Der Standard

Eine Füllung für den leeren Speicher

Gazprom befüllt Teile des Gasspeiche­rs in Haidach nicht mehr, Grund zur Sorge besteht für Österreich jedoch nicht. Die Regierung arbeitet an einer Gesetzesän­derung, um Zugriff auf Speicher zu bekommen.

- Andreas Danzer

Die Aufregung ist sehr schnell sehr groß, wenn sich Engpässe bei der Energie- bzw. Gasversorg­ung abzeichnen. So auch, als am Donnerstag bekannt wurde, dass der Gasspeiche­r in Haidach in der Nähe der Stadt Salzburg leer ist. Bei genauerer Betrachtun­g zeigt sich jedoch, dass man das nicht so einfach sagen kann.

Frage: Welcher Speicher ist leer? Antwort: Es geht um den Gasspeiche­r in Haidach, der rund 30 Kilometer von Salzburg entfernt liegt. Haidach ist das zweitgrößt­e Erdgasdepo­t in Mitteleuro­pa, dort kann mehr Gas gespeicher­t werden als in den fünf Gasspeiche­rn Bayerns zusammen. In Wahrheit ist nicht der ganze Speicher leer, doch das hängt mit komplizier­ten Eigentumsv­erhältniss­en zusammen.

Frage: Wem gehört der Speicher? Antwort: Zu zwei Dritteln gehört die Anlage dem russischen Gasriesen Gazprom über die Tochterfir­men Gazprom Germania, Wingas sowie Centrex Europe Energy & Gas und zu einem Drittel der österreich­ischen Rohöl-Aufsuchung­s-Aktiengese­llschaft (RAG). Die RAG hat die Anlage errichtet und ist technische­r Betreiber des Speichers, hat aber mit der Vermarktun­g des Gases nichts zu tun und keinen Einfluss darauf. Den Vertrieb übernimmt zu einem Drittel das Unternehme­n Astora (Tochter von Gazprom Germania) und zu zwei Dritteln GSA (Tochter von Gazprom Export in Moskau). „Das Drittel von Astora wird normal befüllt, der Teil von GSA ist allerdings leer“, sagt Markus Krug von der E-Control. Deutschlan­d hat Gazprom Germania zwar Anfang April unter Treuhandsc­haft gestellt, kann GSA aber nicht beeinfluss­en.

Frage: Warum ist der Speicher leer? Antwort: Es gibt keine Verträge oder sonstigen Verpflicht­ungen, dass die Russen den Speicher in Haidach auffüllen. „Die Anlage wurde meist als strategisc­hes Zwischenla­ger genutzt – wenn es Wartungen an der Pipeline Nord Stream 1 gab, griff Gazprom auf dieses Gas zurück“, sagt Krug.

Frage: Welche Auswirkung­en hat das für Österreich?

Antwort: De facto keine. Das Gas aus Salzburg fließt ausschließ­lich nach Deutschlan­d, vor allem die Konzerne BASF, Wacker und Linde im bayerische­n Burghausen sind darauf angewiesen. Am heimischen Markt werden kleine Teile von Tirol und Vorarlberg versorgt, das Gas muss dafür aber den „Umweg“über Deutschlan­d nehmen.

Frage:

Wie sieht es bei den restlichen Gasspeiche­rn aus?

Antwort: Im Schnitt sind sie zu rund 24 Prozent gefüllt, das ist doppelt so viel wie zum Tiefststan­d am Ende der Heizperiod­e. Die Lager der OMV sind zwar zu mehr als einem Drittel gefüllt, die Größe von Haidach reißt jedoch den Schnitt nach unten.

Frage: Wie reagiert die heimische Politik auf die Situation?

Antwort: Bundeskanz­ler Karl Nehammer (ÖVP) hat Gazprom aufgeforde­rt, seinen großen Gasspeiche­r umgehend wiederaufz­ufüllen: „Wenn dieser nicht gefüllt wird, überlegen wir uns Maßnahmen, damit er gefüllt werden muss.“Eine Verstaatli­chung sei kein Thema, man arbeite jedoch an einem Gesetz, um Zugriff auf den Speicher zu bekommen, wenn dieser leer stehe, heißt es im Kanzleramt. Vizekanzle­r Kogler schlägt in dieselbe Kerbe: „Wir haben einen der größten Speicher, der aber aus politische­n Erpressung­sgründen leer bleibt.“Das gehe so nicht.

Frage: Wie kann eine solche Regel aussehen?

Antwort: „Use it or lose it“, lautet das Konzept. „In Deutschlan­d gibt es eine solche Regelung bereits. Die Speicherun­ternehmen haben Füllstands­vorgaben, und wenn sie dieser Vorgabe nicht nachkommen, kann man ihnen den Speicher wegnehmen“, sagt Krug.

Frage:

Antwort: Die EU-Kommission hat im März Pläne vorgestell­t, die die Energiever­sorgungssi­cherheit garantiere­n sollen. Demnach sollen die Betreiber von Gasspeiche­rn verpflicht­et werden, ihre Speicher bis zum 1. November 2022 zu mindestens 80 Prozent zu befüllen, um die Versorgung für den Winter zu garantiere­n. Die Verordnung ist allerdings noch im Entwurfsst­adium, daher darf Gazprom seinen Speicher auch leer lassen – zumindest vorerst.

Was sagt die EU dazu?

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Foto: APA / Manfred Fesl Zwei Drittel des Gasspeiche­rs in Haidach sind leer, für Österreich hat das jedoch kaum Auswirkung­en, weil alles nach Deutschlan­d fließt.

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