Eine Füllung für den leeren Speicher
Gazprom befüllt Teile des Gasspeichers in Haidach nicht mehr, Grund zur Sorge besteht für Österreich jedoch nicht. Die Regierung arbeitet an einer Gesetzesänderung, um Zugriff auf Speicher zu bekommen.
Die Aufregung ist sehr schnell sehr groß, wenn sich Engpässe bei der Energie- bzw. Gasversorgung abzeichnen. So auch, als am Donnerstag bekannt wurde, dass der Gasspeicher in Haidach in der Nähe der Stadt Salzburg leer ist. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass man das nicht so einfach sagen kann.
Frage: Welcher Speicher ist leer? Antwort: Es geht um den Gasspeicher in Haidach, der rund 30 Kilometer von Salzburg entfernt liegt. Haidach ist das zweitgrößte Erdgasdepot in Mitteleuropa, dort kann mehr Gas gespeichert werden als in den fünf Gasspeichern Bayerns zusammen. In Wahrheit ist nicht der ganze Speicher leer, doch das hängt mit komplizierten Eigentumsverhältnissen zusammen.
Frage: Wem gehört der Speicher? Antwort: Zu zwei Dritteln gehört die Anlage dem russischen Gasriesen Gazprom über die Tochterfirmen Gazprom Germania, Wingas sowie Centrex Europe Energy & Gas und zu einem Drittel der österreichischen Rohöl-Aufsuchungs-Aktiengesellschaft (RAG). Die RAG hat die Anlage errichtet und ist technischer Betreiber des Speichers, hat aber mit der Vermarktung des Gases nichts zu tun und keinen Einfluss darauf. Den Vertrieb übernimmt zu einem Drittel das Unternehmen Astora (Tochter von Gazprom Germania) und zu zwei Dritteln GSA (Tochter von Gazprom Export in Moskau). „Das Drittel von Astora wird normal befüllt, der Teil von GSA ist allerdings leer“, sagt Markus Krug von der E-Control. Deutschland hat Gazprom Germania zwar Anfang April unter Treuhandschaft gestellt, kann GSA aber nicht beeinflussen.
Frage: Warum ist der Speicher leer? Antwort: Es gibt keine Verträge oder sonstigen Verpflichtungen, dass die Russen den Speicher in Haidach auffüllen. „Die Anlage wurde meist als strategisches Zwischenlager genutzt – wenn es Wartungen an der Pipeline Nord Stream 1 gab, griff Gazprom auf dieses Gas zurück“, sagt Krug.
Frage: Welche Auswirkungen hat das für Österreich?
Antwort: De facto keine. Das Gas aus Salzburg fließt ausschließlich nach Deutschland, vor allem die Konzerne BASF, Wacker und Linde im bayerischen Burghausen sind darauf angewiesen. Am heimischen Markt werden kleine Teile von Tirol und Vorarlberg versorgt, das Gas muss dafür aber den „Umweg“über Deutschland nehmen.
Frage:
Wie sieht es bei den restlichen Gasspeichern aus?
Antwort: Im Schnitt sind sie zu rund 24 Prozent gefüllt, das ist doppelt so viel wie zum Tiefststand am Ende der Heizperiode. Die Lager der OMV sind zwar zu mehr als einem Drittel gefüllt, die Größe von Haidach reißt jedoch den Schnitt nach unten.
Frage: Wie reagiert die heimische Politik auf die Situation?
Antwort: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat Gazprom aufgefordert, seinen großen Gasspeicher umgehend wiederaufzufüllen: „Wenn dieser nicht gefüllt wird, überlegen wir uns Maßnahmen, damit er gefüllt werden muss.“Eine Verstaatlichung sei kein Thema, man arbeite jedoch an einem Gesetz, um Zugriff auf den Speicher zu bekommen, wenn dieser leer stehe, heißt es im Kanzleramt. Vizekanzler Kogler schlägt in dieselbe Kerbe: „Wir haben einen der größten Speicher, der aber aus politischen Erpressungsgründen leer bleibt.“Das gehe so nicht.
Frage: Wie kann eine solche Regel aussehen?
Antwort: „Use it or lose it“, lautet das Konzept. „In Deutschland gibt es eine solche Regelung bereits. Die Speicherunternehmen haben Füllstandsvorgaben, und wenn sie dieser Vorgabe nicht nachkommen, kann man ihnen den Speicher wegnehmen“, sagt Krug.
Frage:
Antwort: Die EU-Kommission hat im März Pläne vorgestellt, die die Energieversorgungssicherheit garantieren sollen. Demnach sollen die Betreiber von Gasspeichern verpflichtet werden, ihre Speicher bis zum 1. November 2022 zu mindestens 80 Prozent zu befüllen, um die Versorgung für den Winter zu garantieren. Die Verordnung ist allerdings noch im Entwurfsstadium, daher darf Gazprom seinen Speicher auch leer lassen – zumindest vorerst.
Was sagt die EU dazu?