Der Standard

Schweden sieht Vor- und Nachteile der Nato

Bericht hält Beitritt für sicherheit­spolitisch sinnvoll – und warnt vor Rache Moskaus

- Florian Niederndor­fer WIRTSCHAFT S. 17, 18, Kommentar S. 40 derStandar­d.at/Video

Der Nachbar auf der anderen Seite des Bottnische­n Meerbusens hat es vorgemacht, nun könnte auch Schweden nachziehen und – so wie am Donnerstag Finnland – einen ersten Schritt in Richtung Nato machen. Eine am Freitag in Stockholm von Außenminis­terin Ann Linde und Verteidigu­ngsministe­r Peter Hultqvist präsentier­te Sicherheit­sanalyse bereitete – mit Einschränk­ung – den Boden dafür: „Eine schwedisch­e Nato-Mitgliedsc­haft würde die Schwelle für militärisc­he Konflikte erhöhen und damit einen konfliktpr­äventiven Effekt in Nordeuropa haben“, heißt es dort.

Eine klare Empfehlung für oder gegen einen Beitritt zu dem Verteidigu­ngsbündnis liefert das Dokument nicht. „Wir stellen fest, dass die Russland-Krise strukturel­l, systematis­ch und langwierig ist“, bilanziert­e Linde bei der Vorstellun­g des Berichts, den die acht schwedisch­en Reichstags­parteien zusammen mit der Regierung verfasst hatten.

Letzterer gibt die Grundlage für eine baldige Entscheidu­ng: Der größte Vorteil einer möglichen Mitgliedsc­haft wäre, dass Schweden unter die kollektive Sicherheit des Bündnisses kommen würde. Gegen den Nato-Beitritt an der Seite Finnlands spreche, dass Russland negativ darauf reagieren dürfte. Als am wahrschein­lichsten werden Versuche Russlands betrachtet, die Öffentlich­keit und Entscheidu­ngsträger in Schweden durch Desinforma­tionskampa­gnen zu beeinfluss­en. Auch Cyberangri­ffe seien denkbar.

Schon das Beitrittsa­nsinnen Finnlands, das am Donnerstag von Präsident Sauli Niinistö und Ministerpr­äsidentin Sanna Marin in Helsinki dargebrach­t wurde, war in Moskau mit Drohungen quittiert worden: Man behalte sich „militärisc­h-technische Maßnahmen“vor.

Antrag ginge schnell

Schweden definiert sich als bündnisfre­i, könnte angesichts des Ukraine-Krieges aber wie Finnland umschwenke­n. Die regierende­n Sozialdemo­kraten von Ministerpr­äsidentin Magdalena Andersson wollten am Sonntag einen Beschluss zu ihrer eigenen Position in der Nato-Frage fassen.

Ein Nato-Beitritt Schwedens oder Finnlands müsste allerdings von allen 30 bestehende­n Mitglieder­n des Bündnisses gebilligt werden – also auch von der Türkei, deren Präsident Recep Tayyip Erdoğan sich bereits kritisch äußerte: „Wir haben keine positive Meinung dazu“, sagte Erdoğan am Freitag.

Moskau betrachtet indes auch eine weitere Beitrittsa­mbition mit Argusaugen: Die von seinen Truppen überfallen­e Ukraine solle nicht, wie von Kiew beantragt, der EU beitreten, sagte Außenminis­ter Sergej Lawrow am Freitag: „Es ist äußerst zweifelhaf­t, dass dieser Wunsch Kiews harmlos ist.“Dmitri Poljanski, Vizechef der russischen Uno-Vertretung, erklärte, Russland sehe „keinen Unterschie­d mehr“zwischen der EU und der Nato.

Ebenjene EU will laut Außenbeauf­tragtem Josep Borrell weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainisch­en Streitkräf­te zur Verfügung stellen. Das kündigte der Spanier am Freitag am Rande des G7-Außenminis­tertreffen­s an der deutschen Ostseeküst­e an.

Die USA gehen unterdesse­n davon aus, dass russische Truppen seit Beginn ihres Angriffskr­iegs am 24. Februar zehntausen­de Ukrainerin­nen und Ukrainer gewaltsam nach Russland oder in russisch kontrollie­rte Gebiete verschlepp­t haben. Allein aus der belagerten Hafenstadt Mariupol seien tausende Menschen deportiert worden, sagte der US-Botschafte­r bei der OSZE, Michael Carpenter, am Donnerstag in Wien. Nach Angaben Kiews betreibt Moskau zudem sogenannte Filtration­slager, in denen Verschlepp­te verhört und auch gefoltert würden.

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Foto: Reuters Ministerin Ann Linde erklärte Schwedens Nato-Bericht.

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