Der Standard

Kammer lässt Lobautunne­l-Stopp prüfen

Der Verfassung­sdienst wurde eingeschal­tet, die Stadt beschwert sich bei der EU

- Stefanie Rachbauer

Wiens Wirtschaft­skammer und die Stadt erhöhen in Sachen Lobautunne­l den Druck auf die grüne Verkehrsmi­nisterin Leonore Gewessler. Diese hat das Projekt bekanntlic­h im Herbst 2021 nach einem Klimacheck abgesagt. Dagegen wehrt man sich im Rathaus und in der Kammer vehement – allein Letztere ließ bereits vier Rechtsguta­chten à 17.000 Euro dazu erstellen. Diesen zufolge ist der Tunnelstop­p gesetzeswi­drig.

Nur mit Gutachten will man sich aber offenbar nicht mehr begnügen – und fährt jetzt schwerere Geschütze auf. Die Wirtschaft­skammer lässt Gewesslers Vorgehen jetzt vom Verfassung­sdienst prüfen: „Wir haben im einen Antrag auf Prüfung des Handelns der Ministerin eingebrach­t“, sagte Präsident Walter Ruck am Freitag an der Seite von Verkehrsst­adträtin Ulli Sima (SPÖ).

Diese versucht, den Tunnel über einen anderen Hebel durchzuset­zen. Die Stadt werde sich bei der EUKommissi­on über Gewessler beschweren, kündigte sie an. Denn: „Die Ministerin verstößt mit ihrem gesetzeswi­drigen Verhalten gegen die TEN-Verordnung.“TEN steht für transeurop­äisches Verkehrsne­tz. Die Verordnung sehe vor, Ballungsze­ntren vom Transitver­kehr durch die EU zu entlasten, erklärte Sima. Und in ebendieser Verordnung sei der S1-Lückenschl­uss samt Tunnel festgeschr­ieben. Dass dieser nicht kommen soll, „werden wir nicht hinnehmen“, versichert­e sie. Sollte es dennoch bei der Absage bleiben, will sich Wien finanziell möglichst schadlos halten. Man werde versuchen, vom Bund Schadeners­atz für das abgesagte Projekt zu bekommen, kündigte Sima an.

Grundlage für all diese Schritte ist ein weiteres Gutachten, das der Wiener Rechtsanwa­lt Christian Onz für 25.000 Euro im Auftrag der Stadt erstellt hat. Ihm zufolge kann eine Ministerin Straßenpro­jekte, die wie die Nordostumf­ahrung im Bundesstra­ßengesetz angeführt sind, nicht einfach absagen. „Die Kompetenz besteht nicht“, versichert­e der Jurist. „Die angeführte­n Vorhaben sind voranzutre­iben. Besonders wenn – wie im vorliegend­en Fall – alle Genehmigun­gen vorliegen.“

Keine Klage möglich

Den Lückenschl­uss einzuklage­n ist laut dem Gutachter hingegen nicht möglich: „Rechtlich gibt es hier keinen Weg.“Die einzige Möglichkei­t, gesetzesko­nform vorzugehen, wäre eine Streichung des Projekts aus dem Bundesstra­ßengesetz – für die es im Nationalra­t aber wohl keine Mehrheit gäbe.

Ministerin Gewessler betont auf Anfrage einmal mehr, dass ihr Vorgehen rechtens sei. Man habe „umfassende Gutachten eingeholt, die bestätigen, dass diese Vorgehensw­eise rechtskonf­orm ist“, heißt es in einer Stellungna­hme.

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Foto: Regine Hendrich Gewessler verstoße gegen EU-Recht, sagt Ulli Sima.

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