Kammer lässt Lobautunnel-Stopp prüfen
Der Verfassungsdienst wurde eingeschaltet, die Stadt beschwert sich bei der EU
Wiens Wirtschaftskammer und die Stadt erhöhen in Sachen Lobautunnel den Druck auf die grüne Verkehrsministerin Leonore Gewessler. Diese hat das Projekt bekanntlich im Herbst 2021 nach einem Klimacheck abgesagt. Dagegen wehrt man sich im Rathaus und in der Kammer vehement – allein Letztere ließ bereits vier Rechtsgutachten à 17.000 Euro dazu erstellen. Diesen zufolge ist der Tunnelstopp gesetzeswidrig.
Nur mit Gutachten will man sich aber offenbar nicht mehr begnügen – und fährt jetzt schwerere Geschütze auf. Die Wirtschaftskammer lässt Gewesslers Vorgehen jetzt vom Verfassungsdienst prüfen: „Wir haben im einen Antrag auf Prüfung des Handelns der Ministerin eingebracht“, sagte Präsident Walter Ruck am Freitag an der Seite von Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ).
Diese versucht, den Tunnel über einen anderen Hebel durchzusetzen. Die Stadt werde sich bei der EUKommission über Gewessler beschweren, kündigte sie an. Denn: „Die Ministerin verstößt mit ihrem gesetzeswidrigen Verhalten gegen die TEN-Verordnung.“TEN steht für transeuropäisches Verkehrsnetz. Die Verordnung sehe vor, Ballungszentren vom Transitverkehr durch die EU zu entlasten, erklärte Sima. Und in ebendieser Verordnung sei der S1-Lückenschluss samt Tunnel festgeschrieben. Dass dieser nicht kommen soll, „werden wir nicht hinnehmen“, versicherte sie. Sollte es dennoch bei der Absage bleiben, will sich Wien finanziell möglichst schadlos halten. Man werde versuchen, vom Bund Schadenersatz für das abgesagte Projekt zu bekommen, kündigte Sima an.
Grundlage für all diese Schritte ist ein weiteres Gutachten, das der Wiener Rechtsanwalt Christian Onz für 25.000 Euro im Auftrag der Stadt erstellt hat. Ihm zufolge kann eine Ministerin Straßenprojekte, die wie die Nordostumfahrung im Bundesstraßengesetz angeführt sind, nicht einfach absagen. „Die Kompetenz besteht nicht“, versicherte der Jurist. „Die angeführten Vorhaben sind voranzutreiben. Besonders wenn – wie im vorliegenden Fall – alle Genehmigungen vorliegen.“
Keine Klage möglich
Den Lückenschluss einzuklagen ist laut dem Gutachter hingegen nicht möglich: „Rechtlich gibt es hier keinen Weg.“Die einzige Möglichkeit, gesetzeskonform vorzugehen, wäre eine Streichung des Projekts aus dem Bundesstraßengesetz – für die es im Nationalrat aber wohl keine Mehrheit gäbe.
Ministerin Gewessler betont auf Anfrage einmal mehr, dass ihr Vorgehen rechtens sei. Man habe „umfassende Gutachten eingeholt, die bestätigen, dass diese Vorgehensweise rechtskonform ist“, heißt es in einer Stellungnahme.