigte man vonseiten des Kindergartens bei einer Gemeindeversammlung am Donnerstag. Zwar werde es Ferienbetreuung geben, „aber nicht im gewünschten Umfang“.
2012 wurde das Kinderzentrum in Bad Gastein errichtet, damit wurden die beiden Kindergärten in Bad Gastein und Böckstein zusammengelegt. Das Gebäude des ehemaligen Kindergartens im Ortsteil Böckstein ist seither ungenutzt. Ein Kindergarten wird hier nicht mehr untergebracht, auch wenn sich das manche Eltern nun wünschen. An einer neuen Nutzung wird aber laut Bürgermeister Steinbauer gearbeitet. Hier könnten beispielsweise Wohnungen entstehen.
In manchen der Bad Gasteiner Hotels dürfen die Kinder notfalls mit in die Arbeit genommen werden, auch private Kinderbetreuungspläne wurden schon gewälzt. Die eine oder andere Hotelrezeption bleibt fallweise ab Mittag einfach unbesetzt, weil die Kinder abgeholt werden müssen. Das fällt derzeit auch nicht groß auf: Noch ist Nebensaison.